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Finanzen

THaben die Älteren zu viel Geld?

Viele Senioren sind für das Alter finanziell gut gerüstet. Die 65- bis 74-Jährigen verfügen im Schnitt über das höchste Vermögen aller Altersgruppen.

Viele Senioren sind für das Alter finanziell gut gerüstet. Die 65- bis 74-Jährigen verfügen im Schnitt über das höchste Vermögen aller Altersgruppen. Foto: Warnack/dpa

Die Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen verfügen in Deutschland im Schnitt über das größte Vermögen. Das schafft Sicherheit, wirft aber auch Fragen auf, ob das Geld an der richtigen Stelle sitzt.

Von Martin Kessler Mittwoch, 21.08.2024, 14:05 Uhr

Der reichste Mann Deutschlands hat ein Problem. Die Ehe von Klaus-Michael Kühne (87), Mehrheitseigner des Logistikkonzerns Kühne + Nagel, und Christine Kühne blieb kinderlos. Deshalb will der Unternehmer, dessen Vermögen nach der jüngsten Rangliste des Wirtschaftsmagazins Forbes umgerechnet knapp 36 Milliarden Euro beträgt, sein Firmenkapital nach seinem Ableben in eine Stiftung einbringen.

Der aus Hamburg stammende Kühne, der jetzt seinen Wohnsitz in der wesentlich steuergünstigeren Schweiz hat, mag ein besonders prominentes Beispiel sein. Aber er ist nicht allein. Reichtum in Deutschland ist alt, weiß und männlich. Von den zehn reichsten Deutschen sind laut Forbes-Liste sieben über 70 Jahre alt. Lediglich die BMW-Erben Stefan Quandt (57) und Susanne Klatten (61) befinden sich noch im Alter der Berufstätigen.

Doch nicht nur bei den Superreichen dominieren die höheren Semester. Schaut man sich die Altersgruppen insgesamt an, so erreichen die 65- bis 74-Jährigen nach aktuellen Zahlen der Bundesbank aus diesem Jahr ein mittleres Vermögen von 231.000 Euro pro Kopf. Das ist mehr Geld als bei jeder anderen Altersgruppe. Unterstellt wird dabei das Medianvermögen, also der Betrag, den die Hälfte der Gruppe mindestens erreicht. In diesem Wert sind das Finanzvermögen, die Anteile an Firmen und der Immobilienbesitz enthalten, wobei die verbliebenen Schulden noch abgezogen werden.

Das Ergebnis wird noch verstärkt, wenn man unterschiedliche Berufsgruppen heranzieht. So verfügen die Pensionäre, also die Beamten im Ruhestand, mit durchschnittlich 411.000 Euro (Medianwert) über das höchste Nettovermögen. Immerhin schaffen die aktiven Beamten mit knapp 300.000 Euro deutlich mehr als die Rentner (130.000 Euro). Auch die Vermögensmillionäre sind in Deutschland nach einer Befragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) eher älter und in der Mehrzahl männlich.

Höhere Vermögen bei Älteren nicht ungewöhnlich

Grundsätzlich sind höhere Vermögen bei Älteren in einer entwickelten und alternden Volkswirtschaft nicht ungewöhnlich. „Der Vermögensaufbau folgt den einzelnen Lebensphasen“, meint Judith Niehues, die beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für Verteilungsfragen zuständig ist. „In der Erwerbsphase wird gespart, deshalb ist das Vermögen beim Eintritt in den Ruhestand in der Regel am höchsten“, sagt die IW-Ökonomin. Tatsächlich sorgen viele Menschen trotz Rente und Pension für das Alter stärker vor, als oft unterstellt wird. Zugleich sinken die Schulden für den Immobilienerwerb oder nach Gründung eines Unternehmens im Verlauf des Lebens.

Trotzdem überrascht die Häufung des Vermögens im Alter. Denn reiche Eltern könnten ihren Kindern schon früher Hilfe beim Wohnungskauf oder bei der Firmengründung zuteilwerden lassen. „In Deutschland wird das Vermögen oft sehr spät übertragen“, erklärt die Verteilungsexpertin Niehues. Auch bei Haushalten der Mittelschicht haben die Älteren oft mehr auf dem Konto, als sie zur Abdeckung von Lebensrisiken wie Pflege benötigen. Doch genau diese Sorge hält viele davon ab, schon zu früh das Erbe auszubezahlen.

Umgekehrt sagen erfolgreiche Jungunternehmer, dass „Heirat, Finanzmarktgeschäfte oder Erbschaften nur eine untergeordnete Rolle beim Vermögensaufbau spielen“. Das ergab die Befragung beim sozio-ökonomischen Panel (SOEP) des Berliner DIW. Auch die IW-Expertin Niehues hält die Folgen des späten Vermögenstransfers für weniger dramatisch. „Die Konzentration des Reichtums bei den Älteren bedeutet nicht unbedingt, dass die Jüngeren keinen Zugang zu Kapital haben“, meint die Ökonomin.

Es passt indes zur gegenwärtigen ökonomischen Stimmung in Deutschland, dass eher die vorsichtigen älteren Jahrgänge über das volkswirtschaftliche Vermögen des Landes verfügen als die innovativen und risikobereiteren Jüngeren. Selbst wenn die Zugänge zum Kapitalmarkt haben, müssen sie erst Banken und andere Geldgeber mühsam überzeugen. Wenn dagegen potenzielle Erben schon früh im Betrieb ihrer Eltern einsteigen oder sich Wohneigentum leisten können, würde dies durchaus einen Schub für die Wirtschaft bedeuten. Niehues rät deshalb: „Die Übertragung von Vermögen könnte durchaus früher geschehen.“

Da ist zum Beispiel der frühere kinderlose Bankvorstand, der sein Millionenerbe zunächst seiner hochbetagten Frau überträgt, die dafür auch noch Erbschaftsteuer bezahlen muss. Erst nach deren Ableben können die Neffen und Nichten auf den Geldsegen hoffen. Für die Familiengründung, den Bau eines Hauses oder die Einlage bei einem Unternehmen hätten sie eine Schenkung schon früher gebrauchen können. Andere, die ein ganzes Leben hart gearbeitet haben, verfügen über Geldvermögen in Höhe von einer halben bis zu einer Million. Geld, das meist in langfristigen Anlagen, etwa Immobilienfonds oder sicheren Aktienfonds steckt. Das Geld kommt damit eher etablierten Kredit- und Kapitalnehmern zugute als aktiven Firmengründern.

Strukturen der Kapitalmärkte spielt eine Rolle

Eine Rolle spielen dabei sicher die Kapitalmärkte und ihre Strukturen. Doch auch hier ist Deutschland ins Hintertreffen geraten. Rund die Hälfte aller börsennotierten Unternehmen haben sich in den vergangenen 20 Jahren vom Aktienmarkt zurückgezogen oder sind zu ausländischen Börsen abgewandert.

Die hohen Vermögen der Älteren sind Ergebnis von jahrzehntelangen Ersparnissen einer ökonomisch einst sehr aktiven Bevölkerung. Sie werden jetzt an die Jüngeren weitergegeben – vielleicht etwas zu spät. Gleichwohl bedeuten sie für die jetzige Ruhestandsgeneration Wohlstand und bilden einen Puffer für die Notfälle des Lebens. Die Dynamik einer Wirtschaft bremsen sie aber eher aus. (mkr)

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