TMotorrad-Abenteuer auf Island: Stader Familie fährt 5000 Kilometer

Mit dem Motorrad durch Island: Familie Gillen war drei Wochen in dem Inselstaat auf Tour. Foto: privat
Auf ihrer Motorradtour durch Island erleben die Gillens atemberaubende Natur und so manches unerwartete Hindernis. Zum Glück haben sie Kabelbinder dabei. Ein Reisebericht.
Stade. Lederkluft an, Helm auf, Maschine anschmeißen und Gas geben. Alle Motorradfahrer kennen das Gefühl von Freiheit, das sich einstellt, sobald der Wind einem ordentlich um den Helm pfeift. Inzwischen sind wieder viele Biker auf den Straßen in der Region unterwegs, denn die Motorradsaison ist eröffnet.
Von einer außergewöhnlichen Tour über 5000 Kilometer kann Bettina Gillen berichten. Die Heilpraktikerin aus Stade war im vergangenen Jahr mit ihrem Mann Andreas und Sohn Merten insgesamt vier Wochen mit dem Motorrad unterwegs - drei davon auf Island. Auf der Insel aus Feuer und Eis erlebte die Familie extreme Kontraste hautnah und war - trotz einjähriger vorheriger Planung - mit einigen Herausforderungen konfrontiert.
Wechselhaftes Wetter bringt die Gillens an ihre Grenzen
„Vor allem das wechselhafte Wetter hat uns einiges abverlangt. Es war oft kalt, feucht und sehr windig“, berichtet Bettina Gillen, die eine Yamaha XT 600 E (Erstzulassung 1990) fährt. Andreas, der bei Airbus arbeitet, hat eine Honda Transalp RD13 (Erstzulassung 2006) unter sich. Sohn Merten, der in Hamburg Jura studiert, fährt eine BMW R 65 LS (Erstzulassung 1980). Weil sich an Mertens Bike keine beheizbaren Handgriffe installieren lassen, hat er sechs Paar Handschuhe dabei.

Kurze Pause auf dem Weg in den Norden. Foto: privat
An jedem Motorrad hängen zwei Koffer. Im Küchenkoffer sind Gasherd, Töpfe, Besteck und Teller verstaut. Ein Koffer ist voller Flick- und Bordwerkzeug, ein Koffer enthält Lebensmittel. Kleidung ist auf die anderen drei Koffer verteilt. Außerdem hat jeder noch eine Gepäckrolle mit Schlafsack, Stuhl, Isomatte und Regensachen dabei. Im Tagesrucksack findet die Wanderausrüstung Platz. Zwei Zelte fahren auch noch mit.

Voll beladen: Mit jedem Motorrad wurden zwei Koffer sowie mehrere Rucksäcke und Gepäckrollen transportiert. Foto: privat
Die Reise beginnt ganz im Osten Islands, in Seyðisfjörður, einem kleinen Ort mit knapp 700 Einwohnern, in dem die Fähre aus dem dänischen Hirtshals einmal die Woche anlegt. Von dort geht es Richtung Norden. Eine gute Entscheidung, denn im Süden wurde ein Teil der Ringstraße weggespült.
Die Fahrt führt über neblige Passstraßen, die Temperatur sinkt stetig. Bettina Gillens Zwiebelschicht aus langer Merinounterwäsche, kurz- und langarmigen Merino-Shirts, Daunenjacke und Motorradanzug hält bei vier Grad bald nicht mehr warm. In den Westfjorden werden die Zelte so nass, dass die Familie beschließt, feste Unterkünfte zu buchen. „Teilweise war es so stürmisch, dass wir in Rechtsschräglage Linkskurven fahren mussten oder umgekehrt“, sagt Bettina Gillen.

Die Gillens hatten eine intensive Zeit auf ihrer Island-Tour. Foto: privat
Die Straße geht immer entlang der zerklüfteten Küstenlinie und durch atemberaubende einsame Landschaften. Nur knapp zwei Prozent der rund 7400 Isländerinnen und Isländer leben hier. Die Gillens fahren vorbei an blauen Lupinenfeldern und roten Bergen, an Mondlandschaften, tosenden Wasserfällen, Lavafeldern, heißen Quellen, blubbernden Schlammtöpfen und gelblichem Vulkangestein. Vom Vogelfelsen Hafnarholmi aus, auf dem ungefähr 10.000 Papageientaucher nisten, beobachtet die Familie mehrere jagende Wale.
Glück im Unglück nach der Flussdurchquerung
Die Qualität der Straße nimmt ab, die Gillens müssen die erste Furt durchqueren, dann die zweite. Plötzlich ist keine Straße mehr da, sondern nur noch ein Geröllfeld. Andreas bleibt mit dem Motorrad stecken.
„Wir hatten Glück, denn genau in diesem Moment kamen vier Quadfahrer vorbei“, sagt Bettina Gillen. Sie helfen, die schwer bepackten Maschinen – Bettinas wiegt schon ohne Benzin und Zuladung 180 Kilogramm – über die etwa 100 Meter Geröll zu schieben beziehungsweise zu tragen. Sie helfen Merten auch, den Deckel seines Vergasers wiederzufinden, den ein Stein beim Hochspringen abgesprengt hatte. Der Vergaser wird provisorisch mit Spanngummis und Kabelbindern repariert.

Auf der Route 622 mussten die Gillens mit den Motorrädern einen Fluss durchqueren. Foto: privat
Im Laufe der Zeit musste einiges an den Motorrädern repariert werden, sagt Bettina Gillen. Kein Motorrad kommt ohne Kabelbinder zurück. Die Bremsen eines Bikes brauchen neue Züge, ein Reifen braucht einen neuen Schlauch. Dafür müssen die Gillens in die Werkstatt, doch erst die achte kann helfen.
Von den Westfjorden geht es für die Gillens mit der Fähre weiter nach Stykkishólmur und von dort in die Hauptstadt Reykjavik. Das erste Ziel ist allerdings keine Sehenswürdigkeit, sondern ein Campingausstatter. Die Gillens hatten wieder im Zelt nasse Füße bekommen.
„Das neue Zelt in isländischer Qualität war die beste Kaufentscheidung der Reise“, sagt Bettina Gillen. Bevor es zurück nach Hause geht, campt die Familie auf einem idyllischen Campingplatz in þjórsádalur. Warmes Wasser gibt es nicht. Auch Steckdosen seien auf vielen Campingplätzen rar, Powerbanks unerlässlich, sagt Bettina Gillen.
Wer in Island reist, müsse zudem damit rechnen, dass es nicht überall etwas zu kaufen gibt. Benzin und Lebensmittel seien verhältnismäßig teuer. Insgesamt hat die Reise rund 3000 Euro pro Person gekostet. Das Abenteuer war aber unbezahlbar. Im Sommer wollen die Gillens wieder zusammen auf Tour - diesmal durch Schottland.

Merten Gillen in Landmannalaugar im Südwesten Islands. Foto: privat