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Ehrenamts-Adventskalender

Sie tischen den Armen auf

In der Wärmestube : Michaela Hoffmann und ihre ehrenamtlichen Helferinnen haben bei der Weihnachtsfeier ein Menü gekocht. Foto: Stief

In der Wärmestube : Michaela Hoffmann und ihre ehrenamtlichen Helferinnen haben bei der Weihnachtsfeier ein Menü gekocht. Foto: Stief

„Ich bin mit Menschen, die kein Glück im Leben hatten, aufgewachsen“, sagt Michaela Hoffmann. Und sie ist ihnen treu geblieben. Seit 22 Jahren macht die Staderin den Menschen ihr mitunter schweres Los leichter. Sie arbeitet in der Wärmestube.

Dienstag, 24.12.2019, 11:00 Uhr

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{picture1s} Einen Tag vor Heiligabend ist in der Wärmestube in der Schiffertorsstraße tüchtig was los. Die Weihnachtsfeier, die Michaela Hoffmann mit sechs weiteren ehrenamtlichen Mitstreiterinnen auf die Beine gestellt hat, lockt etwa 20 Menschen an. In der zur Wärmestube umgebauten Vier-Zimmer-Wohnung ist überdies noch eine große Kleiderspende eingegangen, aus der sich die Besucher bedienen dürfen.

In der Küche duftet es schon nach Mittagessen. Zur Feier des Tages haben die Frauen ein Drei-Gänge-Menü vorbereitet. Es gibt Rindfleischsuppe, dann Rinderbraten und als Abschluss Orangencreme. Das Frühstück mit Rührei mit Schinken fiel auch schon aus dem normalen Rahmen. Sonst geht es weniger üppig zu. Aber zu Weihnachten ...

Geschenke gehören bei einer zünftigen Weihnachtsfeier auch dazu. Michaela Hoffmann und einige der insgesamt 25 Ehrenamtlichen – in der Mehrzahl Frauen – haben weihnachtliche Tüten als Präsent gepackt. Körperpflegemittel sind unter anderem drin, doch wichtiger ist, was draußen drangeheftet ist: ein 20-Euro-Essensgutschein. Den dürfen die Beschenkten in den nächsten Wochen und Monaten in der Wärmestube abfuttern. Ein Frühstück kostet 50 Cent, ein Mittagessen ist etwas teurer. Wer mit einem Hartz-IV-Satz von neun Euro am Tag auskommen muss, ist für die günstigen Preise in der Wärmestube und das Geschenk dankbar.

Immer zwei Ehrenamtliche machen an normalen Tagen Dienst in der Wärmestube, die von 9 bis 13 Uhr geöffnet hat. Das beginnt morgens mit einem Rundgang durch die Stadt: Bäcker und Schlachter unterstützen die Wärmestube mit Waren und sorgen so täglich für einen Grundstock an Essen. Dazu kommen Lebensmittel über die Stader Tafel.

„Wir haben viele Spender, sonst könnten wir gar nicht überleben“, sagt Michaela Hoffmann, die auch Gründungsmitglied der Wärmestube ist. Mit im Boot sind die evangelische und die katholische Kirche, aber auch andere Glaubensgemeinschaften spenden. Bruderschaften und Service Clubs geben auch. Und das ist Michaela Hoffmann wichtig: Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer spenden ihre Zeit.

Michaela Hoffmann ist als Tochter in einem Pastorenhaushalt aufgewachsen. Dort war es gang und gäbe, Durchreisende aufzunehmen und beköstigt wieder auf den Weg zu schicken. Einer sei immer zur Kirschenzeit gekommen und eine Woche geblieben, um bei der Ernte zu helfen.

Als vor 22 Jahren Menschen in Hamburg wegen Kälte starben, beteiligte sich Michaela Hoffmann an der Initiative, die das in Stade verhindern wollte – und bis heute erfolgreich verhindert hat.

„Die Menschen, die hierher kommen, habe alle ein Schicksal, das uns mitnimmt“, sagt Michaela Hoffmann. Viel hätten einfach keine Chance bekommen, was aus ihrem Leben zu machen. Darüber wird geredet und über alles Mögliche auch. Gute Bekanntschaften sind so über die Jahre entstanden.

Für Michaela Hoffmann und die Helferinnen war die Weihnachtsfeier am Montag ein bewegender Moment. Eine Dankesrede wurde auf die Frauen gehalten, die den Vormittag über in der Küche alles zubereiteten. Beim Mittagessen dann war es mucksmäuschenstill. Gefräßige Stille war angesagt, und auch so etwas drückt Dankbarkeit aus. Und dann hieß es, in der Küche klar Schiff zu machen.

Das TAGEBLATT hat in der Adventszeit jeden Tag ein Türchen geöffnet. Hinter diesem Türchen verbarg sich ein ehrenamtlich engagierter Mensch.

Gestern: der Kleinkunst-Igel

Heute: die Wärmestube (letzter Teil der Serie)

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