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Cheerleading

THollywood-Glitzer: Wiepenkathen tritt in den USA und gegen Klischees an

Die Wieka Cheerleader stehen in einer „Extension line“.

Die Wiepenkathener Cheerleader stehen in einer „Extension line“ - und in den Startlöchern für ihren Auftritt in den USA. Foto: Meyer

In Kalifornien werden die „Wieka Cheer“ ihren größten Auftritt haben. Ihr Sport ist umstritten. Doch Cheerleading bringt enge Freundschaften und ist oft härter als Fußball.

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Von Thies Meyer
Donnerstag, 09.10.2025, 05:50 Uhr

Wiepenkathen. Etwas mehr als ein halbes Jahr und 9000 Kilometer über den Atlantik trennen „Wieka Cheer“ vom Abenteuer. Bei den Norddeutschen Meisterschaften sicherte sich Wiepenkathen als eines von zwei Teams mit der höchsten Punktzahl ein Ticket für einen Wettkampf in den USA.

Nach der Qualifikation durfte das Team vom TSV Wiepenkathen wählen: Pasadena oder Las Vegas? Die Wahl fiel auf die GlobeX Championship am 11. und 12. April in Pasadena, Kalifornien.

Anastasia Gebel (20), Trainerin der Junior-Cheerleader (12 bis 16 Jahre), sagt: „Nicht alle Eltern machen das mit, nicht jedes Team hat Lust drauf, viel Geld dafür auszugeben.“ Anders die Wieka-Eltern.

Von Training bis Hollywood-Sign

Zehn Nächte, elf Tage dauert das Wiepenkathener US-Abenteuer. „Wenn man schon mal in Amerika ist, will man auch was sehen“, sagt Gebel. Pasadena liegt nordöstlich und keine halbe Stunde von Los Angeles entfernt. LA, das Hollywood-Sign und die Strände: Zwischen den Trainingseinheiten dürfe das Sightseeing nicht fehlen.

14 Cheerleaderinnen stehen in einer V-Form.

Bereit für den großen Auftritt: Die Junior-Cheerleader vom TSV Wiepenkathen. In Pasadena werden 17 Cheerleader antreten. Foto: Meyer

Das Sport- wird auch zum Familienevent. Viele Eltern und Geschwister der Cheerleaderinnen kommen mit. Die Eltern zahlen Unterkunft und Flug. Gebel und ihr Team haben ein ganzes Haus gemietet, die Eltern haben separat Unterkünfte gebucht.

Anastasia Gebel zeigt ihren Cheerleadern in der Videoanalyse auf dem Handy die Stunts.

Trainerin Anastasia Gebel zeichnet während des Trainings einige Figuren mit dem Handy auf. In der Pause steht die Videoanalyse an. Foto: Berlin (Archiv)

Auf der Plattform GoFundMe sammeln die Cheerleader seit Juni Spenden. „Wir fliegen so oder so, aber jede Spende hilft, damit die Mädels nicht so viel zahlen müssen“, sagt Gebel. Rund 2000 Euro könnte die Reise jede Cheerleaderin kosten.

Mit den Spenden - Stand Mittwoch: 3465 Euro - bezahlt der Reisetross Ausrüstung, Verpflegung und die Hallenmiete für das Training vor Ort. Mit dem Geld sollen auch die Eltern entlastet werden. Bleibe Geld aus dem Spendentopf übrig, bekämen die Eltern noch etwas davon, um weniger für Unterkunft und Flug zahlen zu müssen, erklärt Gebel.

Zudem wollen sich die Cheerleaderinnen neue Uniformen und Musik von einem DJ für ihre „Routine“ gönnen. Das hatte Gebel ihrem Team versprochen, wenn es mit der US-Qualifikation klappen würde.

An den Tagen vor dem Showdown in Pasadena trainieren die Wieka Cheer. „Die Meisterschaften sind auf einem Extra-Boden, der federt. Das ist angenehmer“, sagt Gebel. So einen Boden hat Wiepenkathen nicht. Daher miete sich der TSV eine Halle, um sich mit dieser Art Untergrund vertraut zu machen.

„Die Amerikaner sind auf einem anderen Level“

Das Ziel beim Cheerleading: Die Choreo ohne Fehler und Abzüge abliefen - ein sogenannter „Hit Zero“. Das ist für Gebel das Hauptziel in Pasadena, „abgesehen von einer Platzierung“. Die Trainerin sagt: „Hauptsache, wir haben alles gegeben. Die Punktzahl ist dann Sache der Jurys.“

Eine Cheerleaderin macht einen „Pike Pretty Basket“ und fliegt in der Luft, vier andere auf einer Bodenmatte stehen bereit, um sie aufzufangen.

Der „Pike Pretty Basket“. Cheerleading ist ein Mix aus Turnen, Akrobatik und Tanzen. Foto: Meyer

Die Gegner könne sie nicht einschätzen, Gebel weiß nur: „Die Amerikaner sind auf einem ganz anderen Level, das ist nicht vergleichbar.“ Druck und Erwartungshaltung an die Kinder seien in den USA deutlich höher. Die Eltern würden „tausende Dollars“ für das Hobby ihrer Kinder ausgeben.

Ob in Pasadena oder bei ihren rund fünf Wettbewerben im Jahr: Die Wieka Cheer gehen auf die Matte, haben für ihre „Routine“ nur zweieinhalb Minuten Zeit - „und wir haben nur diese eine Chance. Es gibt keine Tabelle oder ein nächstes Spiel wie im Fußball, um es besser zu machen“, erklärt Gebel. In dem Moment zeige sich die harte Arbeit.

Klischee knappe Kleidung: sicherer und praktischer?

Das Image von Cheerleading ist in der Öffentlichkeit angekratzt. Die Klischees lauten: Cheerleader sind nur Lückenfüller in Halbzeitpausen, tragen zu knappe Kleidung, Cheerleading ist viel Gehabe und Bling-Bling. „Ich verstehe es irgendwo, dass einige das denken, weil es eine Randsportart ist“, sagt Gebel. Kritiker, die sich nicht mit diesem Sport auseinandersetzen, würden „leider“ nur diese Seite sehen.

Die andere Seite zeige viel harte Arbeit und soziales Miteinander - zum Beispiel, wie Cheerleading Teamgeist und Vertrauen stärkt. „Es gibt gefühlt keine Sportart, in der du dich so auf andere Personen verlassen musst“, sagt Gebel, besonders bei Stunts wie einem „Basket“, bei dem ein Mädchen hochgeschmissen wird. „Die Mädels wissen: Ich werde aufgefangen.“ Dadurch entstünden enge Freundschaften, da man das Leben buchstäblich in die Hände der anderen gebe.

Eine Cheerleaderin macht einen „Pike Pretty Basket“ und fliegt in der Luft, vier andere auf einer Bodenmatte stehen bereit, um sie aufzufangen.

Ein Stunt mit viel Vertrauensvorschuss: Beim „Pike Pretty Basket“ muss die Akrobatin in der Luft ihren Teamkolleginnen anvertrauen, aufgefangen zu werden. Foto: Meyer

Knappe Röcke, bauchfreie Cheerleader: Das hat Gründe, sagt Gebel. Wird eine Cheerleaderin hochgeworfen, können die anderen beim Auffangen leicht an der Kleidung abrutschen. „Je weniger Stoff, desto praktischer“, sagt sie. Teilweise verbieten Verbände bauchfreie Kleidung.

„Einerseits ist es gut, dass man die Mädels schützt. Andererseits ist es schade, dass man selbst zurückstecken muss, nur weil der Sport einen schlechten Ruf hat“, sagt die Trainerin. „Es ist schade, dass es so sexualisiert wird“, sagt Anastasia Gebel, die über das Thema in ihrer Facharbeit geschrieben hat.

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