TMärklin-Bahn, Handy, Nähmaschine: Stader Retter der Elektrogeräte sind gefragt
Günter Köttgen hofft, diese beiden Märklins-Loks wieder flottzubekommen. Foto: Richter
Ist das noch gut oder kann das weg? Diese Frage können versierte Bastler in Campe beantworten. Die Nachfrage ist groß, die Erfolgsquote auch.
Stade. Hinter den Arbeitstischen brummt und summt, röhrt und rattert es. Sieben Männer bearbeiten konzentriert Nähmaschinen, DVD-Player, Verstärker - und zwei Märklin-Lokomotiven aus einer 50 Jahre alten Serie.
Auch der emotionale Wert der Dinge zählt
„Wenn du damit in deiner Kindheit gespielt hast und das siehst, ist es, als ob du ein Stück von Elvis Presley wieder hörst. Da hast du Tränen in den Augen“, erklärt Günter Köttgen, der im Repaircafé im Keller des Gemeindehauses St. Johannis im Stader Stadtteil Campe auf die Diagnose der Experten wartet. Die kleine Märklin-Bahn war ein Nostalgie-Kauf, der ihm und seinem Enkel schöne Stunden beschert hat.

Versierte Tüftler bei der Arbeit: Detlef Hiemer, Erhard Meyer, Rainer Sanders und Diab Alfreajat. Foto: Richter
Der Kleine hat allerdings so engagiert damit gespielt, dass zwei Loks jetzt nicht mehr laufen. Günter Köttgen übergibt sie hoffnungsvoll an Rainer Sanders, der sie mit prüfendem Blick unter die Ringlampe hält.
„Märklin-Bahnen laufen mit Wechselspannung“, erklärt er seinem Kollegen Diab Alfreajat auf dem Platz neben ihm. In Syrien, wo der 40-Jährige Elektrotechnik studiert hat, sind solche Modelleisenbahnen weniger bekannt. Alfreajat kam vor zwei Jahren nach Deutschland und bemüht sich, seine Sprachkenntnisse zu verbessern. Beim Reparieren klappe das ganz gut, sagt er.
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Rainer Sanders ist schon seit der Gründung des Repaircafés vor zehn Jahren dabei. Er war früher Mathe- und Physiklehrer und hat als Student mal einen Elektronikkursus gemacht. Jetzt zeigt er dem syrischen Kollegen, wie er am Stelltransformator prüfen kann, ob bei den Loks noch Strom ankommt. Die kleine steht still, aber bei der großen bewegen sich die Räder: „Der Motor scheint noch zu leben.“
Tipp: Vor dem Auseinanderbauen fotografieren
Auch das Steuerungsgestänge sieht noch gut aus, findet Sanders und rät Köttgen, die kleine Lok mal auseinanderzubauen und genau zu kontrollieren. Vielleicht sei nur etwas verbogen: „Aber vorher fotografieren, sonst kriegt man das hinterher nicht mehr richtig zusammen.“
Die Nähmaschine von Hanne Prahl, eine Hanseatic mit solidem Metallgehäuse, ist 53 Jahre alt - „so alt wie meine Tochter“, berichtet sie. Wenn mal etwas kaputtgehe, brauche sie doch eine Nähmaschine, hatte ihre Mutter gesagt.

Ulrich Monsees ist der Nähmaschinen-Experte im Repaircafé und repariert die 53 Jahre alte Nähmaschine von Hanne Prahl. Foto: Richter
Nicht nur Textilien, auch Elektrogeräte wurden damals noch repariert. Heute ist das nicht mehr so einfach, sagt Rüdiger Voß. Er hat seinen DVD-Player dabei. Der ist fünf Jahre alt und war teuer. „Es ist schade. Man kauft regional, aber wenn man was reparieren will, soll man sich Ersatzteile im Internet kaufen und es selbst versuchen“, sagt er kopfschüttelnd.
Als sein Balkonkraftwerk kaputtging, sollte er es einschicken und bekam binnen einer Woche ein neues. Was aus dem eingeschickten Kraftwerk wurde, weiß er nicht: „Die werden das nicht repariert haben. Das kostet zu viel.“ Doch Voß möchte eigentlich nichts sinnlos wegwerfen. Übrigens auch ein Grund dafür, dass er zweimal in der Woche ehrenamtlich bei der Tafel arbeitet.
Gerade Elektrogeräte landen oft im Müll, obwohl sie noch repariert oder weiterverwendet werden könnten. In der aktuell laufenden Europäischen Woche der Abfallvermeidung liegt der Fokus in diesem Jahr auf der Vermeidung von Elektroschrott.
Gold und seltene Erden: Ressourcen
Obwohl es oft billiger ist, etwas neu zu kaufen als zu reparieren, verbraucht die Herstellung elektronischer Geräte wertvolle Ressourcen: Sie enthalten Rohstoffe wie Kupfer, Gold und seltene Erden, ihre Produktion verbraucht viel Wasser und Energie und führt zu Treibhausgas-Emissionen.
Laut einer Umfrage des Eurobarometers von 2020 würden 77 Prozent der Verbraucher in der EU ihre Waren lieber reparieren als neue zu kaufen. Das passt zum Andrang im Repaircafé. Nebenan warten viele bei Kaffee und Kuchen auf die Diagnose für ihr Gerät. „Das ist auch ein Treffpunkt“, erklärt Sabine Herrmann, die sich im Cafébetrieb engagiert. Weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter sind sehr willkommen, in der Technik wie im Café.
Jim Huggard, der am Empfang sitzt und die Liste mit Anmeldungen und erledigten Reparaturen führt, sagt: „Heute war der Tag der Nähmaschinen.“ Hanne Prahl kann ihre wieder mitnehmen, der Faden reißt jetzt nicht mehr. Auch sonst kann die Bilanz des Tages sich sehen lassen: Von 17 Geräten - davon 4 Nähmaschinen - wurden nur 5 für irreparabel befunden. Für 12 gibt es noch Hoffnung und Tipps für Ersatzteile - und damit möglicherweise ein Wiedersehen im Repaircafé.

Jürgen Werner untersucht im Repaircafé einen Toaster. Foto: Richter
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