TKonflikt droht – Landrat lädt zum großen Uferschnepfen-Gipfel

Eine Uferschnepfe steht auf einem Feld im Naturschutzgebiet. Foto: Sina Schuldt/dpa
Schneckentempo, Befreiungssschlag, 150 Millionen Euro: Beim Deichbau an der Elbe drängt die Zeit. Landrat Kai Seefried hat einen neuen Plan - doch dafür müssen die Naturschützer mitmachen.
Landkreis. Noch bis in die 1990er Jahre galt die Uferschnepfe - früher auch im Binnenland zu Hause - nicht als typischer Küstenvogel. Doch heute ist die gefährdete Vogelart in Niedersachsen vor allem an der Nordseeküste, aber auch an Elbe, Ems und Weser heimisch. In Niedersachen steht der Vogel auf der Roten Liste - in der Kategorie „stark gefährdet“. Der grazile Vogel könnte den Zeitplan für die Deicherhöhung gefährden.
Der Grund: Die Uferschnepfe lebt im EU-Vogelschutzgebiet. Der Vogel brütet ab April; im Mai/Juni schlüpfen die Küken. Damit der Bruterfolg nicht gefährdet wird, wollen die Ministerialen im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz die Deichbauarbeiten in dieser Zeit mit Blick auf das europäische und deutsche Naturschutzrecht verhindern.
Schneckentempo beim Deichbau droht
In diesem Jahr soll das Planfeststellungsverfahren für den Abschnitt vom Ostesperrwerk bis zum Fähranleger Wischhafen beginnen. Das sind 25 Kilometer. Klimawandelbedingt muss der Deich um zwei Meter erhöht werden. Doch das ist erst der Anfang. Insgesamt müssen die Deiche im Nordkreis auf einer Länge von 57 Kilometer ertüchtigt werden. Kostenpunkt: mehr als 150 Millionen Euro inklusive der Sielbauwerke.

Eine Uferschnepfe fliegt über ein Feld im Naturschutzgebiet. Foto: Sina Schuldt/dpa
Doch mit der Einschränkung für den Vogelschutz könnten die Deichbauer allenfalls zehn Wochen im Jahr - außerhalb der Sturmflutsaison von Oktober bis April - die Hauptdeiche erhöhen. Sollte sich beim Bauzeitfenster nichts ändern, wären das 500 Meter im Jahr, fürchtet Oberdeichgraf Albert Boehlke. Das wollen unter anderem der Deichverband Kehdingen-Oste, aber auch Landrat Kai Seefried (CDU) nicht akzeptieren. Der Chef der Unteren Deichbehörde in Stade hofft auf einen Befreiungsschlag.
Runder Tisch soll Durchbruch bringen
Er lädt am 17. Februar die Landesbehörden, Deichverbände und Naturschutzverbände Nabu und BUND ins Kreishaus in Stade ein. Gemeinsam soll eine Lösung gefunden werden. Die Idee: Ausweichquartiere für die Uferschnepfe finden. Es soll ausgelotet werden, ob ohne Einschalten der EU-Kommission ein gemeinsamer Weg gefunden werden kann.
Naturschützer könnten bekanntlich klagen. Das will Seefried mit einem Deich-und-Natur-Pakt verhindern. Im Planfeststellungsverfahren könnte das Umweltministerium - wie bei der Ausgleichsregelung für die Deicherhöhung in Hinterbrack im Alten Land - Einfluss nehmen. Dort verzögert sich die Baumaßnahme wegen besonderer Gräser seit Jahren.
„Deiche schützen schließlich Mensch und Natur“
Eine Kooperation zwischen Deich- und Naturschützern wäre wünschenswert. Seefried: „Ich setze auf eine Lösung im Dialog. Die Deiche schützen schließlich Mensch und Natur.“ Trotz alledem hofft der Landrat weiterhin, dass der Deichbau in Niedersachsen in Zukunft grundsätzlich privilegiert ist - wie in Hamburg oder Schleswig Holstein. Davon will Seefried auch den niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer (Grüne) überzeugen. Dieser ist am 6. Mai zu Gast bei der Küstenschutzkonferenz im Kreishaus. Mit einer gemeinsamen Lösung könne das Baufenster auf mehrere Monate ausgeweitet werden.
Neben den Ostfriesischen Inseln gehört Nordkehdingen laut Aussage des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) „zu den Brutgebieten von herausragender Bedeutung“, insbesondere für die Uferschnepfe. Vor der Eindeichung im Jahr 1975 waren in Nordkehdingen circa 800 Paare nachweisbar, bei der Zählung von 2017 waren es 118 Paare. Die grazilen Vögel sind zur Brut auf Feuchtwiesen angewiesen. An der Ostemündung brüteten 2023 laut rund 73 Paare. Landesweit sind es 1700 Paare (2022).