TLandwirt Heino Klintworth: „Wolf muss Menschen wieder als Feind erkennen“

Heino Klintworth beim Mahnfeuer in der Wingst. Foto: Kramp Foto: Kramp
Landwirt Heino Klintworth ist Vorsitzender des Landvolkverbands Land Hadeln-Cuxhaven. Im Interview zeigt er eine klare Haltung, wie dem Wildtier Wolf begegnet werden soll.
Wingst. Das Mahnfeuer in der Wingst hat hunderte Menschen angezogen. Redakteurin Wiebke Kramp sprach mit dem Vorsitzenden des Landvolkverbands Land Hadeln-Cuxhaven Heino Klintworth über Wolfsbegegnungen und notwendige Maßnahmen.
Sind Sie in Armstorf schon einmal einem Wolf begegnet?
Öfter. Ich glaube, ich habe ihn hier jetzt seit 2015/2016 schon sechs oder sieben Mal gesehen - und das immer zu unterschiedlichen Zeiten - sowohl tagsüber als auch abends bei der Feldarbeit.
Hatten Sie Angst?
Nein, eine Zeit lang habe ich sogar mal geglaubt, ich könnte ihn vertreiben.
Dürfen ihre Kinder denn überhaupt draußen spielen?
Ja sicher. Die gehen hier auch in den Wald. Natürlich sind das Situationen, an die man sich gewöhnen muss.
Haben Ihre Kinder Verhaltensregeln mitbekommen?
Ja, im Prinzip schon. Wir haben viel darüber gesprochen. Wir haben gesagt: Nicht abhauen, sondern sich groß machen. Wir denken, es ist für den Wolf genauso eine unheimliche Begegnung. Der hat zwar sein Beuteschema und kann verdammt gut riechen - aber ich glaube nicht, dass er etwas mit dem Menschen anfangen kann. Wir leben hier in der Natur und wir müssen hier einen anderen Bezug dazu haben. Es ist ja nicht so, dass der Wolf hier hinter der Bushaltestelle sitzt und auf Kinder wartet.
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Es gibt aber ja auch Problemwölfe - ab wann ist ein Wolf problematisch und wie sollte man mit ihm umgehen?
Eigentlich ist eine Menge wahr, was wir schon vor zehn Jahren gesagt haben. Es hieß ja immer, man hat einen Sechser im Lotto, wenn man einen Wolf sieht, weil man ihn ja eigentlich nicht sieht. Man hätte viel eher mit der Vergrämung anfangen müssen, damit die Wölfe wieder Bescheid wissen, wo der Hammer hängt. Dass wir das nicht getan haben, war fahrlässig. Und man züchtet sich dann Problemwölfe ran. Wenn die Wölfe den Menschen zu nahekommen, kann das nicht gut sein. Es gibt immer die Situation, dass ein kleinen Kind wegläuft. Man will es ja nicht heraufbeschwören, aber bei bestimmten Situationen kommt man an einer Risikobewertung nicht vorbei. Wir haben immer gehört, der reißt keine Rinder und reißt keine Pferde - und da sind wir jetzt alle eines Besseren belehrt worden. Aus dem Grund wäre es besser, wir zeigen dem Wolf, wo er nicht hingehört, sodass er weiß, wo Menschen wohnen, hat er sich fernzuhalten. Problemwölfe sind natürlich auch die, die jetzt Rinder und Pferde reißen, und wie sie dabei vorgehen. Ich weiß noch, wie uns vor zehn Jahren in der Bördehalle erzählt wurde, wenn er euch zu nahe kommt, müsst ihr ihm in die Rippen treten. Wir lassen uns hier aber ungern verarschen. Jeder weiß, was passiert, wenn man auf Wildtiere und auf Raubtiere trifft. Das ist nicht banal, sondern mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zu behandeln. Das muss auch die Politik einsehen. Man muss aktiver an die Sache rangehen. Bestes Beispiel ist Schweden. Dort sieht man die Wölfe nicht. Warum? Weil sie dort gejagt werden . Schweden hat da eine ganz klare Leitlinie. Sie sollen den Menschen nicht zu nahekommen. Das kriegt man nicht hin, indem man Hinweisschilder aufstellt, sondern da gibt es rabiate Methoden. Und der Wolf ist lernfähig. Der wird das verstehen - und dann hat man eine Koexistenz erzielt.
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Sind Ihnen denn schon Tierhalter bekannt, die wegen der Wölfe ganz auf Weidehaltung verzichten?
Als es hier 2014 bei uns mit Wölfen losging, haben wir aus Weser-Ems nicht unbedingt Rückendeckung bekommen, weil die den Wolf nicht hatten. Wir haben immer gesagt, wartet mal ab. Dort haben sie nie Zäunung gekannt - und jetzt lassen sie ihr Vieh nicht mehr raus. Ich habe das für mich selbst auch beschlossen. Es gibt zwar eine Weideprämie für die Kühe. Aber die beantrage ich nicht, weil ich dann sicherstellen muss, dass die Kühe sechs Stunden auf der Weide waren. Jeden Tag, 89 Tage lang. Aber wenn es im Sommer so heiß ist, macht es keinen Sinn, die Kühe nach draußen zu jagen. Das geht dann nur nachts. Das habe wir früher so gemacht und morgens wieder reingeholt zum Melken.
Das machen Sie wegen der Wölfe nicht mehr?
Ja. Ich müsste nämlich alles fest einzäunen. Dass man dies gestellt bekommt, ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Pflege und Wartung müsste man selber machen. Wir gehen das Risiko nicht ein. Wir würden zwar gerne, aber wir machen es nicht mehr.
Ist also die Weidehaltung in Gefahr?
Ja, natürlich, wenn der Wolf nicht reguliert wird. Es sind ja nicht verspielte Welpen, die sich an den Rindern und den Pferden zu schaffen machen. Diese Wölfe habe sich darauf spezialisiert. Die wissen, wie die schmecken und wissen, dass das auch klappt. Ein Wolf hat ja den ganzen Tag nichts anderes zu tun, wenn er nicht Welpen hat, als sich um die Nahrungsbeschaffung zu kümmern. Der denkt darüber den ganzen Tag nach, wie er das nächste Tier reißen kann. Er kann nicht, wie wir den nächsten McDonald anfahren. Auch über die Zaunhöhen brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Wir waren bei 1,05 Meter und sind jetzt bei 1,60 Meter. Wenn der Wolf in so eine Weide rein will, dann springt er drüber oder kriecht einfach unter durch.
Gibt es denn Forderungen seitens des Landvolks an die Politik?
Im Prinzip brauchen wir ein Management.
Aber das gibt es doch …
Unserer Meinung nach gibt es das nicht. Bis jetzt breitet sich alles aus. Wir müssen das klären, wie das mit den Deichen ist. Wenn das nicht technisch zu lösen ist, und wir die Schafe dort wegen der Deichsicherheit brauchen, müssen wir uns überlegen, wie wir die Wölfe von dort fernhalten. Es heißt immer, wolfsfreie Gebiete sind nicht vorgesehen. Aber das sieht die Gesetzgebung schon vor - man muss es einfach nur machen. Schutzstatus hin oder her - letztlich muss sich ein Staat um seine Bevölkerung kümmern und den Wolf von den Deichen fernhalten. Der Wolf muss den Menschen wieder als Feind erkennen und sich aus menschlichen Habitaten raushalten.
Müsste solch ein Wolfsmanagement regional angedockt sein, es gibt doch eins seitens des Landes?
Das dauert heute zu lange. Die Befehlskette muss eingehalten werden. Vor Ort wird irgendwas festgestellt, das wird ans NLWKN gemeldet, und dem Ministerium - und die müssen sich alle erst wieder rückvergewissern, was man denn eigentlich gesetzlich machen kann. Dann müssen erst mal ein paar Risse nachgewiesen sein, dann muss das Tier identifiziert werden. Natürlich muss das regional betrachtet werden. Und wir haben heute ja die Technik dafür. Drohnen mit Wärmebildkameras zum Beispiel. Wir könnten ja, wenn wir wollten, eine Menge über die Wölfe herausfinden wie Anzahl oder Habitat. So ein Management muss zurück in die Region. Da bietet sich zwischen Elbe und Weser super an. Das muss regional gelöst werden - auch über Landkreisgrenzen hinweg. Aber irgendwer muss den Hut aufhaben, der sagt, wir sammeln jetzt mal alles ein: das Monitoring der Jäger, das Rissverhalten - und dann muss eingegriffen werden. Kann auch mal sein, dass es den falschen Wolf erwischt. Aber es geht um das Zeichen. Dies sind ja lernfähig.
Schüren Sie mit solchen Aktionen wie dem Mahnfeuer nicht noch die Ängste von Menschen?
Ich denke nicht. Hintergrund war, dass wir auf die veränderte rechtliche Komponente hinweisen möchten. Wir haben bei uns im Team in Otterndorf viele jungen Damen und die haben die Einladung geschrieben. Sie haben gesagt, sie hören von den jungen Müttern, ob sie ihre Kinder noch in den Wald lassen oder mit dem Kinderwagen spazieren gehen können und was ist, wenn die Kinder mit dem Fahrrad durch die Gegend fahren. Man kann das als reißerisch einstufen, aber letztlich spiegelt es das wider, was wir hier erleben. In Hemmoor oder in Otterndorf mag das vielleicht keinen interessieren, aber spätestens in Ihlienworth, Odisheim und Armstorf, wo es ganz normal ist, vor die Tür zu gehen und die Kinder rauszuschicken, da ist es so etwas ein Thema - und zwar ein ganz schön großes. Das sind die Dinge, die die Leute betreffen. Entscheidend ist jetzt, was folgt aus der Berner Konvention, die im Dezember entschieden wird. Aber auch dann wird es sein, dass nicht jeder die Flinte schultern kann, sondern wir werden zu Managementplänen kommen müssen.