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Ehe

T„Hochzeit to go“: Wenn sich Paare spontan trauen lassen

 Das Brautpaar Angelika und Fred Burba stehen vor der Kirche.

Neuer Anzug, weißes Hochzeitskleid - wenn schon, denn schon: Angelika und Fred Burba haben nach 27 Jahren noch einmal „Ja“ gesagt, zur Freude von Tochter Sasha. Foto: polgesek

Während die einen am Freitagabend beim EM-Spiel Deutschland - Spanien mitfiebern, geben sich andere in einer Kirche in Bremerhaven spontan das Ja-Wort. Die „Hochzeit to go“ ist jedoch alles andere als husch, husch.

Von Thorsten Brockmann Samstag, 06.07.2024, 12:00 Uhr

Bremerhaven. Zum zweiten Mal bestand in der Großen Kirche die Möglichkeit, sich spontan von einer Pastorin segnen zu lassen. Bei der Premiere im vergangenen Jahr war der Erfolg mit 26 Paaren so überwältigend, dass schnell klar war: Das machen wir künftig jedes Jahr ein ganzes Wochenende lang.

Jedes Liebespaar kann sich segnen lassen - egal welchen Glaubens, seit 50 Jahren verheiratet oder frisch verliebt, schwul oder lesbisch. Und wer einige Formalien beachtet, wird auch ganz offiziell kirchlich getraut mit Eintrag ins Familienbuch. Und das wollten schon am Freitag die Paare im Dutzend.

Darum wollen sie die Ersten ein

Fred Burba und seine Frau Angelika wollten unbedingt erste sein - warum, dazu später mehr. Also stand er schon am Mittag vor der geschlossenen Kirchentür. 1997 haben sie bereits „Ja“ zueinander gesagt, und schon das war eine ganz besondere Hochzeit: eine öffentliche.

„Wir waren das Brautpaar des Jahres“, erzählt Angelika Burba. Die Trauung während einer Hochzeitsmesse in der Stadthalle einschließlich kompletter Feier und sogar Hochzeitsreise waren der Hauptpreis eines Wettbewerbs. „Aber es war eben nur eine standesamtliche Trauung“, erzählt die Braut.

Die Silberhochzeit fiel Corona zum Opfer, aber als sie nun in der Zeitung von der Spontan-Hochzeit las, da musste sie ihren Mann gar nicht groß überzeugen. „Das machen wir.“ Sein Verlobungsanzug passte nicht mehr, sie fand ein hübsches Brautkleid im Secondhand-Shop, sogar eine große Feier mit Tanz und Gästen im Restaurant haben Fred und Angelika Burba noch innerhalb einer Woche organisiert. Und deshalb wollten sie auch unbedingt als Erste vor den Altar treten: „Wir können ja nicht zur eigenen Feier zu spät kommen.“

„Das ist unser Tag“

Vor der Kirche klebten Trausprüche und die Texte von Liebesliedern auf den Stufen, und Imke und Bernd Wübbenhorst suchten sich von Udo Lindenberg „Hinter dem Horizont“ aus - dabei sind sie erst seit wenigen Wochen verheiratet.

David Schollmeyer bekam per Whatapp an die Orgel geschickt, was das nächste Paar sich ausgesucht hat. Und auch Jürgen Hoffmann hatte jede Zeremonie im Blick - damit er ja rechtzeitig die Auslöser drückte für die vier Kirchenglocken. „Alle 20 Minuten für eine Minute“, sagt er. Bei der Premiere vor einem Jahr hatte es geradezu Anfragen gehagelt, warum denn die Große Kirche den ganzen Tag läute, erzählt seine Frau Birgit. „In diesem Jahr ahnen es die Nachbarn vielleicht schon ...“

Lidia und Alexander Neumann sind seit 35 Jahren verheiratet und sogar ihre Kinder schon. Zwei von ihnen hätten auch in der Großen Kirche vor dem Altar gestanden, erzählt Lidia Neumann. „Ich hab immer zu meinem Mann gesagt: Irgendwann machen wir das auch.“ Und nun war es soweit: weißes Kleid, neuer Anzug „und nur wir zwei“, sagt sie. „Das ist unser Tag.“

So lange dauert die Zeremonie

Das meinten auch Uwe (81) und Renate (78) Müller. Im August sind sie 60 Jahre verheiratet, aber nun noch einmal ihr Versprechen zu erneuern, sich zu lieben und zu achten, „das war unser Wunsch“, sagen sie mit Tränen in den Augen. Auch sie kamen nur zu zweit in die Kirche, mit der Familie wird erst im August gefeiert.

Pastorin Anneke Ihlenfeld hat Renate und Uwe Müller nach fast 60 Ehejahren noch einmal getraut. 

Pastorin Anneke Ihlenfeld hat Renate und Uwe Müller nach fast 60 Ehejahren noch einmal getraut. Foto: polgesek

„To go“ - das klingt nach husch, husch. Aber das ist es nicht. Die drei Pastorinnen nehmen sich für jedes Paar Zeit, ein Traugespräch zu führen, und auch jede Zeremonie nimmt 20 Minuten in Anspruch. „Wir sind ja nicht in Las Vegas“, meint Eva Erkenberg, die mit einem Team von Helfern auch heute noch für den festlichen Rahmen sorgen wird - mit Blumen, Fotos und einem Schlückchen hinterher.

Die Idee macht nun sogar Schule - die „Hochzeit to go“ wird es demnächst auch in Gummersbach geben, wo Pastorin Anneke Ihlenfeld inzwischen eine Pfarrstelle übernommen hat. Auch heute wird sie mit Barbara Dietrich von der Großen Kirche und Notfallseelsorgerin Kerstin Jaensch Verliebte segnen - die letzten beim „last call“ um 20 Uhr, wo alle zusammen kommen können, die es vorher nicht geschafft haben.

Kirche statt Fußball-EM

Vielleicht wäre das auch Ernst Lenz recht gewesen. Als er nach 26 standesamtlichen Ehejahren am Freitagnachmittag zur Trauung in die Kirche kam, war nur noch der 18-Uhr-Termin frei.

„Da will ich doch längst wieder zu Hause sein und Fußball gucken“, sagt er. Aber nützt ja nüscht: „Jetzt hat es 26 Jahre lang nicht gepasst mit der kirchlichen Trauung“, sagt seine Frau, „nun machen wir das.“

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