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TKommt das Familienhaus der Zukunft aus dem 3D-Drucker?

An der Außenfassade sind die mittels eines 3D-Betondruckers aufgetragenen Schichten zu erkennen. Die PERI GmbH druckte im nordrhein-westfälischen Beckum das erste Wohnhaus Deutschlands.

An der Außenfassade sind die mittels eines 3D-Betondruckers aufgetragenen Schichten zu erkennen. Die PERI GmbH druckte im nordrhein-westfälischen Beckum das erste Wohnhaus Deutschlands. Foto: Guido Kirchner/dpa

Ein Haus aus Betonschichten, errichtet ohne Fachkräfte. Eine Hobbit-Höhle mit lupenreiner CO2- Bilanz. Wie wird morgen gebaut? Ansichten von zwei Firmenchefs, deren Unternehmen die Zukunft des Bauens gerade mitgestaltet.

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Von Miriam Fehlbus
Samstag, 12.10.2024, 11:50 Uhr

Landkreis. In den Städten ist das Bauland begrenzt. Die Frage nach der Zukunft des Einfamilienhauses im Zentrum von Hamburg, Berlin oder Paris erübrigt sich. Im ländlichen Raum werden derzeit aber vor allem Ideen für modernen Wohnraum ohne Hochhaus-Planung umgesetzt.

Wenn es um Innovationen und maßgebliche Veränderungen beim Bauen geht, hat die Harsefelder Firma Viebrockhaus in den vergangenen 70 Jahren schon häufig richtig gelegen. Zuletzt gab es zwei Projekte, die deutschlandweit für Schlagzeilen sorgten: die Smart City für nachhaltiges Bauen und die Power Townhouses für bezahlbaren Wohnraum. Vor diesen Entwicklungen standen für das Harsefelder Bauunternehmen Besuche bei Projekten in der ganzen Welt, speziell in den USA. Die Viebrockhaus-Chefs Lars und Dirk Viebrock waren selbst ins Silicon Valley gereist, um sich dort über innovatives Bauen zu informieren. Nicht alle dort gesammelten Ideen haben es zur Praxisreife ins Unternehmen geschafft.

US-Forscher für 3D-Druck war in Harsefeld zu Gast

Ja, sie haben sich auch für den 3D-Druck interessiert, sagen die beiden Brüder, die gemeinsam das Unternehmen Viebrockhaus mit den Einfamilienhäusern und dem neuen Geschäftsfeld Power Townhouses von Harsefeld aus leiten. „Behrokh Khoshnevis war sogar persönlich zu einem Vortrag in Harsefeld“, sagt Dirk Viebrock. Der US-Forscher und Professor der University of Southern California in Los Angeles gilt als Entwickler des Hausbaus mit einem Spezialbeton, der Schicht für Schicht aus dem 3D-Drucker Wände wachsen lässt. Das 70 Jahre alte Familienunternehmen Viebrockhaus entschied sich allerdings gegen diese Variante des Bauens.

Erstes Wohnhaus aus dem Drucker steht in Beckum

Die Technik ist heute in Deutschland zu bewundern. Das erste Haus aus dem 3D-Drucker in Deutschland steht in Beckum in Nordrhein-Westfalen. Die PERI 3D Construction GmbH, nach eigenen Angaben ein weltweit operierender Hersteller von Schalungs- und Gerüstsystemen in über 70 Ländern mit über 9000 Mitarbeitenden, hat es im September 2020 mit einem 3D-Betondrucker hergestellt.

Wände werden im ersten Stock eines Rohbaus mittels eines 3D-Betondruckers in Schichten hochgezogen.

Wände werden im ersten Stock eines Rohbaus mittels eines 3D-Betondruckers in Schichten hochgezogen. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

„Die Idee dahinter ist, dass man ohne Fachkräfte einfachen Wohnraum schaffen kann“, sagt Dirk Viebrock. Aus seiner Sicht ist das Modell des 3D-Drucks aber kein Ersatz für Häuser, wie sie in Deutschland gesucht werden. „Das System ersetzt keine Handwerker auf dem Bau“, sagt der 39-Jährige. Nachgefragt werde ein qualitativ hochwertiges Produkt als Bauprojekt, das den Traum vom vererbbaren Eigenheim erfüllt. „Und so gut und so schnell wie das unsere Handwerker machen, schafft das keine Maschine.“

Modulares Bauen: Vereinfachungen für die Handwerker

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, hat Viebrockhaus andere Veränderungen vorgenommen. Ein wichtiger Punkt sei das modulare Bauen, sagt Lars Viebrock. Auch hier wurde zuerst weiter gedacht, als es die Umsetzung vermuten lässt. „Wir haben mit der Modulbauweise experimentiert“, sagt der 30-Jährige. Die Idee war, knapp gesagt, ein fertiges Haus so zu erstellen, dass die Raumzellen auf der Baustelle einfach zusammengesetzt werden könnten. Aber auch hier überwogen aus Sicht des Unternehmens am Ende die Nachteile.

Stattdessen wurden Vereinfachungen für die Handwerker zur Arbeits- und Zeitersparnis in kleinerem Rahmen gedacht. Die Steine für das Obergeschoss werden jetzt direkt vom Kran- und Lkw-Fahrer rundum auf die fertige Decke gesetzt. Anschlusspakete und vorgefertigte Wandelemente für den Badezimmerausbau vereinfachen Toiletten- und Waschbeckeneinbau. In der Logistik in Harsefeld werden Teile der später auf der Baustelle Stein auf Stein zu mauernden Häuser sinnvoll zusammen abgepackt.

Baubranche hat Schlüsselrolle bei CO2-Emissionen

„Besonders beim Power Townhouse haben wir viele kleinere Module“, sagt Dirk Viebrock. Hier wurde die Systemhaus-Massivbauweise auf den sozialen Wohnungsbau übertragen. In Serienreife wird auch der Einsatz regenerativer Energien berücksichtigt, denn das ist die zweite große Herausforderung für die Baubranche neben dem Fachkräftemangel: das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele.

Die Brüder Dirk und Lars Viebrock leiten gemeinsam das Unternehmen Viebrockhaus.

Die Brüder Dirk und Lars Viebrock leiten gemeinsam das Unternehmen Viebrockhaus. Foto: Viebrockhaus

Berechnungen zufolge ist die Baubranche für etwa 38 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Damit kommt dieser Branche für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele eine Schlüsselrolle zu. „Man muss allerdings sagen, dass diese Berechnung nur elf Prozent für den Bau an sich sieht und 27 Prozent für den Energiebedarf der Gebäude“, sagt Lars Viebrock. An dieser Stelle hat die Viebrockhaus AG als einer der größten Hersteller von Massivhäusern in Deutschland mit mehr als 1000 Mitarbeitern für die Zukunft angesetzt. „Der langfristige Hebel ist, dass der Ausstoß beim CO2 auf null gesetzt wird. Unsere Häuser verbrauchen sehr wenig und produzieren mehr Energie über die Photovoltaikanlage als sie benötigen“, sagt Lars Viebrock.

Neue Kunststofffenster sind aus Kiefernöl hergestellt

Bei den Baustoffen wird auf einen möglichst CO2-neutralen Fußabdruck geachtet. Neben Kartoffelsteinen im Beton und Kirschkernen für das Brennen der Klinkersteine sind jetzt ganz neu die Fensterrahmen aus einem Stoff, der diese Bilanz verbessert: „Wir haben jetzt Kunststoffrahmen, die nicht aus Rohöl, sondern aus Kiefernöl hergestellt werden“, sagt Dirk Viebrock.

Die Grundsteinlegung für das erste Powertownhouse-Projekt in Hollenstedt in diesem Jahr: Maurer Rainer Schmidt (von links) mit Bundesbauministerin Klara Geywitz sowie Dirk und Lars Viebrock.

Die Grundsteinlegung für das erste Powertownhouse-Projekt in Hollenstedt in diesem Jahr: Maurer Rainer Schmidt (von links) mit Bundesbauministerin Klara Geywitz sowie Dirk und Lars Viebrock. Foto: Wisser

Auch der Rückbau von Gebäuden, Recycling und Abfalltrennung beschäftigen die Baubranche der Zukunft. Hier sind bereits Modelle mit künstlicher Intelligenz für die Baustofftrennung auf dem Markt. Das autonome Fahren könnte die Mobilität auf dem Land und im Alter vereinfachen. Der Druck, bezahlbaren Wohnraum vorhalten zu können, wird zu einem Umdenken bei der Bereitstellung von Bauland und bei den Kommunen führen. Das deutet sich bereits an. Die Branche hat sich weltweit auf den Weg gemacht. Aber die Reisen zu neuen Erfindungen werden für innovative Bauunternehmen kürzer. „Das effiziente und nachhaltige Bauen entsteht in Europa“, sagt Dirk Viebrock.

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