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Norddeutschland

T„Ich bin kein Totschläger“: Bremerhavener Häftling beteuert Unschuld

Er ist 67 Jahre alt, hat alles verloren und sitzt im Knast. Er wurde zu fast zehn Jahren Haft verurteilt, weil er seine Lebensgefährtin erschossen haben soll. Aber Hartmut B. leugnet die Tat.

Er ist 67 Jahre alt, hat alles verloren und sitzt im Knast. Er wurde zu fast zehn Jahren Haft verurteilt, weil er seine Lebensgefährtin erschossen haben soll. Aber Hartmut B. leugnet die Tat. Foto: Mündelein

Er ist 67 Jahre alt, und als „Tatleugner“ geht er nicht mehr davon aus, dass er je wieder lebendig den Knast verlassen wird. „Das Leben ist für mich gelaufen“, sagt er.

Von Klaus Mündelein Samstag, 16.08.2025, 08:00 Uhr

Bremerhaven. In der Justizvollzugsanstalt Bremen sitzt ein ratloser Mann. Der Bremerhavener Hartmut B. glaubt inzwischen an Verschwörungstheorien, glaubt, dass sich alle verbündet haben, um ihn ins Gefängnis zu bringen: Ermittler, ehemalige Bekannte, Richter. Sogar mit seinem Pflichtverteidiger hadert er. „Soweit bin ich langsam, das ist traurig“, sagt er. Trotz allem bleibt er dabei: Er habe die Tat nicht begangen, und er werde nichts gestehen, was er nicht getan habe. Diese Botschaft will Hartmut B. mit einem Interview aus dem Knast heraus in die Welt schicken.

Schweigen im Gerichtssaal

Im Prozess am Landgericht Bremen wegen Totschlags hatte er monatelang geschwiegen. Ende Januar verurteilten ihn dann die Richter zu einer Haftstrafe von neun Jahren und sechs Monaten. „Ich war geschockt, war fix und fertig“, sagt der Mann, der fest mit einem Freispruch gerechnet hatte. Aber die Richter waren davon überzeugt, dass er am 25. Januar 2024 in den Morgenstunden seine Lebensgefährtin mit einem Schuss aus nächster Nähe in den Kopf getötet hat.

Tatort war die Küche des gemeinsam bewohnten Hauses in der Gaußstraße. Es gibt keine Zeugen, es gibt kein Motiv, es gibt kein Geständnis. Ein Indizienprozess, und das in einem schwierigen Umfeld. Die getötete Frau war psychisch krank, wurde immer wieder durch die Polizei in die Psychiatrie gebracht, weil Nachbarn die Schreie nicht mehr aushielten. Es gab mehrere längere Aufenthalte. Sie hat angeblich mehrfach ihren Lebensgefährten darum gebeten, ihr Leiden zu beenden, sie zu erschießen. Die Richter mussten schließlich mithilfe der Spuren und Zeugenaussagen feststellen, ob die Frau sich selbst umgebracht hatte, ob sie von ihrem Lebensgefährten getötet wurde oder ob er ihr bei einer Selbsttötung geholfen hatte. Ein Job, um den sie niemand beneidet hat. Denn die Beweislage war nicht erdrückend.

Urteil basiert auf Schmauchspuren

Schmauchspuren sind mikroskopisch kleine Partikel aus dem Mündungsfeuer, die sich bei der Abgabe eines Schusses ausbreiten. Und zwar auch auf der Hand desjenigen, der die Pistole abfeuert. An der Hand des Opfers fand man nur wenige Spuren. Deshalb waren die Richter überzeugt, dass sich die Frau nicht selbst erschossen haben kann. Deutlich mehr Partikel befanden sich auf der Hand von Hartmut B. Aber es waren weniger, als die Ermittler auf der Hand eines Schützen hätten finden müssen. „Die sagen dann einfach, der hatte Zeit, sich die Hände zu waschen. Das ist doch einfach nur Spekulationen“, hadert Hartmut B. mit der Urteilsbegründung. „Alles wurde gegen mich ausgelegt“, klagt er. Schon bei der Polizei sei ihm gesagt worden: „Sie kriegen wir auch noch mürbe.“

Die Schmauchspuren seien an seine an Hand gelangt, als er seine Lebensgefährtin in der Küche auf dem Boden liegend vorfand und er die Waffe gesichert und entladen habe. „Ich bereue, die Waffe angefasst zu haben“, sagt er. Und: „Wenn ich geahnt hätte, welche psychischen Qualen und welcher Ärger dadurch auf mich zukommen, hätte ich das nicht gemacht. Jetzt sitze ich unschuldig im Knast. Es ist so hoffnungslos.“

Er war sich zunächst sicher, dass die Fachleute von der Spurensicherung seine Unschuld erweisen würden. Die Ergebnisse ließen ihn dann fassungslos zurück. Er wollte, dass das alles im Prozess thematisiert wird, und er habe sich äußern wollen. Aber der Anwalt habe abgeraten.

Wütend auf den Freund

Hartmut B. hadert inzwischen nicht nur mit der Justiz, sondern auch mit vielen Menschen. Mit Verwandten. Und auf eine ehemalige Bekannte und auf seinen ehemals besten Freund ist er stocksauer. Die hätten ihn mit ihren Aussagen in ein schlechtes Bild gerückt. Dass er eine Waffe gezeigt habe, dass er aufs Geld seiner Lebensgefährtin aus gewesen sei. Das stimme nicht. Verärgerung, Wut und Verständnislosigkeit wechseln sich ab, wenn er davon erzählt. Nur eine Bekannte ist ihm noch geblieben, die ihm glaubt und ihn unterstützt.

Wenn er eingeräumt hätte, seiner Lebensgefährtin bei einer Selbsttötung geholfen zu haben, wäre er wegen Beihilfe längst auf Bewährung frei, spekuliert Hartmut B. „Aber ich habe gar nichts getan, auch nicht geholfen“, versichert er. „Ich will, dass die Wahrheit auf den Tisch kommt, ich will nicht als Totschläger in der Öffentlichkeit stehen.“ Für ihn ist klar, dass seine Lebensgefährtin sich selbst getötet hat. Wie sie an die Waffe gekommen ist, kann er sich nicht erklären.

Hartmut B. hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Er hofft weiterhin auf einen Freispruch. Seinen Vorstoß in die Öffentlichkeit wird von der JVA mit Blick auf künftige Resozialisierungsmöglichkeiten eher kritisch gesehen. Die pauschale Auffassung von Hartmut B., er würde als „Tatleugner“ niemals vorzeitig entlassen, teilt die JVA nicht. Jeder Fall müsse schließlich gutachterlich geprüft werden.

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