TKöpfchen schlägt Muskelkraft: Horneburger Handball-Talent setzt sich durch

Lasse Holtfreter ist nicht der größte und nicht der stärkste - aber glänzt mit Spielintelligenz, Tempo und Technik. Foto: Scholz
Viele Talente scheitern am Übergang von der Jugend zu den Herren. Lasse Holtfreter vom VfL Horneburg zeigt, wie es gehen kann - und warum Körpergröße nicht über Erfolg entscheidet.
Horneburg. „Der Wechsel vom Jugend- in den Erwachsenenbereich ist im Handball eine der härtesten Prüfungen für junge Spieler und Spielerinnen“, sagt Dr. Patrick Luig, Bundestrainer Bildung und Wissenschaft beim DHB.
Das gilt sportartübergreifend. Etwa ein Drittel der heranwachsenden Sportler und Sportlerinnen steigt in dieser Phase ganz aus, so die Forschung. Lediglich zwei Prozent der talentierten Athleten und Athletinnen erzielen später bei den Erwachsenen internationale Erfolge.
Lasse Holtfreter vom VfL Horneburg hat die sogenannte Junior-to-Senior-Transition geschafft. Der 19-Jährige hatte in der A-Jugend maßgeblichen Anteil an der Meisterschaft in der 2. Bundesliga Nord und dem DHB-Pokalsieg.
Schon in der vergangenen Saison sammelte er als Spielmacher Erfahrung in der ersten Herren und stieg in die Oberliga auf.
Nun gehört das Eigengewächs fest zum Erwachsenenkader - und das, obwohl er mit 1,80 Meter nicht die typischen Maße eines Rückraumspielers mitbringt und mit nur 68 Kilogramm relativ schmächtig ist.
Was Holtfreter so gut macht
Holtfreter selbst spürte die Unterschiede zwischen Jugend- und Herrenhandball vom ersten Spiel an: „Das ist ein anderer Sport. Man wird viel härter angegangen.“
Warum hat er es dennoch geschafft? „Man muss körperlich nicht zu den Stärksten gehören, wenn man ein hohes Maß spielerischer Klasse hat“, sagt sein Jugendtrainer Stefan Hagedorn.
Entscheidend sei, wie gut ein Spieler Situationen auf dem Spielfeld wahrnimmt, Entscheidungen trifft und technisch umsetzt. „Das macht Lasse unfassbar gut und kann damit Kraftnachteile ausgleichen.“
Viele Spiele würden im modernen Handball zwischen den 9-Meter-Räumen entschieden. „Wenn ein Spieler das verinnerlicht, kann er andere Defizite egalisieren“, betont Hagedorn.
Neue Aufgaben und Dynamiken
Auch Vielseitigkeit ist ein Vorteil: Wer auf mehreren Positionen einsetzbar ist, hat größere Chancen auf Spielzeit. „Man muss bereit sein, jede Aufgabe anzunehmen“, betont Hagedorn.
Ist ansonsten auf der eigenen Position ein Top-Scorer gesetzt, bleibt oft nur die Rolle als Ergänzungsspieler.
Jungspunde treffen auf Routiniers
Der Schritt aus der Jugend zu den Erwachsenen bedeutet für viele Spieler und Spielerinnen vor allem eine soziale Umstellung. Wer zuvor eine zentrale Rolle im Jugendteam hatte, muss sich bei den Erwachsenen neu orientieren.

Holtfreter fängt nach dem Abi ein duales Studium bei der Polizei an. Foto: Scholz
Plötzlich trifft man auf erfahrene, etablierte Mannschaftskollegen - die Hierarchie ist anders, der eigene Einfluss zunächst geringer. Junge Spieler übernehmen meist kleinere Aufgaben und wachsen erst nach und nach in größere Rollen hinein.
Was wirklich zählt: die innere Haltung
Ob der Übergang gelingt, entscheidet sich also nicht allein auf dem Spielfeld. Eine vom DHB unterstützte Untersuchung der Deutschen Sporthochschule Köln zeigt: Zentrale Faktoren sind Geduld, Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, sich Unterstützung zu holen.
Mit Bildergalerie
T Au Backe! Die Halle Nord aus ungewohnter Perspektive
„Die mentale Komponente ist mindestens ebenso entscheidend wie die körperliche - oft sogar ausschlaggebend“, findet Bundestrainer Dr. Luig.
Was gute Trainer wissen müssen
Viele junge Handballer und Handballerinnen empfinden beim Wechsel in den Erwachsenenbereich vor allem sozialen und leistungsbezogenen Stress - etwa durch Konflikte mit Trainern, unklare Rollen oder fehlendes Feedback.
Hinzu kommen Zeitdruck und die schwierige Vereinbarkeit von Sport, Ausbildung und Privatleben. Besonders für Mädchen ist der Ausstieg wahrscheinlicher, da die Rahmenbedingungen im Frauenhandball oft weniger attraktiv sind.
Vereine und Trainer können diesen Übergang deutlich erleichtern, wenn sie gezielt unterstützen: Die Studie der Deutschen Sporthochschule Köln empfiehlt eine intensive Begleitung durch Feedbackgespräche, klare Kommunikation, individuelle Entwicklungspläne und Mentorenprogramme. Das Ziel: mentale Kompetenzen wie Geduld und Durchhaltevermögen stärken.
Dr. Patrick Luig betont: „Genauso wichtig sind ein intaktes Teamgefüge, empathische und entwicklungsorientierte Trainer, ein motivierendes Trainingsklima sowie das Gefühl von Zugehörigkeit und Wertschätzung. Diese ‚weichen Faktoren‘ sind oft die stärksten Schutzfaktoren in der Junior-to-Senior-Transition.“
Moderner Handball ist variabler
Lasse Holtfreter hatte nie Zweifel, dass er es schaffen kann. Er traut sich langfristig sogar die Regionalliga zu. Sein Beispiel zeigt: Mit der richtigen Einstellung, Geduld und Unterstützung können auch Spieler ohne vermeintliche Idealmaße den Sprung in den Herrenbereich schaffen.
„Am Ende setzen sich gute Handballer und Handballerinnen durch, unabhängig von der Körperhöhe“, sagt Dr. Luig. Und auch der Spitzenhandball zeigt: Das Anforderungsprofil ist variabler geworden, und vermehrt schaffen es auch vermeintlich schmächtigere Spieler.
Copyright © 2025 TAGEBLATT | Weiterverwendung und -verbreitung nur mit Genehmigung.