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TKI soll künftig gegen Neurodermitis und Schuppenflechte helfen

Ein oft quälender Juckreiz gehört für Neurodermitis- und Schuppenflechte-Patienten zum Alltag. In vielen Fällen reicht eine Behandlung mit Hautcremes nicht aus

Ein oft quälender Juckreiz gehört für Neurodermitis- und Schuppenflechte-Patienten zum Alltag. In vielen Fällen reicht eine Behandlung mit Hautcremes nicht aus Foto: Silvia Marks/dpa-tmn

Viele Menschen leiden unter Hautkrankheiten wie Neurodermitis und Schuppenflechte. Eine Lichttherapie kann helfen, die Symptome zu lindern - ist aber zeitaufwendig. Forscher aus Bremen hoffen, dass künstliche Intelligenz Abhilfe schaffen wird.

Von Ann-Kathrin Brocks Samstag, 06.07.2024, 14:50 Uhr

Bremen. Die Haut ist gerötet, sie schuppt und juckt: In Deutschland leiden rund zehn Millionen Menschen an chronischen Hautkrankheiten wie Neurodermitis und Schuppenflechte. Der Leidensdruck der Erkrankung ist hoch und in vielen Fällen reicht eine Behandlung mit Hautcremes nicht aus. Helfen kann eine Phototherapie, also die Bestrahlung der betroffenen Körperteile mit Licht. Bislang müssen Betroffene dafür oft mehrmals pro Woche zum Dermatologen. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt entwickeln das Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen und das Start-up Skinuvita nun neue KI-basierte Bildanalyseverfahren. Diese sollen in einem System zum Einsatz kommen, das Patienten die therapeutische Bestrahlung von Hautkrankheiten zu Hause ermöglicht.

Wie funktioniert die sogenannte Phototherapie?

Bestimmte Wellen des UV Lichts (311nm) wirken beruhigend auf Immunzellen in der Haut, die für Entzündungen sorgen. Auf diese Art und Weise hat Phototherapie einen entzündungshemmenden Einfluss und reduziert Symptome von zum Beispiel Neurodermitis und Psoriasis.

Mit der Phototherapie gibt es seit rund 30 Jahren eine Behandlungsmethode für Haut- probleme wie Neurodermitis oder Schuppenflechte.

Warum braucht es ein digitales Therapiesystem für zu Hause?

Viele Betroffene können diese Therapie aufgrund des hohen Zeit- und Organisationsaufwands nicht in ihren Alltag integrieren, so dass sie stattdessen auf Medikamente zurückgreifen müssen, die teilweise erhebliche Nebenwirkungen verursachen“, sagt Professor Gabriel Zachmann. Die Bestrahlung der Haut muss bis jetzt bei Dermatologen erfolgen – und zwar drei- bis sechsmal pro Woche in insgesamt 30 Sitzungen während eines Krankheitsschubs. Der eigentliche Vorgang dauert zwar nur zwischen 25 Sekunden und maximal 10 Minuten, aber die Patientinnen und Patienten müssen dafür jedes Mal innerhalb der Öffnungszeiten ihrer Praxis die Anfahrt, die Wartezeiten und die Rückfahrt auf sich nehmen. „Besonders für Menschen in ländlichen Regionen, Alleinerziehende und viele Berufstätige ist das kaum machbar“, sagt Zachmann und ergänzt: „Eine Phototherapie, die man von zu Hause aus machen kann, hat einen echten Mehrwert für die betroffenen Menschen.“

Was wollen die Forscher mit dem neuen Therapiesystem erreichen? Und wo kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel?

Die Technologie soll sicher und ohne Nebenwirkungen zu Hause eingesetzt werden können. „Durch den Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz (KI) möchte unsere „Arbeitsgruppe Computergrafik“ ermöglichen, dass Körperteile automatisch erkannt werden“, sagt Zachmann. So kann das System verhindern, dass die falsche Stelle behandelt oder die richtige Stelle doppelt bestrahlt wird. Die Messung des richtigen Abstands zwischen Lampe und Haut ist ebenfalls wichtig.

Denkbar ist auch die Entwicklung von LED-Leuchten, die automatisch nur die wichtigen Punkte bestrahlen und nicht den ganzen Körperteil.

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Gibt es weitere Vorteile der KI?

Eine weitere Aufgabe, für die sich der Einsatz von KI anbietet, ist die präzise Erkennung und Einordnung von Hautrötungen. „Bis jetzt schätzen die Nutzerinnen und Nutzer selbst ein, wie ihre Haut aussieht“, sagt Judith Boeckers, wissenschaftliche Mitarbeiterin der TZI- Arbeitsgruppe Computergrafik. „Aber was für den einen ein intensives Rot ist, ist für den anderen blass.“ Auch für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sei dies auf den übermittelten Fotos nicht leicht zu unterscheiden, weil die Aufnahmen oft unterschiedlich beleuchtet sind. KI könne hier bei der Bildaufbereitung und dem Farbabgleich helfen.

Was umfasst das System und worin unterscheidet es sich von Herkömmlichen?

Bestandteile des Systems sind eine Therapiemanager-Software für Ärzte, eine Patienten-App sowie ein Bluetooth-Steuermodul für das Therapiegerät. „Eine entscheidende Veränderung gegenüber der herkömmlichen Vorgehensweise ist dabei die Digitalisierung der aktuell noch analogen Prozesse“, sagt Gabriel Zachmann. Die digitale Erstellung der Therapiepläne ermöglicht unter anderem eine „Fernsteuerung“ der Dosierung durch die Dermatologen. Dank des Bluetooth-Steuermoduls ist eine manuelle Dosiseingabe nicht mehr erforderlich und der ausreichende Zeitabstand zwischen Therapiesitzungen wird gewährleistet. Statt 30 Besuchen in der Arztpraxis sind somit nur noch zwei erforderlich: einmal am Anfang und einmal am Ende der Therapie. In der Zwischenzeit behalten die Dermatologen dennoch die volle Kontrolle.

Wie ist der Stand der Dinge?

„Die Produktentwicklung der ersten Version des Systems ist mittlerweile fast abgeschlossen – die Ergebnisse des Forschungsprojekts werden in die Weiterentwicklung einfließen“, sagt Skinuvita-CEO Jan Elsner. Eine klinische Studie, in der bereits mehr als 600 Therapiesitzungen absolviert wurden, habe bisher keine Sicherheitsprobleme zutage gefördert. „Die Therapietreue ist – wie erwartet – höher, als wenn die Leute zur Praxis fahren müssen“, berichtet Elsner. „Mehr Patienten ziehen die Therapie durch, ohne abzubrechen. Gleichzeitig steigt die Lebensqualität signifikant.“ Der Zulassungsprozess steht inzwischen kurz vor dem Abschluss, so dass das System im Herbst auf dem Markt sein könnte.

Was erhoffen sich die Forscher?

„Wir möchten weiterdenken, wie wir die medizinische Betreuung mit Hilfe intelligenter Datennutzung noch besser machen können“, sagt Elsner. Eine zentrale Frage dabei: „Wie können wir die Technologien auf dem Smartphone nutzen, um die Behandlung effektiver zu gestalten?“

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