THistorisches Reetdachhaus in Dollern gerettet

Klaus-Peter Wilkens freut sich über das Sanierungsergebnis. Er deutet mit einer Geste die Giebelform an. Foto: Bast
Es ist ein Blickfang in Dollern: Das unter Denkmalschutz stehende Fachwerkhaus bekommt ein neues Reetdach. Um Fördergelder zu bekommen, musste Besitzer Klaus-Peter Wilkens Geduld aufbringen.
Dollern. Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr wollte Klaus-Peter Wilkens bereits das Reetdach seiner Zahnarztpraxis mit Unterstützung durch Fördermittel erneuern. Aufgrund der leeren Töpfe sagte er die Reetdach-Sanierung ab (das TAGEBLATT berichtete). Nun startete das Vorhaben Anfang Juni. „Ich hatte keine andere Wahl“, sagt Klaus-Peter Wilkens. Morsche Latten und der Zustand des Reetdaches haben eine Erneuerung unaufschiebbar gemacht.
Der ehemalige Gasthof an der B73 wurde zeitweise als Bürgerhaus genutzt. Nach dem Kauf sanierte das Ehepaar Wilkens aufwendig, bevor 2018 die Zahnarztpraxis und das Dentallabor Schmidt einzogen. „Zuerst war es eine Notsituation mit dem Umzug, jetzt hänge ich an dem Haus. Es ist mein Hobby“, erzählt Klaus-Peter Wilkens lachend. Allerdings ein teures Hobby.
Teures Hobby - Reetdachpreise sind deutlich gestiegen
Die Kosten für die Reetdach-Sanierung belaufen sich auf knapp über 140.000 Euro für die Giebelflächen von je 32,5 Quadratmetern und 415 Quadratmetern pro Traufe. Die Preise für Reet sind um ein Vielfaches gestiegen in den vergangenen Jahren. Das liegt unter anderem an den hochen Frachtkosten. Per Container kommt das Reet aus Rumänien, Türkei, Ungarn und China zu den Händlern nach Bad Oldesloh und Weyhe bei Bremen.

Über dem Haupteingang erstrahlt der 32,5 qm große Giebel im frischem Reetgewand. Foto: Bast
Stück für Stück wurde das Dach, nach dem Abdecken von unten nach oben, neu aufgebaut. Nur die alten Kokosfäden hingen noch teilweise am Reet herunter. Damit wurde das Reet früher vernäht. Heute werden aus Brandschutzgründen Metalldrähte verwendet.
Wer unterstützt finanziell die Reetdach-Sanierung? Die Gemeinde?
Nach der Förderabsage im vergangenen Jahr kümmerte sich Klaus-Peter Wilkens um Alternativen. Erste Anlaufstelle ist für ihn die Gemeinde Dollern. Schließlich ist sein Fachwerkhaus, ehemals Tamke`s Alter Gasthof, ortsbildprägend.
Das Gebäude mit dem auffälligen Reetdach stammt aus dem Jahr 1793 und steht unter Denkmalschutz. Magentafarbene Hinweisschilder im Dorf weisen auch auf sein Haus hin. Seine Grüne Hochzeit habe er hier noch gefeiert, erzählt Wilkens. „Wenn mir jemand gesagt hätte, dass mir das Haus zur Silbernen Hochzeit gehört. Ich hätte ihn für verrückt erklärt“, lacht er und schüttelt den Kopf.
Doch die Gemeinde winkt ab: finanzielle Mittel für Privatgebäude gäbe es nicht. Jan-Hinnerk Burfeind, Bürgermeister von Dollern, sagt dazu: „Das ist ein schwieriges Thema. Wir sind nicht als Erster in der Pflicht. Es gibt andere Baustellen wie Schule und Kita.“
Alternativ half die Gemeindeverwaltung bei der Antragsstellung bei der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung. Dort ist eine Förderung als Privatperson nicht möglich, über die Gemeinde hingegen schon. Ziel der Stiftung ist der Erhalt des kulturellen Erbes und die damit verbundene Identität und Landschaftsprägung.
Stiftungen springen ein und unterstützen mit Fördergeldern
Das Vorgehen hat Erfolg: Klaus-Peter Wilkens bekommt eine Zusage über 17.000 Euro. Bei seiner Recherche hat der Zahnarzt nach weiteren Fördertöpfen gesucht und wurde bei der Niedersächsischen Sparkassenstiftung fündig. Die Stiftung unterstützt Projekte der Baudenkmalpflege hauptsächlich von privaten Eigentümern, Vereine und Initiativen. Von ihr stehen 20.000 Euro bereit.

Am Eingang zur B73: Neben der Info-Tafel zur Erinnerung an Tamcke`s Alter Gasthof hängen jetzt auch die Plaketten der Stiftungen, die auf die Förderungen hinweisen. Foto: Bast
Eine Plakette am ehemaligen Gasthof-Haupteingang zur B73 hin, verweist auf die Förderungen der beiden Stiftungen. Auf seinem Weg fühlte sich der Zahnarzt „sich selbst überlassen“. Dabei gibt es mehrere denkmalgeschützte Gebäude in Dollern, die ortsbildprägend sind. Damit das so bleibt, sieht der 63-Jährige Handlungsbedarf. Er hat Ideen, wie eine finanzielle Unterstützung möglich wäre und hat diese auch gegenüber der Gemeinde geäußert. Beispielsweise über einen Fonds oder einer ermäßigten Grundsteuer für Besitzer von Reetdachhäusern. Bisher finden seine Vorschläge vor Ort noch keine Resonanz.
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Weitere 5.000 Euro kommen für Klaus-Peter Wilkens überraschend vom Landkreis Stade aus einem neuen Fördertopf. Im letzten Jahr hatte er sich bereits ausgiebig informiert und auf die schwierige finanzielle Situation für Reetdachhaus-Besitzer aufmerksam gemacht. Auch wenn der Betrag gering ist im Blick auf die Gesamtkosten, freut sich Zahnarzt Wilkens über den Zuschuss.
Reetdach decken: Ein Handwerk mit Nachwuchsproblemen
Die Betriebe, die noch mit Reet decken können, werden weniger. Es fehle der Nachwuchs. „Die jungen Leute wollen lieber in der Halle arbeiten, anstatt sich draußen der Witterung auszusetzen,“ erzählt Helmut Müller aus Heinbockel. Seine Firma hat das nötige Know-how, um Reetdächer zu stopfen oder neu einzudecken. Der 59-Jährige übt sein Handwerk seit 42 Jahren aus. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Aktuell arbeiten sie zu dritt im Team. Er könne direkt drei bis vier Handwerker einstellen - wenn denn welche da wären.

Ein Team, das sein Handwerk versteht: Christopher Kretschmann, Christoph Müller und Chef Helmut Müller (von links). Sie kümmern sich schon seit Jahren um das Reetdach von Zahnarzt Wilkens in Dollern. Foto: Bast