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Schließung

TMit dem Weinhaus Seitz geht ein Stück Buxtehuder Kulturgeschichte

Diese schöne Flasche Wein ist 800 Euro wert - einer der edlen Tropfen, die Horst Seitz ab 2. Dezember abverkauft.

Diese schöne Flasche Wein ist 800 Euro wert - einer der edlen Tropfen, die Horst Seitz ab 2. Dezember abverkauft. Foto: Richter

Das Weinhaus Seitz ist mehr als eine Buxtehuder Institution. Das Geschäft und die Weinstube in der Breiten Straße sind Kult - doch bald ist Schluss.

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Von Anping Richter
Samstag, 29.11.2025, 11:50 Uhr

Buxtehude. „Das ist ja schade“, sagt Dieter Stackmann. Damit meint er nicht seine Grauburgunder-Bestellung, aus der nichts mehr wird. Er hat gerade erfahren, dass sein alter Freund Horst Seitz sein Geschäft zum Ende des Jahres schließen wird. Neue Bestellungen wird es nicht mehr geben. Ab 2. Dezember beginnt der Abverkauf des Bestands.

Die alte Weinpresse und die Flasche mit der Tropfkerze gehören zur rustikalen Ausstattung der Weinstube hinter dem Geschäft, die über Jahrzehnte Buxtehuder wie Auswärtige anzog.

Die alte Weinpresse und die Flasche mit der Tropfkerze gehören zur rustikalen Ausstattung der Weinstube hinter dem Geschäft, die über Jahrzehnte Buxtehuder wie Auswärtige anzog. Foto: Richter

„Wir kennen uns ja schon seit der Kindheit“, erklärt Horst Seitz, nachdem er mit Dieter Stackmann wieder einmal einem alten Freund und Stammkunden die Nachricht der bevorstehenden Schließung überbracht hat. Viele reagieren betroffen, obwohl andere in Horst Seitz’ Alter schon lange in Rente sind. Er ist 78.

Die Hintertür war immer sehr beliebt

Wenn es nach ihm ginge, würde er gern weitermachen. Doch es geht aus gesundheitlichen Gründen einfach nicht mehr. Das musste er sich irgendwann ehrlich eingestehen. Sein Wahlspruch ist übrigens „In vino veritas“ (Im Wein liegt die Wahrheit). Er steht auch über der Hintertür seines Geschäfts.

Durch diese Tür, die rückwärtig vom Hasenmoor in die Weinstube führt, kamen immer die meisten Gäste, erinnert sich Horst Seitz. Von dem guten Wein, der seit 1978 in Buxtehude geflossen ist, geht ein großer Teil auf seine Kappe. Damals kaufte er das Haus in der Breiten Straße und eröffnete am 8. Dezember 1978 seine Weinhandlung.

Ein Gourmet-Pionier der 80er Jahre

Sein Qualitätswein vom Weingut kam gut an, seine Käsetheke auch überregional: Sogar die Zeitschrift „Der Feinschmecker“ berichtete über den Buxtehuder, der einmal im Monat nach Frankreich fuhr, um sich im Anjou, in der Normandie und der Bretagne mit Rohmilchkäse-Spezialitäten einzudecken. In Deutschland und Frankreich kaufte er Wein und Champagner, in Spanien Sherry und Cava.

Mit Käse kannte Seitz sich aber schon als kleiner Junge aus. 1946, als er geboren wurde, war sein Vater Buttermeister in der alten Molkerei in der Buxtehuder Poststraße. Später gründeten seine Eltern ein Milch- und Lebensmittelgeschäft in der Stader Straße und dann auch eines in der Kählerstraße, das Horst Seitz 1970 übernahm.

Man saß bei Schnecken und Champagner

Der ausgebildete Milch- und Lebensmittelhandelsfachmann absolvierte auch noch eine Weinbauausbildung und wurde Önologe. Sein 1978 eröffnetes Weinhaus erweiterte er in den 80er Jahren um eine Gaststube, die voll einschlug: Bei Käse und Wein, bei Schnecken und Champagner saßen die Ärzte vom Krankenhaus ebenso bei ihm wie die Aktiven der quirligen Buxtehuder Kulturszene.

„Ein Flugzeugverkäufer von Airbus brachte ganze Crews von Leuten aus aller Welt mit“, erinnert sich Seitz. Sie verbrachten bei ihm lange, fröhliche Abende und mussten ein paar Meter weiter im Hotel Zur Mühle nur noch in die Betten fallen.

Von Günter Netzer bis Hans-Joachim Kulenkampff

Auch Theaterleute kamen oft, denn Seitz übernahm den Ausschank im Buxtehude-Theater. Wenn der Vorhang gefallen war, feierte oft das ganze Ensemble bei ihm. Viele bekannte Schauspieler - „ich habe ein ganzes Buch voller Fotos“ - und Show-Größen wie Hans-Joachim Kulenkampff waren dabei.

Der Fernseh-Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff mit Familie Seitz, Mitarbeitern und Freunden in der Weinstube.

Prominente kamen öfter: Der Fernseh-Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff mit Familie Seitz, Mitarbeitern und Freunden. Foto: Horst Seitz

Auch Günter Netzer kam mehr als ein Mal. „So etwas habe ich aber immer diskret gehandhabt. Sonst wären die doch nie wiedergekommen“, sagt Seitz. Manche Gäste trugen sogar Krönchen: Weinprinzessinnen aus der Pfalz, die zum Buxtehuder Weinfest kamen, das er zusammen mit Erhard Abraham vor 35 Jahren begründete.

„Im Weinhaus Seitz haben wir auch zwei Andachten abgehalten“, berichtet Pastor Dr. Matthias Schlicht, der mit Horst Seitz gut befreundet ist. „Er ist ein typischer hanseatischer Kaufmann: ein Mann, ein Wort“, sagt er über ihn. Seitz kenne seine Gäste und wisse, wo sie gerne sitzen und was sie mögen: „Er guckt auf alles - nur nicht auf die Zeit.“

Das Stammlokal der Freimaurerloge

Als Matthias Schlicht Freimaurer wurde, bürgte sein Freund Seitz für ihn. Die Loge, die sich in seinem Lokal immer getroffen hat, bedeutet Horst Seitz viel, und die Logenfreunde werden ihm Trost sein, wenn er am 31. Dezember schließt.

„Ich bin gut angebunden. Das wird bleiben“, sagt Seitz. Er gibt zu, dass es ihm schwerfällt, aufzuhören. Aber er weiß auch, dass er dann etwas haben wird, das kostbar ist: Zeit. Für seine Freunde und vor allem für seine Freundin, seine Kinder und seine fünf Enkel.

Vorher wird Horst Seitz aber noch ein letztes Mal das Buxtehuder Adventsgeschäft mitmachen. Beim traditionellen Glühweinausschank vor der Tür wird Sohn Christian ihn unterstützen. Ansonsten geht es um Restbestände: Tausende Flaschen mit guten bis edlen Tropfen lagern noch im Geschäft und im Keller.

Einige davon wird Seitz für sich selbst aufbewahren. Ansonsten gibt es ab Dienstag, 2. Dezember, bei Weinen 30 Prozent Ermäßigung auf den Ladenpreis, bei Champagner und Hochprozentigem 10 Prozent. Bis 31. Dezember ist dienstags bis sonnabends von 11 bis 15 Uhr geöffnet. „Dann ist Schluss“, sagt Horst Seitz. Was danach aus den Geschäftsräumen wird, weiß er noch nicht: „Erst mal nehme ich mir die Zeit und räume in Ruhe auf.“

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