T„Keine schweigende Mehrheit sein“: Mutige Bürger leben Demokratie

"Keine schweigende Mehrheit sein": die Engagierten der Initiative "Demokratie leben" mit dem aktuellen Flyer. Foto: Bisping
Sie wollen raus aus der schweigenden Mehrheit und Flagge zeigen: Bürgerinnen und Bürger haben die Initiative „Demokratie leben“ gegründet. Ein Besuch.
Mulsum. Viele Menschen blicken sorgenvoll auf die politischen Entwicklungen. Viele von ihnen wollen nicht mehr die schweigende Mehrheit sein. Um ein Zeichen zu setzen und die Demokratie zu verteidigen, hat sich in der Samtgemeinde Fredenbeck die Initiative „Demokratie leben“ gebildet. Das TAGEBLATT trifft 20 Teilnehmer im Gemeindehaus in Mulsum.
„Wir wissen, dass unsere Demokratie nicht perfekt ist“, erklärt Lutz Schadeck, ein Mann der ersten Stunde. „Doch wir meinen, dass es keine bessere Regierungsform gibt.“ Vor einem Jahr hatte sich die Initiative gebildet mit dem Ziel, sich demokratisch einzumischen, die Demokratie mitzugestalten und zu stärken. Und um Haltung zu zeigen.
Gleich 35 Engagierte beim ersten Treffen
„Wir sind immer wieder angesprochen worden, warum es in Buxtehude, Stade und weiteren Gemeinden etwas wie ,Omas gegen Rechts‘ gibt, bei uns aber nicht“, berichtet Wolfgang Weh. Um Verfechter der Demokratie zusammenzutrommeln, habe er viele Briefe verschickt, unter anderem an verschiedene Parteien.
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Er wird deutlich. „Mir war wichtig, dass klar wurde, dass es keine Grünen-Veranstaltung ist“, sagt Weh. Er ist Mitglied bei den Grünen, betont aber, dass die Initiative überparteilich agiere. „Wir wollen die Parteien unterstützen, die zu unserer Demokratie stehen.“ Beim ersten Treffen seien gleich 35 Interessierte zusammengekommen.
Inzwischen hat die Initiative bei verschiedenen Aktionen Haltung gezeigt, unter anderem bei der Anti-AfD-Demo in Buxtehude im vergangenen April, bei einer selbst organisierten Kundgebung in Mulsum am 8. Mai, war bei 75 Jahre Grundgesetz in Stade vertreten.
Die Gruppe trifft sich alle zwei, drei Monate, stellt neue Termine in der Öffentlichkeit auf die Beine und behandelt Themen wie: Was tue ich gegen meine eigene Sprachlosigkeit, wenn mir rechtes Gedankengut begegnet? Wie gehe ich damit um? Wie machen wir Vereine stark, dass Rechte dort keinen Einfluss nehmen können?
Was hat die Teilnehmer motiviert, sich „Demokratie leben“ anzuschließen?
„Ich bin hier, weil ich mir später von meinen Kindern und Enkeln nicht die Frage stellen lassen will: Warum hast du nichts getan?“, erläutert Gönke Lengsfeld ihr Engagement. Und Petra Draak sagt: „Wir haben uns bei den Landfrauen gedacht, wir wollen Haltung zeigen.“ Außerdem sei der Ton gegen ausländische Mitbürger rauer geworden. „Dagegen muss man etwas tun.“

Gönke Lengsfeld: "Warum hast du nichts getan?" Foto: Bisping
Ein Mitstreiter der Initiative sagt, manchmal seien ihm rechte Posts und Bilder auf Whatsapp begegnet. Er sei wütend geworden. „Wann hört das endlich auf?“ Er habe sich einmal ein 18 Stunden langes Nachrichten-Intermezzo mit jemandem geliefert und sich beherrschen müssen. „Da kocht es in mir hoch, trotzdem habe ich versucht, sachlich zu antworten“, sagt er.

Petra Draak: "Der Ton gegen ausländische Mitbürger wird rauer." Foto: Bisping
Eine weitere Anwesende berichtet von einem Theaterstück über Hans und Sophie Scholl, das sie mit einer Jugendtheatergruppe vorbereitet habe. „Kurz vor der Aufführung hat mir jemand einen Artikel des Spiegel zugesandt.“
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Darin war beschrieben, wie sich ein Theater im Osten nach einer AfD-Anfrage hatte rechtfertigen müssen, weil es das Stück „Weiße Rose“ aufgeführt und danach über Widerstand im Nationalsozialismus diskutiert hatte (Der Spiegel Nr. 26, Seite 107, 22.06.2024). Kinder würden infiltriert mit einseitigen Einstellungen, habe es seitens der Partei geheißen. „Da haben wir festgestellt, wie gut wir es im Westen haben“, sagt sie.
Eine weitere Frau aus der Gruppe erzählt: „Wir wollten vor Corona ein Fest der Demokratie veranstalten. Es wurde uns angeraten, den Staatsschutz einzuschalten.“ Den habe sie bei einem Fest für Schüler nicht ansatzweise auf dem Schirm gehabt, sagt sie.
Flüchtlingshelfer: „Sie sind integriert und dankbar.“
Etwas Positives möchte Hinrich Enderstein berichten. Er ist seit zehn Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv und betreut schon lange eine afghanische Familie. Sie seien integriert. „Sie sind dankbar und fühlen sich hier wohl“, sagt er. „Und ich habe dabei viel gelernt.“

Der aktuelle Flyer der Initiative "Demokratie leben". Foto: Bisping
Die Initiative „Demokratie leben“ will im Zuge der kommenden Bundestagswahl präsent sein. Nächster Termin ist am Samstag, 8. Februar, von 8 bis 10 Uhr. Dann steht sie gemeinsam mit den Parteien CDU, SPD und Grüne vor Edeka in Kutenholz (Hauptstraße 3) und anschließend von 10 bis 12.30 Uhr vor Edeka in Fredenbeck (Kurze Straße 19).