TKrummendeich: Drohnenballett erforscht Strömungen an Windrädern

Bereit zum Start: Drohnenflotten für die Untersuchung des nahen Nachlaufs. Die Drohnen flogen zwischen den Windenergieanlagen in bis zu 250 Metern Höhe und positionierten sich in zwei Linien zu jeweils fünf Stück. Foto: DLR
Wissenschaftler wollen in Krummendeich den Wind verstehen lernen. Nur so erzielen Betreiber von Windrädern Top-Leistung. Ein Schwarm von Drohnen hilft bei der Forschung.
Krummendeich. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) forscht seit gut zwei Jahren im Forschungswindpark in Krummendeich. Eine Pressemitteilung erklärt das neueste Projekt: Danach wird direkt vor und hinter den Windturbinen Opus 1 und Opus 2 des DLR-Forschungsparks Windenergie WiValdi die Strömung gemessen. Im Fokus des Projekts NearWake steht die Ausbreitung des nahen Nachlaufs (auf Englisch near wake). Darunter versteht man die Strömung direkt hinter der Turbine einer Windenergieanlage.
Sie ist weniger schnell und verwirbelt. Denn die Turbine entzieht der Atmosphäre Energie, indem sie den Wind abbremst und seine Bewegungsenergie in elektrische Energie – also Strom – umwandelt. Die Forscher konzentrierten sich auf eine Entfernung von maximal zwei Rotordurchmessern hinter der Turbine. In diesem Fall waren das 230 Meter. So können die Forscher unterschiedlich große Anlagen vergleichen.
Turbulent und komplex: der nahe Nachlauf
„Der Nachlauf ist ein wichtiger und interessanter Forschungsgegenstand. Meistens stehen Windenergieanlagen nicht allein, sondern zu mehreren in Windparks. Das bedeutet, dass der Nachlauf der einen Anlage auf die nachfolgenden Anlagen trifft. Das kann deren Leistung und die Lasten, die auf Rotorblätter und Anlagen wirken, erheblich beeinflussen“, erklärt Dr. Norman Wildmann. Er betreut das Projekt NearWake am DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen.
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„Deshalb zählt die wissenschaftliche Untersuchung des Nachlaufs zu den Kernaufgaben des DLR-Windforschungsparks. Gleichzeitig ist das Thema hochaktuell für die Branche im Onshore- wie Offshore-Bereich“, beschreibt der DLR-Wissenschaftler. Denn beim sogenannten Repowering - dem Austausch älterer durch neue Anlagen - werden die Anlagen größer und die Abstände zueinander geringer. So soll die Windenergie noch effizienter, wirtschaftlicher und flächensparender werden. „Mit größeren und näher aneinander stehenden Anlagen verändern sich aber auch die Nachlauf-Effekte. Sie werden deutlich turbulenter und damit komplexer. Die Physik im nahen Nachlauf beeinflusst zudem den fernen Nachlauf und dieser wiederum die Lasten, die auf die Anlagen wirken sowie die Betriebsführung“, sagt Wildmann.
Trotz Verwirbelung hält die Formation
Um den Nachlauf-Effekten genauer auf die Spur zu gehen, war für die NearWake-Kampagne ein kleines DLR-Team vor Ort in Krummendeich. In drei Wochen führten sie mit einem Drohnenschwarm rund 100 Flüge durch. Die kleinen Drohnen sind weniger als ein Kilogramm schwer und für Windmessungen optimiert. „Sie sind der Turbulenz ausgesetzt und müssen gegensteuern, um ihre Position zu halten. Sie sind also selbst kleine Wetterfahnen“, erläutert der Forscher. Ein am DLR entwickelter Algorithmus bringt die gesammelten Messdaten zusammen und wertet sie aus.
Das Team um Norman Wildmann hat dafür eine „Choreografie“ ausgearbeitet, geübt und in mehreren Flugkampagnen zwischen den beiden Windenergieanlagen des Forschungsparks in bis zu 250 Meter Höhe ausgeführt. Die Drohnen positionierten sich in zwei Linien zu jeweils fünf Stück, die erste Linie einen halben (57,5 Meter) und die zweite Linie einen ganzen Rotordurchmesser (115 Meter) hinter der ersten Anlage. Dann hieß es, die Position bestmöglich für 15 Minuten zu halten.
Datengrundlage für Modellierung und Simulation
„Auch im nahen Nachlauf haben die Flugmanöver zuverlässig funktioniert, so dass wir umfassende und qualitativ hochwertige Daten sammeln konnten. Diese Daten entsprechen den Daten, welche die stationär verbauten Messgeräte aufzeichnen“, bilanziert Norman Wildmann. Ein erstes Ergebnis: Speziell die besonders turbulenten Luftwirbel an den Blattspitzen bewegen sich mit dem Wind im Nachlauf weiter mit als bisher angenommen und sind eine wichtige Größe. Wie schnell sie sich auflösen, hängt vor allem von der Atmosphäre und dem Wetter ab.
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Je genauer man die Prozesse und Zusammenhänge im nahen Nachlauf versteht, desto besser lässt sich am Computer simulieren, was zwischen den Anlagen passiert und wie sie sich beeinflussen. „So können wir in Zukunft viel exakter berechnen, welche Leistungen und Lasten erwartbar sind. Das unterstützt die Industrie dabei, Turbinen und ganze Windparks besser auszulegen und zu planen und den Betrieb entsprechend zu gestalten.“ Bereits jetzt sei das Interesse von Herstellern und Betreibern von Windenergieanlagen groß, berichtet Wildmann.
Die physikalischen Phänomene des Nachlaufs von Windenergieanlagen ähneln denen von Wirbelschleppen bei Flugzeugen - auch wenn im Luftfahrt-Kontext die Geschwindigkeiten und die Umgebung anders und die Verwirbelungen deutlich stärker sind.
Mit dem Forschungspark Windenergie WiValdi in Krummendeich verfügt das DLR seit Sommer 2023 über eine einzigartige Großforschungsanlage. Ihr Ziel ist es, die Windenergie mit all ihren Einflussfaktoren besser zu verstehen. Dazu ist der Forschungspark – von den Fundamenten bis in luftige Höhen – mit mehr als 2000 Sensoren ausgestattet. Sie befinden sich in den beiden Windenergieanlagen, auf Messmasten und im Gelände und liefern einen steten Strom an wertvollen Daten. (sh)

Mit Drohnen dem direkten Nachlauf auf der Spur. Im Frühjahr 2025 führte ein Drohnenschwarm Messungen direkt vor und hinter den Windturbinen OPUS 1 und OPUS 2 des DLR-Forschungsparks Windenergie WiValdi in Krummendeich durch. Foto: DLR

Eine Drohne startet zu Messungen im Forschungswindpark WiValdi: Die einzelnen Drohnen wiegen weniger als ein Kilogramm und sind für Windmessungen optimiert. Foto: DLR
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