TKeine Leichen mehr im Keller: 10.000 Museumsstücke ziehen in Stade um

Dr. Hans-Eckhard Dannenberg (links) und Dr. Sebastian Möllers mit einer Puppe in Altländer Tracht aus dem Heimatmuseum. Foto: Alexandra Bisping
Das Heimatmuseum in Stade wurde ausgeräumt, alle Schätze wurden gehoben. Dabei hat das Team des Schwedenspeichers viel erlebt. Die Geschichte eines großen Umzugs in einer Ausstellung.
Stade. Grob geschätzt kommt Dr. Sebastian Möllers, Direktor der Museen Stade, auf 10.000 Arbeitsstunden. Diese Zeit hat das maximal vierköpfige Team aufgebracht, um das 1904 errichtete Heimatmuseum an der Neubourgstraße auszuräumen.
Dabei hat es circa 10.000 Objekte zutage gefördert. Der Großteil wurde eingelagert. Aber 300 Exponate können ab Sonnabend bis zum 20. Oktober im Museum Schwedenspeicher entdeckt und bestaunt werden.
Das Stader Heimatmuseum leerzuräumen war Neuland
„In der Ausstellung lassen wir die Besucher an dem gesamten Prozess teilhaben und zeigen, was hinter den Kulissen passiert“, sagt Möllers. Deutlich wird: Unfassbar viel Arbeit steckt hinter dem Umzug.

In einem extra Raum können Besucher kleine Filme über Funde, Reinigung und Umzug sehen. Foto: Alexandra Bisping
20 Monate hatte es gedauert, um alles zu reinigen, zu katalogisieren, einzupacken und zu transportieren. Schonend und mit viel Achtsamkeit, hier ging es um wertvolle Objekte, die Geschichten erzählen, jedes einzelne für sich. Eine Restauratorin war ebenfalls dabei.
Natürlich geht es darum, den Besuchern des Schwedenspeichers die Exponate näherzubringen. Aber es geht auch um etwas anderes. „Wir haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diese Prozesse eingebunden“, erklärt Möllers. „Dieses Projekt war für uns alle irgendwie Neuland.“
Ein Umzug mit vielen Entdeckungen - und Leiche
Jede Woche seien neue Fragen aufgetaucht, habe es neue Herausforderungen gegeben. Die Ausstellung macht sichtbar, welchen Aufgaben sich das Team stellen musste.
Außer den Exponaten sieht der Besucher dort Wände aus gestapelten Kartons, plakatiert mit Infos zum Projekt. In kleinen Filmen spricht das Team über seine Arbeit, seine Funde, wie überwältigend es war, das Heimatmuseum auszuräumen. Und was alles entdeckt wurde.

Plakate an den Kartons informieren über die Arbeiten des Museumsteams. Foto: Alexandra Bisping
Da gab es zum Beispiel diese große bauchige Flasche, mit Korb umwickelt. Leer war sie nicht: Eine mumifizierte Maus lag darin, geschätzte 100 Jahre alt und eigentlich selbst ein Exponat.
Schädlingsbekämpfung in Stickstoffzelten
Extrem aufwendig war auch die Behandlung der Objekte. Das Museumsgut musste für sechs Wochen in eine Stickstoffkammer, bei 25 Grad. Nur so konnten die Mitarbeiter sicherstellen, dass alle Schädlinge erfolgreich bekämpft wurden.
Eine schonende Maßnahme - es gibt keine chemischen Reaktionen mit den Materialien - und außerdem umweltschonend. Stickstoff ist ein natürlich vorkommendes Gas und hinterlässt keine umweltschädlichen Stoffe.
So wurde auch verfahren mit Trachten aus dem Alten Land. Sie stammen von Alice Osse-Gosch, einer 1885 geborenen Fischerstochter aus Grünendeich.
Zu ihrem 76. Geburtstag schenkte sie eine umfangreiche Sammlung, die außer den Trachten noch weitere Gegenstände enthielt, dem Stader Geschichts- und Kulturverein.
Das Gebäude des Heimatmuseums ist ein Sanierungsfall
Dieser Verein hatte vor 120 Jahren in der Neubourgstaße das Provinzialmuseum der Herzogtümer Bremen und Verden, das spätere Heimatmuseum, errichtet. Gegründet worden war er 1886 mit dem Ziel, die Geschichte des Elbe-Weser-Raums zu erforschen und eine Sammlung kultureller Hinterlassenschaften aufzubauen.
Das im Stil einer neogotischen Villa erbaute Haus ist das erste im Elbe-Weser-Dreieck als Museum geplante und errichtete Gebäude. Inzwischen ist es ein Sanierungsfall.
Damit es saniert werden kann, musste es komplett geräumt werden. Dabei wurden archäologische Funde, Schätze aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit sowie Mobiliar des Bürgertums aus dem 19. Jahrhundert bewegt.
Das Projekt fand hier Unterstützung
Die Rettung der Sammlung wurde gefördert vom Landkreis, der VGH-Stiftung, der Kreissparkasse Stade und der Sparkasse Stade-Altes Land. Unterstützt hat es auch Dr. Hans-Eckhard Dannenberg, Geschäftsführer des Landschaftsverbands der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden und Vorsitzender des Stader Geschichts- und Heimatvereins.
100.000 Euro hatte der Heimatverein vor einiger Zeit in den Haushalt eingestellt. Nun flossen sie in das Projekt, reichten aber nicht aus. „Wir haben festgestellt, dass eher 170.000 Euro notwendig sind“, erläutert Sebastian Möllers. Weitere Fördergelder wurden organisiert.

Ein Arbeitsfoto von Museumsmitarbeiterin Carla Fromme beim Ausräumen des Heimatmuseums. Foto: Museen Stade
Inzwischen laufen Bauuntersuchungen am Gebäude des Heimatmuseums und es gibt Überlegungen, wie es künftig genutzt werden kann. „Ein Museum wird es nicht wieder sein“, verrät Sebastian Möllers. Er wünscht sich eine kulturelle Nutzung.
Übrigens: Die engagierten Mitarbeiter kommen noch einmal zu Wort. Sie haben kleine Texte zu ihren Lieblingsstücken in einem Booklet zusammengefasst. Besucher können sich vor eine große Wandvitrine setzen und die darin ausgestellten Objekte und die dazugehörenden kleinen Geschichten genießen.