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TGender-Verbot für Notarztwagen: Umstrittene Aufschrift wieder entfernt

So sehen die DRK-Notarztwagen mit der neuen Beschriftung aus. Frauen und Männer können sich damit angesprochen fühlen.

So sehen die DRK-Notarztwagen mit der neuen Beschriftung aus. Frauen und Männer können sich damit angesprochen fühlen. Foto: DRK

Gendern als Kulturkampf: Das DRK Stade gerät mit der Gestaltung eines Schriftzugs in einen Social-Media-Shitstorm und in den Konflikt mit dem Landkreis. Das ist das Problem.

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Von Karsten Wisser
Mittwoch, 06.08.2025, 05:50 Uhr

Landkreis. Die neue und aus Sicht der Beteiligten moderne und inklusive Beschriftung der neuen Notarztwagen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Stade überstand nicht einmal eine Woche. Auf den neuen Spezialfahrzeugen stand auf der Motorhaube und der Heckseite groß der verschiedenfarbige Schriftzug „NOTÄRZT:IN“.

Als Folge der neuen Beschriftung gab es bei den Internet-Auftritten des DRK und des Herstellers eine Flut von Kommentaren. Massive Ablehnung des Gender-Versuchs und Zustimmung hielten sich die Waage. Das DRK hat den Tweet inzwischen gelöscht.

Das sind die Fakten im neuen Gender-Streit

Bei der Neubeschaffung zweier Notarzt-Einsatzfahrzeuge hatte sich der DRK-Kreisverband Stade als Leistungserbringer dafür entschieden, bei der Beklebung eine neue gestalterische Richtung einzuschlagen.

„Die ursprünglich gewählte Variante mit dem Schriftzug „NOTÄRZT:IN“ war Ausdruck des Wunsches, Diversität und Gleichstellung auch im Erscheinungsbild sichtbar zu machen“, sagt Stades DRK-Sprecherin Franziska Kampmann.

Ein Foto mit dem kontroversen Aufdruck „NOTÄRZT:IN“ auf der Heckscheibe postete der Hersteller auf seiner Facebook-Seite. Der Aufdruck stand auch vorne auf der Motorhaube.

Ein Foto mit dem kontroversen Aufdruck „NOTÄRZT:IN“ auf der Heckscheibe postete der Hersteller auf seiner Facebook-Seite. Der Aufdruck stand auch vorne auf der Motorhaube. Foto: Screenshot Facebook

Intention sei gewesen, ein Zeichen für die Gleichwertigkeit aller Geschlechter im Rettungsdienst zu setzen. Die Ärzte für den Notdienst stellen die Elbe Kliniken Stade-Buxtehude. Das Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen Ärzten ist ausgeglichen. Auftraggeber für den Notdienst ist der Landkreis Stade.

Rettungsdienst bedauert die mangelhafte Absprache

Die Abstimmung mit der Kreisverwaltung habe sich vor allem auf technische Anforderungen bezogen. „Die finale Gestaltung wurde im guten Glauben auf dieser Grundlage umgesetzt – allerdings kam es hinsichtlich der Freigabe auf formaler Ebene zu Unklarheiten, die wir rückblickend sehr bedauern“, so Franziska Kampmann. Was so viel heißt wie, dass die zuständige Kreisverwaltung den gegenderten Schriftzug nicht kannte.

Der Landkreis als Träger des Rettungsdienstes trat bei Bekanntwerden der Beschriftung mit dem Wunsch an das DRK heran, eine sprachlich konforme Beschriftung zu wählen. Sie sollte zur Hauslinie der Kreisverwaltung passen.

DRK Stade erschafft ein Fantasiewort

„Der Landkreis Stade bevorzugt im Sinne der Lesbarkeit und im Hinblick auf die Regeln der deutschen Rechtschreibung Formulierungen ohne den Lesefluss störende Sonderzeichen wie Doppelpunkte, Sternchen, Striche“, sagt Kreissprecher Daniel Beneke.

Der Schriftzug „NOTÄRZT:IN“ könne aufgrund des Doppelpunktes und des dadurch entstandenen Fantasiewortes bei Betrachtern zu Irritationen führen und sei unglücklich gewählt.

Gender-Stern-Verbot beim Landkreis Stade

„Uns ist wichtig, dass wir eine einheitliche Sprachregelung haben, die für das ganze Haus gilt“, sagt Beneke. In Abstimmung mit dem Gleichstellungsbüro sei 2023 eine Hauslinie entwickelt worden. Grundsätzlich heißt es beim Landkreis: „Kolleginnen und Kollegen“ nicht „Kolleg:innen“.

„Ebenso wie der Rat für deutsche Rechtschreibung forcieren wir die oben genannten Varianten. Auf Gender-Sternchen und ähnliche Schreibweisen, die Sprachbarrieren schaffen, wird verzichtet“, beschreibt Beneke die Gender-Linie der Kreisverwaltung.

Das ist die Kompromisslinie beim Gendern

Das Ergebnis der Gespräche zwischen Kreis und DRK ist, dass der Schriftzug „NOTÄRZT:IN“ schon am Freitag wieder verschwunden ist. Jetzt stehen „Notärztin“ und „Notarzt“ gleichberechtigt untereinander. „Damit wird die Diversität unseres Teams sichtbar gemacht, ohne gegen die Vorgaben des Trägers zu verstoßen. Aus unserer Sicht ist dies eine gute Lösung, die einen respektvollen Umgang mit verschiedenen Perspektiven ermöglicht“, so Franziska Kampmann.

Im Rettungsdienst arbeiten Menschen für Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder persönlicher Identität.

DRK-Sprecherin Franziska Kampmann

„Uns ist bewusst, dass die Diskussionen um gendergerechte Sprache polarisieren können“, so das DRK. Die neue Beschriftung solle die eigentliche Botschaft sichtbar machen: „Im Rettungsdienst arbeiten Menschen für Menschen, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder persönlicher Identität.“

Betriebsrat kritisiert die Landkreis-Verwaltung

Allerdings sind nicht alle glücklich mit der Entscheidung. „Wir als Betriebsrat haben die Neubeklebung der Notarzt-Einsatzfahrzeuge als Zeichen für Vielfalt im Einklang mit den Grundsätzen des DRK sehr begrüßt“, sagt der Betriebsratsvorsitzende des DRK-Rettungsdienstes, Robin Millner.

Sein Stellvertreter Matthias Mittlmejer ergänzt: „Es ist äußerst irritierend, dass der Landkreis Stade offenbar einen Shitstorm in den sozialen Medien zum Anlass nimmt, um ein gerade neu beschafftes Fahrzeug neu zu folieren. Sowohl die Kosten als auch die Außenwirkung im Kollegium stehen hier in keinem Verhältnis.“

Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Björn Protze hält das Gender-Verbot für überzogen. „In einer Woche hätte niemand mehr darüber geredet. Für die Verschlimmbesserung von Sprache habe ich auch nichts übrig, aber der neue Schriftzug sah schick aus“, so Protze, „wir sollten uns lieber um die realen Probleme kümmern.“

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