TGanztagsschule: Was Stader Eltern nicht gefällt am neuen Angebot

Ganztags-Konferenz mit den Grünen Foto: Richter
2026 soll die Ganztagsschule eingeführt werden. Doch es mangelt an Geld und Personal. Wie soll das gehen? In Stade stellt sich Niedersachsens Kultusministerin den Fragen von Eltern und Lehrkräften.
Landkreis. Das Thema zieht: Kultusministerin Julia Willie Hamburg berichtet vor vollem Saal, dass Niedersachsen 2017 beschlossen habe, einen Schwerpunkt auf den Ganztag zu setzen. Damals hatten bereits 70 Prozent der niedersächsischen Schulen ein Ganztagsangebot - wenn auch nicht immer täglich und oft teilgebunden.
Andere waren weder konzeptionell noch räumlich darauf vorbereitet. Die vorletzte Bundesregierung beschloss, den Ganztag bis 2026 flächendeckend einzuführen. „Das ist sportlich. Aber es entspricht der Lebensrealität und der Anforderung der Bildungsgerechtigkeit“, sagt Hamburg.

Kultusministerin Julia Willie Hamburg zu Gast in Stade beim Info-Abend der Grünen zum Ganztag. Foto: Richter
Kleiner Stade-Marathon der Kultusministerin
Sie hofft, dass so viele Kinder wie möglich das Ganztagsangebot wahrnehmen: „Das ist unglaublich bereichernd, weil sich dadurch noch viel bessere Möglichkeiten zur Förderung bieten.“ Je mehr Kinder, desto vielfältiger könne das Nachmittags-Angebot gestaltet werden.
Die Kultusministerin absolviert einen kleinen Stade-Marathon: Weil sie zur Kita-Konferenz des Landkreises will, hat sie die Grünen im Kreisverband wissen lassen, dass sie am Abend vorher anreist und etwas Zeit hat. In aller Eile haben sie daraufhin den Info-Abend zum Ganztag im Stadthafen-Hotel auf die Beine gestellt. Eltern, Lehrkräfte, Politiker und Verwaltungsmitarbeiter sind gekommen.

Sabine Wolff-Stamer, Schulleiterin der Grundschule Bützfleth. Foto: Richter
Die Grundschule Bützfleth sei Startchancen-Schule, berichtet Schulleiterin Sabine Wolff-Stamer. Ihre Schule wird also aufgrund eines Sozial-Indexes gezielt gefördert, um die Chancengleichheit in der Bildung zu verbessern. 60 Prozent ihrer Schüler haben Migrationshintergrund, viele der 260 Kinder stammen aus finanziell schwachen Verhältnissen.
Es mangelt an Lehrkräften, darum werden zwölf Lehrkräfte von anderen Schulen mit je fünf Wochenstunden an die Schule abgeordnet. Bei alledem gebe es ein motiviertes Team und ein gutes pädagogisches Konzept, sagt Wolff-Stamer. Sie wünscht sich, zwischen Vormittag und Nachmittag in ihren Ansprüchen keinen Unterschied machen zu müssen.
Aus der Praxis der Grundschule Bützfleth
Bützfleth sei eine Offene Ganztagsschule (OGS) mit vielfältigen Angeboten: Musik, Spiel, Sport, Kunst - und Kochen. Doch es gab einen Wasserschaden, und aus Kostengründen will die Stadt Stade als Schulträger auf eine neue Küche verzichten. Das findet die Schulleiterin schade: „Kochen verbindet, auch jenseits von Sprache.“ Sie würde sich auch eine Begleitung für Kinder mit sozialpädagogischem Unterstützungsbedarf am Nachmittag wünschen - und kleinere Gruppen: „Im Ganztag sind die Menschen sonst überfordert.“
Aus der Praxis der Pestalozzi-Schule

Angela Merbeth, Leiterin der Pestalozzi-Grundschule in Stade. Foto: Richter
Angela Merbeth von der Pestalozzi-Grundschule in Stade mit rund 300 Schülern ist seit Oktober 2016 OGS. Zwei Drittel der Schüler nutzen das Ganztagsangebot an ein bis drei Tagen pro Woche. Ab 2026 sollen fünf Tage angeboten werden - in allen Jahrgängen, ab Jahrgang zwei teilgebunden. Teilgebunden heißt: An einigen Tagen pro Woche sind die Kinder verpflichtend am Nachmittag da. Das biete mehr Ruhe für die Gruppe.
Auch hier ist die Lehrkräfteversorgung schlecht, trotzdem seien viele Lehrkräfte im Ganztag aktiv. Zum Glück gebe es zwei Mal pro Woche eine Kooperation mit dem VfL Stade. Externe seien schwer zu bezahlen - und schwer zu bekommen.
Und was wird aus dem Hort?
„Bei uns läuft es super“, sagt eine Vertreterin der Eltern vom Hort der Grundschule Campe. Es gebe ein multiprofessionelles Team, Kinder und Eltern seien rundum zufrieden. Doch weil der Ganztag anders finanziert wird, droht der Hort auszulaufen. Die Stadt Stade ziehe sich aus der Finanzierung zurück, so dass die Hort-Erzieherinnen nur noch mit wenigen Stunden arbeiten können.
„Für uns zerbricht damit ganz viel“, sagt die Elternvertreterin. Julia Willie Hamburg antwortet: „Das Land würde die Finanzhilfe für den Hort weiterzahlen.“ Doch der Stadt - wie fast alle Kommunen notorisch klamm - würden ab 2026 die Elternbeiträge in der Finanzierung fehlen. „Wir wären auch bereit zu zahlen“, sagen die Hort-Eltern.
Lehrermangel
T An diesen Buxtehuder Schulen fällt der meiste Unterricht aus
Ulrich Felgentreu, Grünen-Ratsherr aus Buxtehude, beschwert sich über die Raumvorgaben: Niedersachsen liege mit 6,9 Quadratmetern pro Kind zu niedrig, das sei nicht zukunftsorientiert. Andreas Neumann vom Kita-Kreiselternrat fragt: „Inwiefern üben Sie bei der Finanzierung Druck auf die Bundesregierung aus?
„Die Länder haben mehr Geld für den Ganztag gefordert“, sagt Hamburg. Wie berichtet, unterstützt der Bund den Ausbau des Ganztags mit 3,5 Milliarden Euro. Doch die Teuerung sei nicht berücksichtigt worden, erklärt die Kultusministerin. Niedersachsen habe selbst ein Investitionsprogramm von 640 Millionen Euro als Co-Finanzierung für die Kommunen aufgelegt. Geldprobleme räumt Julia Willie Hamburg ein. Die Ganztagsschule werde ab 2026 trotzdem kommen - „aber eben noch nicht mit dem Goldstandard“.
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