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Kreis Rotenburg

THunde, Hack, Haare: Was Amtstierärzte unter die Lupe nehmen

Ein vernachlässigter Hund sitzt auf einer Decke.

Solcherlei bekommen die Mitarbeiter des Kreisveterinäramtes immer häufiger zu sehen: Die Zahl der von ihren Haltern vernachlässigten Tiere steigt. Foto: dpa

Womit befasst sich das Kreisveterinäramt? Die Mitarbeiter haben nicht nur mit allem, was Tiere betrifft, zu tun.

Von Thorsten Kratzmann Montag, 17.03.2025, 09:50 Uhr

Kreis Rotenburg. Dr. Joachim Wiedner ist Leiter Rotenburger Kreisveterinäramtes - des Amtes 39. Und damit fängt es schon an. Wer nicht zu denen gehört, die ihre Brötchen nicht mit der Verwaltung des Kreises Rotenburg verdienen, der dürfte mit der Bezeichnung Amt 39 wenig bis nichts anfangen können. Folglich spricht Wiedner vom Veterinäramt. Dann weiß der Bürger, das sind die Amtstierärzte.

Doch die Vorstellung davon, was zu deren Aufgaben gehört, bleibt diffus. Mit dem Ziel, das Bild zu schärfen, trat der Kreisveterinär dieser Tage vor Abgeordnete des Kreistags und stellte sein Amt vor. Tierseuchenbekämpfung, Tierschutz, Schlachttier- und Fleischhygiene stehen ebenso im Lastenheft wie die Überwachung von Lebensmitteln, tierischen Nebenprodukten und Tierarzneimitteln. Doch auch die Überwachung von Bedarfsgegenständen und die Einhaltung der Paragrafen des Hundegesetzes zählen zum Aufgabenspektrum.

Mit Blick auf die Maul- und Klauenseuche (MKS), die im Januar in Brandenburg nachgewiesen worden war, verwies Wiedner auf die verbliebene Überwachungszone um den Betrieb und darauf, dass jedes Veterinäramt im Land 59 negative Proben beizubringen hatte, damit Deutschland den Status „MKS-frei“ zurückerlangt. Als aktuellen Hotspot der Afrikanischen Schweinepest (ASP) bezeichnete er den Bereich zwischen Wiesbaden und Mannheim. Und gegen die Blauzungenkrankheit hilft Impfen und nochmals Impfen.

Verstöße gegen das Tierschutzgesetz nehmen zu

Immer öfter haben Wiedner und seine Mitarbeiter mit Verstößen gegen das Tierschutzgesetz zu tun. Mehr als 400 Anzeigen hatten sie 2024 nachzugehen. Rinder-, Pferde-, Katzen- oder Hundehalter ließen ihre Tiere verwahrlosen, weil sie sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden und - mit steigender Tendenz - weil sie „keine Lust mehr haben“, sich um die Tiere zu kümmern. Überfüllte Tierheime fügen sich in dieses Bild.

Zudem haben sich die Mitarbeiter des Veterinäramtes mit illegalem Hundehandel und mit Fällen von Qualzucht zu befassen. Überdies steigt die Zahl der als gefährlich eingestuften Hunde.

Zu den fortlaufenden Aufgaben der Veterinäre gehört die Untersuchung von Schlachttieren in den Betrieben wie auch die nachgelagerte Überwachung der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung. Insbesondere die Kontrolle von Nahrungsergänzungsmitteln ist Wiedner zufolge mit hohem Aufwand verbunden.

Amtstierärzte beim Hurricane und auf dem Jahrmarkt

Auch Lebensmittel aus pflanzlicher Herkunft sowie Kosmetika, Tabakerzeugnisse und alles, was mit dem menschlichen Körper in Berührung kommt, nehmen die Leute vom Amt 39 unter die Lupe. Dazu zählen Teller, Tassen, Besteck, Spielzeug, Kleidung, Perücken, Schnuller, Zahnbürsten, Raumdüfte, Servietten, Tätowierungsutensilien, Piercings etc.

Wiedners Kollegen schwärmen zu rund 2020 Betrieben im Kreis aus, um die Einhaltung von hygiene- und lebensmittelrechtlichen Vorschriften zu überwachen und durchzusetzen. So sehen sie in Gaststätten und Restaurants, Supermärkten, im Einzelhandel, in Bäckereien, Metzgereien, bei Spargel-, Erdbeer-, Gemüsebauern nach dem Rechten. Sie sind beim Hurricane, bei der Tarmstedter Ausstellung und auf Jahrmärkten anzutreffen.

Ferner üben die Veterinäre ihre Kontrollfunktion bei der Tierkörperbeseitigung in Mulmshorn aus, sie beproben Gülle, die in Biogasanlagen fließt, und überhaupt „alles, was bei der Verarbeitung von Tieren übrigbleibt“, unterstreicht Wiedner.

Häufiger Hygiene-Verstöße in der Gastronomie

Von Amts wegen schauen er und seine Kollegen schließlich den niedergelassenen Veterinären über die Schulter. Sie haben ein Auge auf die Lagerung und Verwendung von Tierarzneimitteln. Sie prüfen die Verwendungsnachweise und sie sollen dafür sorgen, dass weniger Antibiotika im Stall verabreicht werden.

Zu den Herausforderungen, vor denen er und seine Mitarbeiter stehen, zählt Joachim Wiedner die steigende Zahl verwahrloster und nicht artgerecht gehaltener Tiere, deren Unterbringung anderenorts und die teilweise gegen das Tierschutzgesetz verstoßende „Nutzung“. Wiedner nennt beispielhaft Schul- und Seniorenheimhunde, Therapiepferde und Spaziergänge mit Alpakas.

Mehrarbeit beschert dem Amt der Umstand, dass es aufgrund fehlenden Personals in der Gastronomie häufiger zu Verstößen gegen die hygiene- und lebensmittelrechtlichen Vorschriften komme. Und dann ist da noch die all überall beklagte Misere des Fachkräftemangels und der überbordenden Bürokratie, die Wiedner Falten auf die Stirn treibt.

Beispielhaft für fehlende Aufgabenkritik ist ihm, dass die Veterinärämter nach wie vor zur BSE-Beprobung verpflichtet sind, obgleich „in Deutschland seit 24 Jahren kein BSE-Fall mehr aufgetreten ist“. Wiedner diagnostiziert denn auch fehlenden Mut zum Bürokratieabbau in Ministerien und Parlamenten.

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