THier is(s)t niemand einsam: Stader Wärmestube hilft nicht nur Obdachlosen

Claudia Lorengel (links) und Michaela Hoffmann decken den Tisch für die Mittagsgäste. Foto: Stehr
Kaum noch Obdachlose und Drogenabhängige, dafür immer mehr Alleinstehende und Geringverdiener kommen regelmäßig zum Essen in die Stader Wärmestube. Ein Besuch vor Ort.
Stade. Kurz nach 11 Uhr riecht es lecker im Treppenhaus des großen Gebäudes direkt neben dem katholischen Altenheim in der Schiffertorsstraße 19a. Im zweiten Obergeschoss - da wo einst Nonnen lebten - befindet sich seit fast 30 Jahren die Wärmestube, eine Einrichtung des Diakonieverbands Stade-Buxtehude für Bedürftige. Heute stehen Nudeln und Hacksoße auf dem Herd. Einige Stammgäste sitzen in einem der beiden Aufenthaltsräume, klönen und naschen Kirschen, die von der Tafel gespendet wurden.
Anlaufstelle nicht nur für Obdachlose
Eine 65-jährige Staderin kommt jeden Tag hierher. Die Verkäuferin in Teilzeit lebt allein und ist dankbar für das Angebot der Wärmestube, die sich ausschließlich über Spenden finanziert. „Hier gibt es leckeres Essen, man kann sich vom Alltag ablenken und mit den anderen auch mal Blödsinn reden“, sagt die Frau und strahlt.
Als sie noch arbeitslos war, wurde sie zur Tafel-Kundin und erfuhr, dass die Wärmestube nicht nur für Obdachlose eine Anlaufstelle ist, sondern für alle, die nicht viel Geld übrig haben und bei einem warmen Essen der Einsamkeit entfliehen wollen.
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Momentan kommen durchschnittlich 10 bis 15 Menschen täglich in die Wärmestube. Viele sind alleinstehende Männer, die entweder arbeitslos oder schon in Rente sind. „Früher gab es mehr Miteinander, heute sind viele Menschen einsam. Außerdem finde ich einfach nicht die richtige Frau, die für mich kocht“, sagt ein Stammgast und schmunzelt. Die anderen schmunzeln mit.
In der Wärmestube werden sie von 25 Ehrenamtlichen ver- und umsorgt. Seit 29 Jahren, und damit von Anfang an, engagiert sich Michaela Hoffmann hier. Die 72-Jährige leitet die Wärmestube zusammen mit Petra Epe, die seit 21 Jahren zum Team gehört. „Früher kamen mehr Obdachlose und auch Drogenabhängige zu uns, das hat sich stark gewandelt“, sagt sie.

Geben die Leitung der Wärmestube zum 1. September ab: Petra Epe (links) und Michaela Hoffmann. Foto: Stehr
Gleich geblieben ist der Ur-Gedanke, der hier immer montags bis freitags in der Zeit von 9 bis 13 Uhr umgesetzt wird. „Wer zu uns kommt, wird mit Respekt behandelt und muss sich für nichts schämen. Wir haben für alle ein offenes Ohr“, sagt Michaela Hoffmann. Wer möchte, kann in der Wärmestube für kleines Geld auch duschen, baden oder seine Wäsche waschen und trocknen. Ein Frühstück kostet 50 Cent, das Mittagessen 1 Euro, Getränke inklusive. Im August ist die Wärmestube geschlossen.

Michaela Hoffmann arbeitet seit 29 Jahren ehrenamtlich in der Wärmestube. Jetzt gibt sie die Leitung ab. Foto: Stehr
Auf den Tisch kommt Hausmannskost wie Gulasch oder Geschnetzeltes, als Beilage stehen häufig Kartoffeln auf dem Speiseplan. Die spendet ein Bauer aus Wiepenkathen. Auch eine Fleischerei aus der Stadt, zwei Bäckereien und die Tafel geben Lebensmittel an die Wärmestube ab. Finanzielle Spenden kommen zudem von den Stader Serviceclubs, von Unternehmen und Privatpersonen. Wichtige Unterstützer sind auch die Stader Brüderschaften St. Pankratii und Rosenkranz sowie die evangelische und die katholische Kirche.
Claudia Lorengel übernimmt die Leitung der Wärmestube
Die Schicht in der Wärmestube teilen sich stets zwei Ehrenamtliche. „Viele von uns kochen gerne, andere schnippeln lieber, aber alle haben ein großes Herz“, sagt Michaela Hoffmann. Neu im Team ist Claudia Lorengel, die im vergangenen Jahr von Berlin nach Stade gezogen ist. Weil sie sich gern in der Wärmestube engagieren wollte, aber nicht so gerne kocht, hat sie sich spontan bereiterklärt, zum 1. September die Leitung zu übernehmen. Aus Alters- und gesundheitlichen Gründen geben Michaela Hoffmann und Petra Epe ihr Amt Ende Juli ab. Zum Abschied wollen sie mit allen Gästen grillen.

Claudia Lorengel übernimmt ab dem 1. September die Leitung der Wärmestube. Foto: Stehr
Die Wärmestuben-Leitung muss unter anderem die Dienstpläne erstellen, Spenden akquirieren und abholen und Lebensmittel kaufen. Die werden in einem Vorratsraum gelagert. Den Ehrenamtlichen stehen auch ein kleines Büro und eine eigene Toilette zur Verfügung.

Viele der Lebensmittel, die in der Wärmestube auf den Tisch kommen, wurden gespendet. Foto: Stehr
Gut zu tun haben die Ehrenamtlichen mit dem Schleppen der Lebensmittel in den zweiten Stock. Vielen Gästen falle es ebenfalls schwer, die Stufen zu steigen. Doch es gibt vielversprechende Pläne. Wie berichtet, entsteht ein neuer Kirchencampus rund um die St. Josefkirche und das Altenheim. Dort soll die Wärmestube einen neuen Platz bekommen und endlich barrierearm werden.
Wie schwer es ist, Barrieren im Kopf zu überwinden, weiß eine Wärmestuben-Besucherin. Seit sie vor 13 Jahren an Krebs erkrankte, ist ihr Gesicht entstellt. „Es ist für mich immer eine Überwindung, raus zu gehen“, sagt die 58-Jährige. Trotzdem schafft sie es, täglich mit dem Bus in die Wärmestube zu fahren. Hier wird sie nicht schief angeguckt und muss nicht alleine essen.
Das Wärmestuben-Team freut sich über Unterstützung und ist unter 04141/41170 erreichbar.
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