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Ausbildungsmarkt

THoffen auf ein zweites Date: Arbeitgeber suchen händeringend Azubis

Schülerin Joana Ehlers informierte sich bei Sarah Sill (links) und Anika Blanke vom Malereibetrieb Kurt Sill über die Ausbildung zur Malerin und Lackiererin.

Schülerin Joana Ehlers informierte sich bei Sarah Sill (links) und Anika Blanke vom Malereibetrieb Kurt Sill über die Ausbildung zur Malerin und Lackiererin. Foto: Stehr

Auf der Suche nach einem passenden Match buhlen knapp 50 Arbeitgeber aus der Region beim Azubi-Speed-Dating im Stadeum um Auszubildende. Mit durchwachsenem Erfolg.

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Von Lena Stehr
Freitag, 28.02.2025, 15:20 Uhr

Stade. Gespannt sitzen um die 100 Menschen nebeneinander an kleinen Tischen in einem Saal im Stadeum. Alle wollen das Gleiche: beim Speed-Dating soll es passen, also matchen, wie man heutzutage sagen würde. Allerdings nicht fürs Liebesleben, sondern für ihren Betrieb.

Vertreter von knapp 50 Unternehmen aus der Region hoffen beim Azubi-Speed-Dating auf interessierte und fähige junge Menschen, die sich zu ihnen setzen und im besten Fall zum 1. August einen Vertrag mit ihnen abschließen. Zum Anlocken liegen Süßigkeiten oder Werbegeschenke bereit. Die Arbeitgeber suchen - auch hier - händeringend neue Auszubildende.

Paradigmenwechsel auf dem Ausbildungsmarkt

„Es hat in den letzten Jahren einen Paradigmenwechsel auf dem Ausbildungsmarkt gegeben“, sagt Susanne Serbest von der Agentur für Arbeit Stade. Wo sich Betriebe früher noch aus einer Bewerbungsflut die Rosinen herauspicken konnten, müssen sie heute um jeden potenziellen Auszubildenden buhlen.

Knapp 50 Unternehmen präsentierten sich beim Azubi-Speeddating im Stadeum. Knapp 550 Besucherinnen und Besucher nutzten die Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen.

Knapp 50 Unternehmen präsentierten sich beim Azubi-Speeddating im Stadeum. Knapp 550 Besucherinnen und Besucher nutzten die Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. Foto: Stehr

Valide Zahlen zur aktuellen Lage auf dem Ausbildungsmarkt im Landkreis Stade gebe es zwar erst Ende März, fest stehe aber, dass es seit Jahren schon mehr freie Ausbildungsplätze als Bewerber gibt, so Serbest. Im Januar gab es im Landkreis Stade 805 freie Ausbildungsstellen und 548 Bewerberinnen und Bewerber. Vor allem im Handwerk und in pflegerischen Berufen blieben häufig viele Stellen unbesetzt.

„Azubis haben höhere Anforderungen an Arbeitgeber“

Auch das Stader Bauunternehmen Lindemann hat Probleme, neue Leute zu finden und nimmt deswegen am Azubi-Speed-Dating teil. „Wir suchen aktuell noch sechs Auszubildende im Bereich Industriekaufleute, Maurer, Beton- und Metallbauer“, sagt Diana Klein aus der Lindemann-Personalabteilung.

Den Paradigmenwechsel kann sie bestätigen: Vor gut zehn Jahren hätten sich etwa 200 Personen auf eine Stelle beworben, die Bewerbungen gingen bereits ein Jahr vor Ausbildungsstart ein. Zur Auswahl der neuen Azubis musste damals ein Assessment-Center organisiert werden.

Milena Bargsten (links) und Diana Klein vom Stader Bauunternehmen Lindemann hätten sich mehr Interessenten für Jobs im Handwerk gewünscht.

Milena Bargsten (links) und Diana Klein vom Stader Bauunternehmen Lindemann hätten sich mehr Interessenten für Jobs im Handwerk gewünscht. Foto: Stehr

Heute trudeln - teilweise bis kurz vor August - nur noch knapp 20 Bewerbungen ein. „Die Jugendlichen wachsen mit dem Fachkräftemangel auf, lassen sich viel mehr Zeit, haben höhere Anforderungen“, sagt Klein. Obwohl Lindemann mit einer Vergütung im Baugewerbe von mehr als 1.000 Euro im ersten Lehrjahr punkten könne, müsse viel getan werden, um Azubis zu finden. Das Unternehmen sei deshalb regelmäßig in Schulen und auf Messen präsent.

Noch sind viele Ausbildungsplätze unbesetzt

„Man muss mehr rausgehen und sich zeigen“, bestätigt auch Annika Westphal, Ausbildungsleiterin der Oldendorfer Firma Navalis Shipping. Sie nimmt zum ersten Mal am Azubi-Speed-Dating teil und hofft auf ein Match, damit im August der noch freie Ausbildungsplatz mit einem Schifffahrtskaufmann oder einer Schifffahrtskauffrau besetzt werden kann. Rund 1.000 Euro zahlt die Firma im ersten Lehrjahr.

Annika Westphal (rechts) von der Firma Navalis Shipping aus Oldendorf kam mit der Auszubildenden Kaja Elfers zum Speeddating und führte um die 20 Gespräche mit jungen Leuten.

Annika Westphal (rechts) von der Firma Navalis Shipping aus Oldendorf kam mit der Auszubildenden Kaja Elfers zum Speeddating und führte um die 20 Gespräche mit jungen Leuten. Foto: Stehr

Ebenfalls zum ersten Mal dabei ist Sarah Sill vom Farbenfachgeschäft und Malereibetrieb Kurt Sill aus Jork. „Wir müssen reagieren und uns verstärkt auf Messen und Veranstaltungen, aber auch in den sozialen Medien präsentieren“, sagt sie.

In der Regel werde ein Azubi pro Jahr im Betrieb ausgebildet, es gingen aber mehr. Auch Gesellen würden händeringend gesucht. „Als kleiner Betrieb können wir mit den großen Arbeitgebern in der Region gar nicht mithalten“, so Sill. Im ersten Ausbildungsjahr verdienen angehende Maler und Lackierer bei Sill 800 Euro.

Regelmäßig beim Azubi-Speed-Dating dabei ist Friseurmeister Boris Reinert aus Stade. Er schätzt vor allem die niedrigschwellige Möglichkeit zum ungezwungenen Austausch. Abgesehen von Veranstaltungen wie dem Speed-Dating setzt er stark auf die Präsenz in sozialen Medien. „Wir müssen die Leute da abholen, wo sie sind“, sagt er.

Friseurmeister Boris Reinert - hier mit seinem Sohn Gerrit - beklagt, dass viele potenzielle Bewerberinnen und Bewerber nicht gut genug Deutsch sprechen.

Friseurmeister Boris Reinert - hier mit seinem Sohn Gerrit - beklagt, dass viele potenzielle Bewerberinnen und Bewerber nicht gut genug Deutsch sprechen. Foto: Stehr

Reinert stelle in seinem Betrieb zwei bis drei Auszubildende pro Jahr ein. Es komme aber auch vor, dass manche trotz eines unterzeichneten Vertrags gar nicht kommen oder die Ausbildung frühzeitig abbrechen. Das liege oft an dem hohen zwischenmenschlichen Anspruch, den Friseure erfüllen müssten, so Reinert. Ein großes Hindernis sei auch die Sprachbarriere. Viele Interessierte sprächen leider nicht gut genug Deutsch. Der Verdienst im ersten Lehrjahr liegt hier bei 700 Euro.

Gute Bezahlung und flexible Arbeitszeiten

Stefan Draack von der Kreissparkasse Stade war ebenfalls schon öfter beim Azubi-Speed-Dating, obwohl es eigentlich keine Probleme gebe, neue Bankkaufleute zu finden. Zum 1. August sei aber noch eine Stelle frei. Das Unternehmen sei digitaler und lockerer geworden, biete mit knapp 1.300 Euro eine gute Bezahlung und viele Vorteile wie flexible Arbeitszeiten. Das komme bei den jungen Leuten an, so Draack. Im vergangenen Jahr habe er durch das Speed-Dating einen neuen Auszubildenden gefunden.

Stefan Draack und Angelina Gaus von der Kreissparkasse Stade tauschten sich vor Beginn des Speed-Datings mit Martina Rokitta von der Sparkasse Stade-Altes Land aus.

Stefan Draack und Angelina Gaus von der Kreissparkasse Stade tauschten sich vor Beginn des Speed-Datings mit Martina Rokitta von der Sparkasse Stade-Altes Land aus. Foto: Stehr

Nach drei Stunden ist das von der IHK, der Handwerkskammer, dem Jobcenter und der Agentur für Arbeit organisierte Azubi-Speed-Dating beendet. Insgesamt waren fast 550 junge Menschen dabei, mehr als doppelt so viele wie im vergangenen Jahr.

Das Fazit der Unternehmen:

  • Diana Klein von der Firma Lindemann zieht eine durchwachsene Bilanz. Es seien zwar einige gut vorbereitete Jugendliche da gewesen, teilweise sogar mit fertigen Bewerbungsunterlagen. Leider hätten aber nur wenige Interesse an einem Job im Handwerk. „Die meisten wollen als Industriekaufleute oder Bauzeichner im Büro arbeiten“, sagt Klein. Überrascht war sie, dass auch ein Großteil der jungen Männer mit Hauptschulabschluss lieber Architekt werden wollen, als auf einer Baustelle zu arbeiten.
  • Annika Westphal von Navalis Shipping hatte ungefähr 20 Gespräche und hofft in zwei bis drei Fällen auf ein zweites Date. Bei vielen Jugendlichen hätten die Noten leider nicht überzeugt.
  • Sarah Sill war positiv überrascht, wie organisiert und gut vorbereitet viele Jugendliche zu ihr kamen. Ihr erstes Gespräch mit einer 16-jährigen Schülerin, die unbedingt Malerin und Lackiererin werden möchte, hat sie besonders gefreut. Sie hat circa 20 neue Praktikanten kennengelernt sowie zehn junge Menschen, die Interesse an einer Ausbildung haben. Außerdem kam sie mit Projektleitern ins Gespräch, die spezielle Integrationsprogramme anbieten.
  • Friseurmeister Boris Reinert hat vier Personen kennengelernt, die in die engere Auswahl für ein Praktikum kommen. Besonders junge Menschen mit Migrationshintergrund hätten großes Interesse gezeigt. Leider sei auch hier wieder die Sprachbarriere aufgefallen. Viele hätten eine Lehrkraft als Übersetzungshilfe dabei gehabt.
  • Auch Stefan Draack von der Kreissparkasse Stade sieht in der teilweise hohen Sprachbarriere ein Problem. Bei drei bis vier Interessierten habe er aber Potenziale für eine Ausbildung gesehen.

Alle fünf Unternehmen wollen im kommenden Jahr wieder am Azubi-Speed-Dating teilnehmen.

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