Zähl Pixel
Nach Messerattacke

TImmer wieder Gewalttaten: Wie sicher fühlen sich die Stader in ihrer Stadt?

Spuren an der Eingangstür des Sport- und Shisha-Shops zeugen von dem Angriff am Freitagnachmittag in der Hökerstraße.

Spuren an der Eingangstür des Sport- und Shisha-Shops zeugen von dem Angriff am Freitagnachmittag in der Hökerstraße. Foto: Alexandra Bisping

Clan-Kriminalität, tödlicher Streit, Raub: Die jüngsten Gewalttaten in der Stader Innenstadt sind das Gesprächsthema in der Stadt. Das TAGEBLATT hat Bürgerinnen und Bürger befragt, sich im Altländer Viertel umgehört und viele Sorgen erfahren.

author
Von Alexandra Bisping,
author
Von Anping Richter
Dienstag, 26.03.2024, 05:45 Uhr

Stade. Die Stader Innenstadt ist gut besucht, von Unsicherheit ist gerade wenig zu spüren. Was sagen Gewerbetreibende zu der tödlichen Messerattacke vom Freitag?

„Bürger und Touristen sollten keine Angst haben“, sagt Michelle Neugebauer, Inhaberin des ebenfalls in der Hökerstraße ansässigen Shell‘s Concept Store. Es sei für das Image der Stadt wichtig, dass sich Gäste hier wohlfühlten. Sie selbst habe sich in Stade nie unsicher gefühlt, sagt sie. „Stade ist noch relativ behütet, ich bin viel in Hamburg unterwegs, das ist ein ganz anderer Schnack.“

Mehr Unsicherheit in der Hökerstraße?

Das sei „keine tolle Publicity für Stade“, sagt Thomas Rolff, Inhaber von Intersport Rolff in der Hökerstraße. Stade Marketing bemühe sich, doch er glaube schon, dass es auf den Handel Einfluss nehmen werde. Er selbst sei zum Zeitpunkt des Angriffs nicht da gewesen, „wir waren nicht involviert“. Mehr Unsicherheit verspürten er und seine Kollegen in der Hökerstraße nicht. Eher habe er Ähnliches von Kolleginnen gehört, wenn sie Richtung Pferdemarkt auf dem Weg zum Parkhaus unterwegs seien.

Madita Kretschmann fühlt sich am Montagvormittag beim Shoppen in der Hökerstraße auch nicht anders als zuvor. Sie komme aus dem Stader Umland, sagt sie. Gibt es eine Gegend in Stade, wo sie sich unwohl fühlt? Sie antwortet: „Um den Bahnhof herum, wenn es dunkel ist.“

„Die Polizei versucht bestimmt, ihr Bestes zu geben, weiß aber vielleicht nicht, wie sie mit diesen Leuten umgehen sollte“, sagt ein junger Mann, der an der Steilen Straße unterwegs ist. Er spielt darauf an, dass zwei Polizeibeamte zugegen waren, als es nach dem Autocrash beim Salztor zu der Messerattacke kam. Was die Polizei denn hätte machen sollen? „Reden reicht bei denen nicht zum Beruhigen. Manchmal muss man Gewalt anwenden“, sagt der junge Mann, der nach eigenen Angaben aus Syrien stammt, vor vier Jahren nach Deutschland kam und die BBS in Stade besucht hat, seinen Namen aber nicht nennen möchte.

Viele Menschen mit Migrationshintergrund sind besorgt

Im Altländer Viertel, wo nach TAGEBLATT-Informationen Mitarbeiter der am Streit beteiligten Shisha- und Sportgeschäfte wohnen, ist der Clan-Streit ein großes Thema. Ob vor dem türkischen Supermarkt oder an der Bushaltestelle: Viele sprechen darüber ganz offen. Aber bei Namen und Bild winkt einer nach dem anderen ab. Meistgehörte Begründung: „Ich will keinen Ärger.“

„Ich bin gekommen, weil ich mit meiner Familie friedlich und sicher leben wollte. Aber für mich ist Stade jetzt eine der unsichersten Städte in Deutschland“, sagt ein Mann. Er sei als Kurde aus der Türkei geflüchtet, lebe seit 24 Jahren in Stade und habe einen deutschen Pass. Er arbeite hart und habe sich nie etwas zuschulden kommen lassen. „Wenn ich Innenminister wäre, würde ich jeden, der kriminell wird, sofort abschieben“, sagt er. Andererseits fürchtet er, dass viele Deutsche Menschen wie ihn abstempeln und mit Clan-Kriminalität in Verbindung bringen: „Die sehen nur mein Aussehen. Meine Frau trägt Kopftuch. Wir müssen uns oft was anhören.“ Sogar in seinem Schrebergarten im Altländer Viertel mache ein deutscher Nachbar, mit dem er früher freundlichen Umgang pflegte, plötzlich ausländerfeindliche Sprüche. Sein Bekannter, mit dem er gerade die Mittagspause verbringt, ein Kurde aus Syrien, bestätigt, was er sagt.

Bürger nehmen Häufung von Clan-Kriminalitäts-Taten wahr

Ein junge Familie polnischer Herkunft spricht gerade an der Bushaltestelle über die Messerstecherei. „Ich habe sowieso schon Angst, es passiert so viel“, sagt die Frau. Wenn sie abends am Bahnhof ankomme, nehme sie ein Taxi nach Hause, und auf dem Weg dorthin nehme sie, statt direkt zu gehen, immer einen Umweg über die Altländer Straße, wo es belebter ist.

Zwei junge Frauen auf der Straßenseite gegenüber, sie sind Schwestern, arbeiten und wohnen in Stade. Auch ihnen machen die aus ihrer Sicht gehäuften Fälle von schwerer Kriminalität in Stade in letzter Zeit Angst. Ein junger Handwerker in Arbeitskleidung, der ebenfalls gerade aus der Mittagspause kommt, zeigt sich gut informiert. Er sagt, er sei im Altländer Viertel aufgewachsen und kenne die Geschichte des Quartiers, nennt die Namen der Clans, die vermutlich in den jüngsten Streit involviert sind, zählt Straftaten im Zusammenhang mit Clan-Kriminalität in den letzten Monaten in Stade auf. „Es wird schlimmer, aber was sollen wir machen?“, sagt er achselzuckend. Die Polizei habe nicht genug Leute.

Weitere Artikel