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T„Hätte fast mein Leben verloren“: Diese drei Frauen leiden unter Endometriose

ILLUSTRATION - 30.03.2022, Berlin: ARCHIV- Eine Frau hält sich eine Wärmflasche an den Unterbauch, während sie im Bett liegt (gestellte Szene). Viele Betroffene der Unterleibserkrankung Endometriose leiden unter starken Symptomen und damit verbundenen Einschränkungen im Alltag. (Zu dpa: «Fast 35.000 Frauen in Hessen leiden unter Endometriose») Foto: Annette Riedl/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

ILLUSTRATION - 30.03.2022, Berlin: ARCHIV- Eine Frau hält sich eine Wärmflasche an den Unterbauch, während sie im Bett liegt (gestellte Szene). Viele Betroffene der Unterleibserkrankung Endometriose leiden unter starken Symptomen und damit verbundenen Einschränkungen im Alltag. (Zu dpa: «Fast 35.000 Frauen in Hessen leiden unter Endometriose») Foto: Annette Riedl/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Annette Riedl/dpa

Endometriose: Eine unsichtbare Folter, die Frauen unerträgliche Schmerzen zufügt. Sieben Jahre dauert es im Schnitt bis zur Diagnose. Immer mehr sind betroffen. Drei Frauen berichten von ihrem täglichen Kampf gegen die Erkrankung.

Von Laura Künzel Samstag, 03.08.2024, 19:05 Uhr

Erschöpfung, Schmerzen beim Sex, ein unerfüllter Kinderwunsch – Endometriose ist ein unsichtbarer Feind, der das Leben von Frauen zerstört. Im Schnitt dauert es sieben Jahre, bis die chronische Krankheit diagnostiziert wird. Während dieser Zeit leiden die Betroffenen unter extremen Schmerzen, die nicht nur während der Periode, sondern auch unabhängig vom Zyklus und teilweise im ganzen Körper auftreten.

Schuld daran sind gebärmutterähnliche Zellen, die sich außerhalb der Gebärmutter ansiedeln und während der Menstruation bluten. Drei Frauen teilen ihre Geschichte und schildern ihren täglichen Kampf gegen diese Erkrankung. (Die Namen der Frauen wurden von der Redaktion geändert.)

  • Lina, 35, Bremen

„Ich war kurz davor, mein Leben zu verlieren. Ohne die operative Bauchspieglung, hätte sich die Endometriose weiter ausgebreitet und möglicherweise zu Organversagen geführt.“

Als mein Freund und ich uns Kinder wünschten, setzte ich mit 31 Jahren die Pille ab und bemerkte zum ersten Mal Symptome. Mit 14 habe ich angefangen, die Pille zu nehmen und hatte bis zum Absetzen keine Symptome. Die Endometriose hat sich trotzdem während der Pilleneinnahme weiter ausgebreitet über die Jahre.

Ich hatte nicht diesen klassischen Regelschmerz. Meine Symptome waren sehr vielfältig. Ich hatte starke Schmerzschübe, die ich veratmen musste, dazu kamen starke Übelkeit, Erschöpfung, Schüttelfrost, Bluthochdruck, viele Verdauungsprobleme und ein ständiges Krankheitsgefühl.

Ziemlich schnell ging ich zur Frauenärztin und zu verschiedenen Ärzten. Glücklicherweise äußerte meine Ärztin ziemlich schnell den Verdacht auf Endometriose. Danach rannte ich von Arzt zu Arzt, und alles wurde durchgecheckt. Oft konnten sie mir nicht helfen, weil die normalen Untersuchungen in Ordnung waren. Später wurde ich dann an ein Endometriose-Zentrum weitergeleitet. Dort bekam ich dann die Diagnose Endometriose und eine Bauchspieglung wurde veranlasst. Der Eingriff war aber nicht gut.

Endometriose kann sich im Körper einer Frau sehr unterschiedlich ausprägen. Häufig sammeln sich die Herde am Bauchfell des Beckens, an den Eierstöcken, der Gebärmutterwand oder an anderen Beckenorganen wie Blase oder Darm.

Endometriose kann sich im Körper einer Frau sehr unterschiedlich ausprägen. Häufig sammeln sich die Herde am Bauchfell des Beckens, an den Eierstöcken, der Gebärmutterwand oder an anderen Beckenorganen wie Blase oder Darm. Foto: NZ

Der Arzt aus dem Endometriose-Zentrum hatte keine Expertise, öffnete mich nur, stellte die Diagnose und machte mich wieder zu. Es wurden keine Herde oder Verwachsungen entfernt. Mein Körper musste das trotzdem unter Vollnarkose durchmachen.

Später folgte dann in einem anderen Endometriose-Zentrum durch eine versierte Endometriose-Spezialistin eine weitere Operation von 11 Stunden. Ich wurde zum ersten Mal ernst genommen, beraten und vollumfänglich untersucht.

Die Endometriose hat sich bei mir überall ausgebreitet. Meine Niere musste entfernt werden, weil sie durch die Verwachsungen so gestaut war. Sie konnte nicht gerettet werden, da sie, ausgelöst durch die Endometriose, funktionslos war. Hätte die Operation nicht stattgefunden, hätte sich die Endometriose weiter ausgebreitet und möglicherweise zu Organversagen geführt.

  • Ella, 38, Bremerhaven

„Die Krankheit frisst mich auf. Sie macht mich kaputt. Ich muss mich ständig mit Schmerzmitteln vollpumpen, sonst ertrage ich es nicht.“

Ich habe meine Diagnose bekommen, als ich 33 Jahre alt war. Rückblickend kann ich sagen, dass ich mich schon immer gefragt habe, ob es normal sei, so starke Menstruationsbeschwerden und extreme Monatsblutungen zu haben. Ohne Schmerzmittel konnte ich das gar nicht aushalten und nahm immer ein paar Tage vorher und danach Schmerzmittel. Bis zu meinem 30. Lebensjahr wurden die Beschwerden immer schlimmer. Ich habe weiterhin geglaubt, dass es normal ist. Bald kamen dann noch zyklusunabhängige Schmerzen dazu.

Als ich den Ärzten von meinen Bauchschmerzen erzählte, schoben sie es direkt auf meine Ernährung und stellten Fragen wie: „Leben Sie denn gesund? Rauchen Sie? Trinken Sie Alkohol?“ Aber so richtig ernst genommen hat mich niemand.

„Bevor ich die Diagnose bekam, kannte ich die Krankheit gar nicht“

2021 war ich dann im Krankenhaus, weil ich die Schmerzen nicht mehr aushalten konnte. Dort behandelten sie mich mit Schmerzmitteln und untersuchten mich von Kopf bis Fuß, konnten aber nichts finden. Nach vier Tagen schickten sie mich wieder nach Hause, zugedröhnt mit Schmerzmitteln.

Durch meine Bandscheiben-Operation 2008 vermuteten die Ärzte, dass ich Verwachsungen im Bauch habe und daher die Schmerzen kommen. Ende 2021 wollte ich dann die scheinbaren Verwachsungen entfernen lassen, weil die Schmerzen nicht mehr auszuhalten waren. Meine behandelnde Ärztin war zufälligerweise auch auf Endometriose spezialisiert. Nur durch die Operation wurde die Erkrankung festgestellt.

Die Endometriose war komplett verstreut, wie ein Farbklecks an der Wand, und überall saßen Entzündungsherde. Aufgrund der fortgeschrittenen Ausbreitung unternahmen die Ärzte zunächst nichts. Sie empfahlen mir eine Hormontherapie.

Ich bin mittlerweile an einem Punkt, wo ich es kaum noch aushalten kann. Teilweise sind die Schmerzen so stark, dass ich mich auf den Fußboden legen und krümmen könnte. Ich bin 38 Jahre alt, habe versucht, Karriere zu machen, habe einen Job mit großer Verantwortung, und mein Körper sagt mir, dass ich das gar nicht mehr leisten kann.

  • Endometriose: Zahlen & Fakten:
    Acht bis 15 Prozent aller Frauen und Mädchen im gebärfähigen Alter sind von Endometriose betroffen, wie aus den Zahlen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hervorgeht. In Niedersachsen allein sind es laut der Barmer Krankenkasse mindestens 52.000 Frauen.Doch eine Diagnose zu bekommen, dauert oft sieben Jahre. Der Grund? Kleine Herde sind im Ultraschall meist unsichtbar. Deshalb bleibt die Bauchspieglung – ein operativer Eingriff – das Diagnosemittel Nummer eins. Dabei führen Ärzte unter Vollnarkose eine Kamera in die Bauchhöhle ein, entnehmen Proben von der betroffenen Stelle und entfernen vorhandene Herde.Aber damit ist es nicht getan. Die Erkrankung kann auch nach der Operation wieder auftreten. Bis heute gibt es nur wenig Forschung und kaum Erkenntnisse über die Ursachen von Endometriose.
  • Lena, 33, aus der Nähe von Zeven

„Wenn ich meine Tage hatte, war ich praktisch lahmgelegt. Ich musste ständig in der Nähe einer Toilette sein, weil alle Periodenprodukte versagten.“

Mit 14 Jahren begann ich die Pille zu nehmen, weil ich teilweise drei Wochen am Stück geblutet habe. Meine Periode dauerte acht bis neun Tage, und ich unterdrückte sie lange Zeit mit der Pille. Ende zwanzig setzte ich die Pille ab, und es dauerte zwei Jahre, bis sich mein Zyklus wieder eingependelt hatte, doch dann begann alles von vorn. Starke Schmerzen und lange Blutungen.

„Ich bin regelmäßig zum Frauenarzt gegangen, aber meine Symptome wurden nie ernst genommen und immer heruntergespielt.“

Instagram hat mich dann auf die Krankheit aufmerksam gemacht. Natürlich soll man nicht sofort alles glauben, was im Internet steht. Aber dann traf ich eine Freundin, die offen über Endometriose sprach, und ich erkannte, dass die Erkrankung real und ernst ist.

Bei meiner neuen Ärztin wurde ich sofort ernst genommen, und meine Symptome passten zur Endometriose. Innerhalb von zwei Monaten hatte ich meinen ersten Termin, eine Bauchspiegelung und die Diagnose Ende 2022. Als die Ärztin nach der OP an mein Bett kam und sagte, dass sie etwas gefunden haben, brach ich in Tränen aus. Endlich wurde erkannt, dass ich mir die Erkrankung nicht einbilde.

Ein paar Monate nach der Bauchspieglung war klar, dass die Endometriose zurück ist und ich versuchte die Symptome durch Yoga und Ernährung in den Griff zu bekommen.

Die letzten zwei Jahre waren eine echte Reise. Ich bin jetzt erst auf dem Weg der Besserung. Trotz der Bauchspiegelung waren die Schmerzen nicht weg. Mittlerweile feiere ich es, wenn ich am zweiten Tag kein Ibuprofen mehr nehmen muss. Ich habe gelernt, dass die Erkrankung nicht mehr mein Leben bestimmt. Ich habe sie nicht besiegt, aber ich habe Frieden mit ihr geschlossen.

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