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Flüchtlingskrise 2015

TFrüher Analphabet, heute Gärtner mit Abschluss in Stade: Er hat es geschafft

Asghar Abasi im Garten seiner Mentorin Doris Lübben-Hermann.

Asghar Abasi im Garten seiner Mentorin Doris Lübben-Hermann. Foto: Helfferich

Als er mit 15 Jahren aus Afghanistan nach Stade kam, konnte er weder lesen noch schreiben noch Deutsch sprechen. Das ist die außergewöhnliche Geschichte von Asghar Abasi.

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Von Susanne Helfferich
Dienstag, 16.09.2025, 17:50 Uhr

Stade. Asghar Abasi ist inzwischen 25 Jahre alt, hat seine Ausbildung zum Gärtner abgeschlossen, einen festen Job und eine eigene Wohnung. „Ich bin ein glücklicher Mensch“, sagt der junge Afghane. „Ich möchte allen Danke sagen, die mich in den vergangenen zehn Jahren unterstützt haben.“

Asghar Abasi stammt aus Afghanistan. Er ist der Jüngste von acht Geschwistern. Ein Jahr war er alt, als sein Vater erschossen wurde. 2015 machte er sich mit 15 Jahren auf den Weg von Afghanistan nach Deutschland - alleine und ohne Familie. Bis dahin hatte Asghar Abasi noch keine Schule besucht, konnte weder lesen noch schreiben, geschweige denn Deutsch sprechen. Er wusste nur, dass er weg musste aus Afghanistan.

15-Jähriger zunächst in einer Familie untergebracht

Nachdem Asghar Abasi Stade erreicht hatte, kam er zunächst in der Sporthalle der BBS unter, wo der Landkreis Stade im Herbst 2015 als Reaktion auf die Flüchtlingswelle kurzerhand eine Flüchtlingsunterkunft geschaffen hatte.

Sechs Monate verbrachte Asghar Abasi dort, bis ihn eine Buxtehuder Familie als minderjährigen, unbegleiteten Flüchtling aufnahm. Damals besuchte er erstmals eine deutsche Schule. Denn für die minderjährigen Geflüchteten gilt die Schulpflicht. Und so lernte er die ersten deutschen Wörter und Sätze.

Mit drei jungen Afghanen in einer Wohngemeinschaft

Nach einem halben Jahr zog Asghar Abasi wieder von Buxtehude nach Stade, zunächst in die Fröbelschule in Campe, wo die unbegleiteten Jugendlichen untergebracht wurden. Schließlich zog er mit drei jungen Afghanen in eine betreute Wohngemeinschaft, die von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) begleitet wurde.

Einfachste Dinge der Haushaltsführung habe er da gelernt. „Aber das hat gut funktioniert. Jeder hatte ein Zimmer für sich und wir haben uns für die Woche einen Plan gemacht, wer wann einkaufen geht, kocht oder putzt“, erzählt der junge Mann.

Dem Hauptschulabschluss folgte ein Praktikum

Entscheidend war für Asghar Abasi der Unterricht an der BBS3. Die berufsbildende Schule unter Leitung von Susanne von Hennig bot Deutschkurse auf verschiedenen Niveaus an. Der inzwischen 17-Jährige musste ganz von vorne anfangen, lernte eine neue Sprache und eine neue Schrift.

Es wurden für die Geflüchteten Berufsvorbereitungsklassen mit unterschiedlichen Fachrichtungen eingeteilt und von engagierten Lehrerinnen und Lehrern begleitet. Darunter auch Doris Lübben-Hermann, die den jungen Afghanen kennenlernte und unterstützte.

So schaffte es der Junge, der in Afghanistan Ziegen gehütet hatte, um etwas Geld zu verdienen, 2019 seinen Hauptschulabschluss zu bekommen. Aber Asghar Abasi wollte mehr: Lübben-Hermann vermittelte dem motivierten jungen Mann ein Praktikum bei den Kommunalen Betrieben Stade (KBS). Von vier BVJ-Schülern habe er als einziger durchgehalten, erzählt der 25-Jährige. „Das Praktikum hat mir so gut gefallen, sodass ich danach fragte, ob ich da auch meine Ausbildung zum Gärtner machen kann.“ Konnte er.

Quälen mit Lesen, Schreiben und Deutsch

Doch das Lernen fiel Asghar Abasi schwer. Er quälte sich mit Lesen, Schreiben und Deutsch. Er konnte die Herausforderung meistern, weil die Ausbildungszeit um ein Jahr verlängert wurde und weil er diese Ausbildung unbedingt durchziehen wollte.

Intensiv übte er mit Doris Lübben-Hermann und schloss 2024 seinen Berufsschulabschluss Gärtner ab. Am Ende hatte er nicht nur den Abschluss in der Tasche, sondern erhielt auch einen unbefristeten Arbeitsvertrag bei den KBS. Mit dem Geld, dass er inzwischen verdient, kann er sich seit Beginn der Ausbildung eine eigene Wohnung leisten.

Bestandener Führerschein krönt seine Geschichte

Asghar Abasis Geschichte ist eine Erfolgsgeschichte. Er ist als Analphabet in Deutschland angekommen und steht nun auf eigenen Beinen. Er hat eine Niederlassungserlaubnis. Das ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel, der die uneingeschränkte Erwerbstätigkeit gestattet.

Der 25-Jährige hofft auf seine Einbürgerung. Vor einem Jahr hat er sie beantragt. Was ihn besonders glücklich macht: „Ich habe in diesem Jahr meinen Führerschein bekommen. Ich bin so glücklich, dass ich das bestanden habe“, sagt er.

Rückblickend sagt Asghar Abasi: „Ich bin vor dem Krieg weggelaufen, ohne Familie hierhergekommen und war oft sehr traurig.“ Doch er habe so viel Hilfe und Unterstützung bekommen und will sich unbedingt bei seinem Ausbilder Alexander Wildgrube und bei allen Lehrern und Lehrerinnen der BBS3 bedanken, insbesondere bei Doris Lübben-Hermann. „Sie ist meine Mama“, scherzt der junge Mann.

Auch nach seiner Ausbildung trifft sich Asghar Abasi jeden Donnerstag nach der Arbeit mit ihr, um weiter sein Deutsch zu verbessern. Sie macht es gerne: „Asghar kann stolz auf sich sein. Es ist so toll, was er in den zehn Jahren aufgeholt hat“, so die inzwischen pensionierte Lehrerin.

TAGEBLATT-Serie

„Wir schaffen das“: Der Satz von Angela Merkel vom 31. August 2015 ist in Deutschland zum Synonym der großen Flüchtlingskrise geworden. Zehn Jahre danach nimmt das TAGEBLATT dies zum Anlass, für eine Serie, die in loser Folge erscheint. In Gesprächen mit Zeitzeugen stellen wir die Frage: Was haben wir heute geschafft? Und was ist noch zu tun?

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