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TKoalitionsvertrag steht: Das sind die Reaktionen aus der Region

CDU, CSU und SPD sind sich einig (von links): Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken.

CDU, CSU und SPD sind sich einig (von links): Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken. Foto: Kay Nietfeld/dpa

CDU/CSU und SPD haben sich in Berlin auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Was sagen Vertreter der Region zu dem 140-seitigen Werk? Die Reaktionen fallen sehr unterschiedlich aus.

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Von Lars Strüning
Freitag, 11.04.2025, 09:35 Uhr

Stade.

Christoph von Speßhardt, Hauptgeschäftsführer der IHK Elbe-Weser

Er freut sich über die zügige Regierungsbildung und sieht erste positive Impulse für die Wirtschaft. Besonders begrüßt werden die geplante Abschaffung des Lieferkettenentlastungsgesetzes, steuerliche Verbesserungen für Unternehmen sowie die Senkung von Stromkosten – alles Schritte, die den Wirtschaftsstandort stärken sollen. Gleichzeitig fordert die IHK eine konsequentere und schnellere Umsetzung weiterer Reformen, vor allem beim Bürokratieabbau und in der Steuerpolitik.

Für den Elbe-Weser-Raum sei der geplante Industriestrompreis von großer Bedeutung, da er energieintensiven Betrieben helfe, wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Investitionen in Verkehrsinfrastruktur und Digitalisierung sieht die IHK als richtige Weichenstellung.

Speßhardts Fazit: „Der Kurs stimmt – aber die Unternehmen brauchen jetzt nicht nur Richtung, sondern auch Geschwindigkeit und Verlässlichkeit.“

Detlef Bade, Präsident der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade

Der Koalitionsvertrag verspreche wirksame Entlastungen bei Steuern, Energiekosten und Bürokratie. Neben schnell wirksamen Abschreibungsbedingungen müssten aber auch die angekündigte Senkung der Körperschaftsteuer und die steuerlichen Entlastungen für Personenunternehmen zügig umgesetzt werden. Ausdrücklich begrüße die Handwerkskammer, dass die Stromsteuersenkung für alle Unternehmen und Verbraucher wirksam werde und die Netzentgelte deutlich sinken sollen.

Die Reduzierung von Statistik- und Berichtspflichten zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen und das Aus für die Bonpflicht machten Hoffnung auf einen spürbaren Bürokratieabbau, sagt Bade. Manko: Das Problem der steigenden Lohnzusatzkosten werde im Koalitionsvertrag nahezu ignoriert.

Landrat Kai Seefried

Die rasch und weitgehend geräuschlos abgelaufenen Verhandlungen zeigten, dass in Berlin endlich der Ernst der Lage angekommen sei. Das klare Bekenntnis zur Unterstützung der Chemieindustrie wertet Seefried als „Unterstützung unserer Forderungen für den Standort Stade“.

Bürokratieabbau, Planungsbeschleunigung, Vereinfachungen im Immissionsschutz, wettbewerbsfähige Energiepreise, die Nutzung neuer Formen zur Speicherung von CO2 (CCS/CCU) — „viele von den Stader Akteuren in einem Positionspapier geforderte Punkte finden sich explizit auch im Koalitionsvertrag“, hebt Seefried hervor. Das mache Hoffnung auf eine Wirtschaftswende.

Erfreulich seien auch die Aussagen zur Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft: Bei Bauvorhaben könne das Sondervermögen für Infrastruktur helfen. Auch der Transformationsfonds für die Kliniken solle dadurch gestärkt werden.

Klare Aussagen finden sich laut Seefried im Koalitionsvertrag auch zum Thema Wolf: Die Herabsetzung des Schutzstatus soll „unverzüglich in nationales Recht“ umgesetzt werden, versprochen werde „eine rechtssichere Entnahme von Wölfen“. Dazu soll auch die Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht dienen.

Jan Plath, Vorsitzender des Landvolks Stade

Plath freut sich als Sprecher der Landwirte im Landkreis Stade, dass die neue Regierung die Vorgaben der EU 1:1 umsetzen will, ohne weiter draufzusatteln. Die Bauern guckten erwartungsfroh nach Berlin, hofften auf ein neues Miteinander. Plath setzt auf den Niedersächsischen Weg, eine Vereinbarung zwischen Landwirten, Umweltschützern und Politik. Der sei ein Modell für ganz Deutschland.

Politik lege wieder mehr Wert auf Wirtschaftlichkeit der Bauernhöfe. Bei den verschiedenen Haltungsformen sollen Baugenehmigungen zum Beispiel für den Umbau von Ställen vereinfacht werden. Auflagen sollen wieder vergleichbar sein mit anderen EU-Ländern. Mit all dem könnten die Landwirte gut leben. Was Plath umtreibt: Dass der Mindestlohn von bald 15 Euro auch für den Obstbau gilt, der deutlich über dem Niveau in anderen Ländern liege. Seine Befürchtung: „Da haben unsere Bauern keine Chance.“

Melanie Reinecke, Landtagsabgeordnete und CDU-Kreisvorsitzende

Für Niedersachsen werde dieser Vertrag einen erheblichen Mehrwert bringen, da er grundlegende Reformen und Entlastungen vorsehe, so Reinecke.

Der Bürokratieabbau werde vorangetrieben, was Unternehmen und Bürger gleichermaßen entlaste. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein notwendiger Schritt, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten und Kriminalität wirksam zu bekämpfen, ohne den Datenschutz zu gefährden.

In der Energiepolitik setze der Koalitionsvertrag wichtige Akzente. Reinecke nennt die Senkung der Energiepreise und die Förderung erneuerbarer Energien. Reinecke: „Insbesondere der Ausbau von Wasserstofftechnologien und eine nachhaltige Energieinfrastruktur sind für unsere Industrie vor Ort besonders wichtig.“ Und sie merkt an: „Die geplante Mehrwertsteuer von sieben Prozent ist für unsere Gastronomie besonders wichtig.“

Corinna Lange, Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete der SPD

„Der Vertrag zwischen SPD und CDU/CSU enthält zahlreiche gute Ansätze, die ich ausdrücklich begrüße.“ Dennoch gebe es Punkte, „die für unsere Region noch nicht ideal gelöst sind“.

Die Stärkung des Industriestandorts Deutschland sei ein wichtiges Signal – insbesondere für den Landkreis Stade mit seinem starken industriellen Rückgrat. Die geplante Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß sowie die Einführung eines Industriestrompreises seien zentrale Maßnahmen, um energieintensive Unternehmen wie im Chemiepark Stade zu entlasten, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und Arbeitsplätze zu sichern. Auch die Abschaffung der Gasspeicherumlage und die Zusicherung kostengünstiger Gaslieferungen seien wichtige Schritte, „die unsere Region direkt betreffen“.

Zudem sei der Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ richtig. Die Sanierung von Brücken und Tunneln sei dringend notwendig. Der Bau der A20, die Verlängerung der A26 und die mit ihr verbundene Verlegung des Stader Industriegleises dürften dabei nicht ins Hintertreffen geraten.

Was Lange persönlich wichtig ist: Die Maßnahmen zur Verbesserung der Kita-Qualität seien zu begrüßen. Als Sprecherin für frühkindliche Bildung im Niedersächsischen Landtag spricht sie sich klar gegen eine Absenkung der Standards in der Erzieherausbildung aus.

Joachim Fuchs, Co-Kreisvorsitzender der Grünen im Landkreis Stade

Der Koalitionsvertrag trage den Titel „Verantwortung für Deutschland“, lasse aber an den entscheidendsten Fragen unserer Zeit eine echte Verantwortungsnahme vermissen, sagt Fuchs. Er denkt an den „Kollaps der Ökosysteme mit der Klimakrise und der Krise der Artenvielfalt, die Erosion der regelbasierten Ordnung in der Welt und nicht zuletzt das Erstarken des globalen Rechtsextremismus“. All diesen Herausforderungen würden Union und SPD nach erster Durchsicht der über 140 Seiten nicht mal in Ansätzen gerecht. Fuchs: „Eine Koalition unter Merz bedeutet vor allem eines: Rückschritt.“

Die Koalition habe nicht nur keine Ideen, wie sie die Klimaziele erreichen soll, sie habe nicht mal mehr den Anspruch, diese zu erreichen. Der „Erfolg des Bürgergeldes“ werde rückabgewickelt. Fuchs hält das für ein Armutszeugnis. Mit den Vorschlägen in der Migrationspolitik würden „faktisch rechtsextreme AfD-Positionen einfach übernommen“. Die Koalition lasse zudem junge Menschen im Stich. Rente, soziale Sicherungssysteme, Bildung, Innovation - das alles sei vertagt in rund 20 Kommissionen.

Christoph Frauenpreiß, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Cuxhaven

Der Vertrag sei ein „Signal an unsere europäischen und internationalen Partner: Deutschland ist wieder da“. Die Bürger könnten sich verlassen: Steuern runter, Bürokratie runter, mehr innere und äußere Sicherheit. Die Körperschaftssteuer werde reduziert, die Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen soll gesenkt werden. Unternehmen und Verbraucher würden beim Strompreis entlastet. Die Agrardieselrückvergütung werde wieder eingeführt. Das Sondervermögen ermögliche die Küstenautobahn A 20 und die Elektrifizierung der Bahnlinien. „Wir streben eine grundsätzliche Wende in der Migrationspolitik an“, sagt Frauenpreiß, „indem wir Zurückweisungen an unseren Staatsgrenzen vornehmen, den Familiennachzug für zwei Jahre aussetzen und die Liste der sicheren Herkunftsländer erweitern. Außerdem werden wir eine Rückführungsoffensive starten.“

Vanessa Zobel, CDU-Bundestagsabgeordnete für Stade und Rotenburg

Friedrich Merz habe Wort gehalten: Noch vor Ostern liegt der Koalitionsvertrag vor. Das zeige Führungsstärke und Verlässlichkeit – genau das, was Deutschland jetzt brauche.

Die zentralen Ministerien lägen in der Verantwortung der Union: Innen, Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft gäben der CDU wichtigen Gestaltungsspielraum. Zobel: „Damit schaffen wir Ordnung in der Migrationspolitik, stärken Wachstum und Leistung, bringen Bauprojekte wie die A20 oder die A26 voran und geben unseren Landwirten endlich wieder Rückhalt.“

Inhaltlich trage der Vertrag die Handschrift der CDU. Zobel nennt die Rücknahme des Bürgergelds, steuerfreie Überstunden, eine Aktivrente, umfangreiche Steuersenkungen sowie die Wiedereinführung der Agrardiesel-Subvention – das seien spürbare Entlastungen für Arbeitnehmer, Unternehmer, Landwirte und Familien.

Was ihr Bauchschmerzen bereite: Dass das Finanzressort wieder in den Händen der Sozialdemokraten liegt.

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