TKönige und Meister: Was den Schützenverein Himmelpforten auszeichnet

Sport und Tradition: So ist auch das Präsidium der Himmelpfortener Schützen zusammengesetzt. Präsident Lars Zimmermann (Mitte) und seine Stellvertreter Gudrun Nordsiek und René Kühlke. Foto: Klempow
Zapfenstreich und Blasrohrschießen: Der Schützenverein Himmelpforten vereint Tradition und Sport. Zum 125-Jährigen feiert er mit dem ganzen Ort - und in Hannover. Was macht er dort?
Himmelpforten. Das dreiköpfige Präsidium des Schützenvereins Himmelpforten ist ein eingespieltes Team und hält die zwei Säulen des Vereins zusammen - Tradition und Sport.
Rückblick: Zehn Herren versammelten sich anno 1900 im Gasthaus Spreckelsen. Angeregt hatte die Versammlung Kaufmann August von Lotzow. Er wurde an diesem Abend zum Vorsitzenden des neuen Schützenvereins gewählt.
Erster Schützenplatz am Wald
Dem ersten Schießstand und der Festhalle am Wald wurde die Nachkriegszeit zum Verhängnis, heißt es in der Festschrift zum Jubiläum: „Alles Holz wurde gestohlen und in Öfen verbrannt.“ Der Verein errichtete seinen neuen Kleinkaliberstand am heutigen Standort, mitten im Ort.
Der Schießstand an der Eulsete-Halle in Himmelpforten ermöglicht Leistungssport. „Eine hervorragende Anlage“, sagt Präsident Lars Zimmermann stolz. Seit Anfang 2023 ist auch der Kleinkaliberstand voll elektronisch ausgerüstet. Über eine App können die Sportschützen ihre Ergebnisse abrufen. Seit 1960 hat der Verein eine Damenabteilung. Ist der Schießsport nicht dafür gemacht, dass Männer und Frauen auf Augenhöhe konkurrieren? „Nein, eigentlich nicht“, sagt René Kühlke, stellvertretender Vorsitzender. „Frauen schießen häufig besser.“

Schießen im Dreistellungskampf, stehend, liegend und wie hier kniend, ist eine körperliche und mentale Herausforderung. Foto: SV Himmelpforten
Das liegt auch am Körperbau. „Männer haben zum Beispiel einen längeren Oberkörper“, sagt Gudrun Nordsiek, ebenfalls stellvertretende Vorsitzende. Außerdem gibt es den mentalen Faktor. Frauen gehen zwar mit Ehrgeiz, aber nicht so verkopft ans Schießen. „Männer wollen immer Erster werden“, sagt René Kühlke. Im Schießsport, wo es um passive Anspannung, Ruhe und Kontrolle geht, kann sich das negativ auswirken.
Jubiläumskönig René Kühlke
René Kühlke selbst hat im Verein etwas besonderes erreicht: Er ist König zum 100. Vereinsjubiläum geworden. Schon seit den 70ern gibt es die Regel, wer König war, darf nicht wieder antreten. „Wir haben noch den Luxus der lebenslangen Sperre“, sagt Lars Zimmermann. Zum 100. war die ausgesetzt, das wird nun zum Jubiläum wieder so sein.

Umzug durch Himmelpforten in den 70ern - Gudrun Nordsiek (vorne) ist mit dem Vereinsleben aufgewachsen. Foto: SV Himmelpforten
Auch Gudrun Nordsiek könnte zum Jubiläum wieder Königin werden, obwohl sie „eigentlich schon alles war“. Sogar Landesalterskönigin oder Ostepokalkönigin. Damit steht sie stellvertretend für die Vereinserfolge im Traditionsschießen. Insgesamt fünf Landeskönige stellte der Verein schon. Just ist Lena Schulze zur Landesjugendkönigin gekrönt worden.
Schießen ist pure Konzentration
Bundesweit bekannt ist Himmelpforten durch die Sportschützen. Stefan Reichelt als mehrfacher Deutscher Meister ist einer von ihnen. Was macht das Schießen als Leistungssport aus? „Man muss in den Körper horchen“, sagt René Kühlke. Das ist pure Konzentration. Die Atmung kontrollieren, die innere Anspannung regulieren. Dazu gehört auch, vorher die Haltung präzise zu prüfen, alle Muskelpartien durchzuchecken. Stehend, liegend oder knieend.

Die erfolgreichen Sportschützen prägen den Verein ebenso wie die lange Tradition. Foto: SV Himmelpforten
Nach intensivem Training sind Schützen ausgepowert. „Aber man bekommt den Kopf nirgendwo besser frei“, sagt René Kühlke. Er gehört zum geschulten Team, das die vorbildliche Jugendarbeit macht. Der Verein darf sich seit 2015 „Talentnest“ des Verbands nennen.
Positive Auswirkung bei ADHS
Von den 300 Vereinsmitgliedern sind etwa 70 Sportschützen, davon 20 Kinder. Sie zielen mit dem Lichtpunktgewehr, ihr Training ist auf das Alter abgestimmt. Abgesehen von der Gemeinschaft könne es sich das Training anderweitig positiv auswirken. Das haben auch Eltern schon dem Team zurückgemeldet. Kinder mit ADHS-Diagnose können durch den Schießsport ihre Konzentrationsfähigkeit steigern.
Schützenverein
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Dennoch haben die Sportschützen kein Abo auf Amt und Würden beim Schützenfest. Hier gelten andere Regeln. Alle nutzen das gleiche Gewehr. „Und dann kommt der Kopf dazu“, sagt Lars Zimmermann. Wer auch immer bei diesem Jubiläums-Schützenfest gekrönt wird - er und sie sind für Juli schon gebucht: Zum ersten Mal fahren die Himmelpfortener nach Hannover und sind auf dem weltweit größten Schützenfest beim Umzug dabei.
Fahrt nach Hannover als Krönung
Lars Zimmermann strahlt. Die Zusage ist für ihn die Krönung. Bei der Bewerbung hat er alles in die Waagschale geworfen - das Christkinddorf, das 125-Jährige und die 100 Jahre alte Fahne, um die sich eine kleine Sensation rankt. Sie war nach dem Zweiten Weltkrieg verschwunden. 2006 tauchte sie auf einem Dachboden in Klein Oschersleben auf - wie sie dorthin geraten ist, bleibt ungeklärt. Zum Vereinsjubiläum wird sie noch einmal geweiht.
Ganz neu ist dagegen die Sparte Blasrohrschießen, deren Aktive aber auch schon zur Deutschen Meisterschaft gefahren sind. Besonders stolz ist das Präsidium auf die Para-Schützen: In Himmelpforten werde Inklusion gelebt. Die Abteilung ist die größte ihrer Art in der Region. Über unterschiedliche Hilfsmittel können die Schützen Einschränkungen beim Gehen oder Stehen ausgleichen.
125 Jahre - das feiern die Himmelpfortener ausgiebig, mit Kommersabend (Freitag, 30. Mai), dem Jubiläumsschützenfest am ersten Juni-Wochenende, inklusive Disco am 6. Juni, und der Dorfolympiade im August. Und für Lars Zimmermann ist der 6. Juni das höchste des Traditionsgefühls: Nach dem Festumzug mit drei Spielmannszügen und rund 500 Teilnehmern endet der Zug auf dem Rathausplatz, wo die Kehdinger Blasmusikanten den Großen Zapfenstreich spielen -Tradition pur.

Die verschwundene und restaurierte Fahne von 1925. Foto: SV Himmelpforten
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