TKreis-Jugendamt überlastet – Leitung seit Monaten unbesetzt

Die Leitung ist vakant, zunehmende Inobhutnahmen halten das Kreisjugendamt in Atem. Foto: Nina Dede/ Landkreis Stade
Mit der Stader Geiselnahme und dem Flughafen-Krimi rückte das Jugendamt in den Fokus. Der Chefposten ist vakant, die Aufgaben sind immens gestiegen. Anfragen bleiben länger unbearbeitet.
Landkreis. Der Mann, der am vergangenen Sonntag seine Tochter entführt und den Hamburger Flughafen lahmgelegt hat, war beim Jugendamt des Landkreises Stade ein alter Bekannter. Dass Jugendamts-Mitarbeiter am Wochenende, wie am vergangenen, einen Notfalleinsatz haben, ist allerdings nichts Ungewöhnliches. Nur erhält nicht jeder Fall so viel öffentliche Aufmerksamkeit wie dieser, sagt Dezernentin Susanne Brahmst.
Inobhutnahmen beispielsweise können rund um die Uhr plötzlich nötig werden. Ihre Zahl steigt: Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, nahmen die Jugendämter im Jahr 2022 mehr als 66.400 Kinder und Jugendliche vorübergehend in Obhut. Das waren im Vergleich zum Vorjahr rund 18.900 Fälle oder 40 Prozent mehr. Hauptgrund sei ein wachsendes Aufkommen an unbegleitet eingereisten Minderjährigen aus dem Ausland.
Mehr Inobhutnahmen halten das Jugendamt in Atem
Das merkt auch der Allgemeine Soziale Dienst beim Kreisjugendamt. Bei Anfragen und Beratungsanliegen dauert die Bearbeitung deshalb länger. „Akutfälle wie Kindeswohlgefährdungen werden nach wie vor priorisiert und in gewohnter Sorgfalt bearbeitet“, betont Brahmst. Die Mitarbeiter machen Hausbesuche und schätzen die Gefährdung ein.
Bei Inobhutnahmen werde es schwieriger, Plätze für Kinder und Jugendliche zu finden: „Wir telefonieren in ganz Deutschland herum.“ All das verdränge die Beschäftigung mit anderen Anfragen, die ebenfalls zugenommen haben, zum Beispiel Scheidungs- und Familienberatungen. „Diese Entwicklung ist grundsätzlich positiv, denn sie zeigt, dass unsere Gesellschaft verstärkt auf soziale Dienste zurückgreift und auch den Kontakt zu den Behörden nicht scheut, um Unterstützung zu erhalten“, sagt die Dezernentin. Zurzeit müsse vieles weitergegeben werden, zum Beispiel an die Erziehungsberatung.
Im Jugendamt werden dringend mehr Amtsvormunde für die aktuell mehr als 80 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge benötigt: „Das müssen Profis sein, Ehrenamtliche können das nicht übernehmen“, sagt Brahmst. Die Minderjährigen kommen vor allem aus Afghanistan und Syrien, für Gespräche werden Dolmetscher benötigt.
Leitungsposition konnte bisher noch nicht neu besetzt werden
Die Leitung des Jugendamts mit seinen 135 Mitarbeitern ist seit dem Weggang von Jens Schreiber im März vakant. Die Organisation wurde zwischenzeitlich anders strukturiert. Es gibt zwei neue Führungskräfte: Die stellvertretende Leitung hat die Diplom-Pädagogin Frauke Schulte übernommen, die zuletzt in Rotenburg tätig war und zuvor als stellvertretende Jugendamtsleiterin in Buxtehude Erfahrung gesammelt hat. Ihr zur Seite steht Daniel Fassbender als Verwaltungsleiter.

Die Zahl der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen steigt. Foto: Hans Kretzmann / Pixabay
Die Stelle des Jugendamtsleiters ist ausgeschrieben für eine Verwaltungsfachkraft oder einen Juristen. Doch bisher konnte sie nicht besetzt werden. Susanne Brahmst steht den Jugendamtsmitarbeitern einstweilen enger zur Seite: „Es geht darum, Wertschätzung zu zeigen, Prioritäten zu setzen und genau zu gucken: Was machen wir, was machen wir nicht?“
Wer sich für Beratungsangebote interessiert, muss mit eingeschränkter Erreichbarkeit persönlicher Ansprechpartner und verlängerten Bearbeitungszeiten rechnen. Für dringende Anfragen ist der Allgemeine Soziale Dienst unter 04141/125131 erreichbar.