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Aufarbeitung

TKindesmissbrauch in Elsdorfer Pflegestellen: Das sagt der neue Pastor

Die Evangelische Kirche ist derzeit dabei, das Thema sexualisierte Gewalt aufzuarbeiten.

Die Evangelische Kirche ist derzeit dabei, das Thema sexualisierte Gewalt aufzuarbeiten. Foto: Stratenschulte

Am Montag wurden weitere Fälle sexualisierter Gewalt aus den 1950er- und 1960er-Jahren in Elsdorf öffentlich gemacht. Jetzt Betroffene zu finden, kann lange dauern, weiß Elsdorfs Pastor.

Von Kathrin Harder-von Fintel Mittwoch, 25.09.2024, 05:50 Uhr

Zeven. Die diakonische Pestalozzi-Stiftung aus Burgwedel hatte früher in Zusammenarbeit mit dem Pfarramt in Elsdorf Heimkinder in Pflegestellen untergebracht. Nun sind Hinweise aufgetaucht, dass die Kinder und Jugendlichen auf Gehöften und in Handwerksbetrieben Gewalt erfahren haben. Dabei geht es auch um sexualisierte Gewalt. Pastor Volker Klindworth hat die Stelle in der Kirchengemeinde Elsdorf gerade erst übernommen und schon geht es mit einem dunklen Thema aus der Vergangenheit der Kirche los.

Betroffene Jugendliche schildern in Briefen Gewalt und Missbrauch

In gefundenen Dokumenten auf dem Dachboden des Pfarrhauses in Elsdorf schildern Jugendliche in Briefen unterschiedliche Gewalt- und Missbrauchserfahrungen in ihren Pflegestellen. „Es ist aber direkt kommuniziert worden, was dort auf mich zukommt“, erzählt Klindworth. Für den gebürtigen Kalber ist es ein sensibles und sehr umfangreiches Thema, das es aus Sicht der Kirche anzugehen gilt.

„Kirche hat damals leider viel falsch gemacht“

„Wir als Kirche haben damals leider viel falsch gemacht“, weiß er. Die Aufarbeitung könne sich lange hinziehen. Auch Hannovers Kirchensprecher Benjamin Simon-Hinkelmann geht davon aus, dass es sich dabei um einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren handeln kann.

Volker Klindworth ist seit 1. Juli Pastor der Kirchengemeinde Elsdorf und daran interessiert, Betroffene in der Aufarbeitung der Vergangenheit zu unterstützen.

Volker Klindworth ist seit 1. Juli Pastor der Kirchengemeinde Elsdorf und daran interessiert, Betroffene in der Aufarbeitung der Vergangenheit zu unterstützen. Foto: Harder-von Fintel

„Das Thema berührt Menschen in den tiefsten Schichten und wir müssen ihnen jetzt den Raum lassen, sich zu melden“, so Klindworth am Dienstag im Gespräch mit unserer Redaktion.

Leid der Betroffenen soll anerkannt werden

Einen Tag nach der schockierenden Nachricht aus Elsdorf hat bisher niemand um ein Gespräch gebeten. „Das geht jetzt erst los, es ist ein längerer Prozess.“ Für den 60-Jährigen ist es zunächst einmal gut, dass das Unrecht nun öffentlich gemacht wurde und das Leid der Betroffenen anerkannt wird. Die Akten sind mittlerweile an die Fachstelle für sexualisierte Gewalt abgegeben worden. „Experten sollen sich das ansehen, das ist uns als Kirche wichtig.“

Kirche: Ein Schutzraum, der keiner war

Der Pastor bezeichnet es als ein „Erschrecken, dass Kirche ein Schutzraum sein soll, das aber nicht gewesen ist“. Und das nun öffentlich zu sagen, sei auch für die Kirche nicht einfach. „Kirche soll ein Ort sein, wo einem geholfen und geglaubt wird. Dass es damals nicht so war, ist schlimm.“

Dieser Teil der Geschichte muss aufgearbeitet werden, damit das in Zukunft nicht wieder passiert, erklärt der Pastor aus Elsdorf. Von Bedeutung seien dafür die Schilderungen von Betroffenen.

Auch die Polizei ist für Betroffene ansprechbar

Wer nicht gegenüber der Kirche erzählen möchte, was ihm damals angetan wurde, kann sich auch an das Polizeikommissariat Zeven wenden, erklärt Polizeichefin Andrea Schürmann auf Nachfrage.

Im Kirchenkreis Bremervörde-Zeven wird bereits an einem Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt gearbeitet. „Das ist ganz wichtig, damit so etwas nicht wieder passiert“, betont Volker Klindworth. Im Oktober sind diesbezüglich Grundlagenschulungen geplant, „um Mitarbeiter zu sensibilisieren“. Überall dort, wo es zu Machtmissbrauch kommt, sollen Betroffene wissen, wo sie sich melden und auch Hilfe bekommen können, fordert der Pastor.

Kirche will Aufarbeitungskonzept erarbeiten

Hinweise aus der Vergangenheit will die Kirche später in ein Aufarbeitungskonzept einfließen lassen. „Mitarbeiter müssen immer wieder sensibilisiert und geschult werden - alle müssen einen Blick dafür haben, wenn etwas nicht stimmt“, so der 60-Jährige.

„Und wir müssen Abläufe transparent machen und Leute ermutigen, darüber zu reden.“ Machtmissbrauch insbesondere in der Kirche ist für Klindworth nicht zu tolerieren. „Die Menschen begegnen uns mit Vertrauen, das ist unser höchstes Gut, damit müssen wir gut umgehen.“

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Der Pastor möchte betroffenen Menschen in Elsdorf nun den Raum und die Zeit geben, sich zu melden. Die Aufarbeitung ist nicht alleinige Aufgabe der Kirche. Auch die Pestalozzi-Stiftung und Jugendämter sind gefordert, ihre Arbeit von damals zu hinterfragen. Nach welchen Kriterien wurden Pflegestellen vergeben? Eine Frage, der sich die Verantwortlichen stellen müssen.

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