TNach 22 Jahren als Sprachrohr der Landwirte: Johann Knabbe tritt ab

Johann Knabbe gibt seinen Vorsitz des Stader Landvolks nach mehr als zwei Jahrzehnten ab. Foto: Ahrens
Seit 22 Jahren ist Johann Knabbe das politische Sprachrohr der mehr als 2100 Landwirte im Landkreis Stade. In zwei Jahrzehnten Lobbyarbeit hat er einige Krisen erlebt, zuletzt mit den Bauernprotesten. Eine Bilanz.
Fredenbeck. Der Hof von Johann Knabbe liegt abgelegen. Wer ihn in Schwinge erreichen will, muss den Ort verlassen, auf die Bundesstraße fahren und dann einen Sandweg bis zum Ende nehmen. Schilder kündigen den „Hof Forstkamp“ an - denn Postboten hatten mitten im Nirgendwo auf der Geest mitunter Schwierigkeiten. In den vergangenen 22 Jahren dürften sie hier allerdings einige wichtige Briefe überbracht haben, schließlich ist Knabbe seit 2002 der oberste Landwirt des Landkreises Stade - und damit auch der bekannteste.
Knabbe erinnert sich, als damals der Anruf kam. Der Kreisbauernverband, besser bekannt als Landvolk Stade, suchte einen Nachfolger für den Vorsitzenden Jürgen Koch. Der Verein ist mit mehr als 2100 Mitgliedern die Interessenvertretung der Landwirte im Kreis. Seit dem 7. März 2002 bekleidet der heutige 67-Jährige diese Stelle - damit ist ab Dienstag Schluss.
Knabbe gibt Vorsitz nach über zwei Jahrzehnten ab
Bei der Mitgliederversammlung des Kreisbauernverbandes gibt er den Vorsitz ab. Kreislandwirt bleibt er trotzdem noch. Knabbe kehrt nach mehr als zwei Jahrzehnten der Lobbyarbeit den Rücken. 22 Jahre, in denen er einige Krisen erlebt hat.
Zuletzt sorgten die Bauern vor allem mit großen Protesten gegen die Politik für Schlagzeilen. Als Interessenvertreter war es auch Aufgabe von Johann Knabbe, im politischen Geschehen mitzumischen. Während seiner Anfänge waren Trecker-Demos noch weit entfernt.
Knabbe war früher Vorsitzender der Junglandwirte. „Das war meine einzige Erfahrung in der Verbandsarbeit“, erzählt er. Zu Beginn der 2000er hatte er sich aber sein Schwerpunkthema ausgesucht: Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz in der Landwirtschaft. „Wie informieren wir unsere Mitmenschen, wie gehen wir da ran? Das war uns und mir damals wichtig“, sagt Knabbe. Heute blickt er zufrieden darauf zurück: Die Landwirtschaft sei transparenter geworden, vor allem im Bildungsbereich mit Kitas und Schulen. Die Arbeit halte aber auch nach 22 Jahren weiter an.
Sein Amt hat ihn oft gefordert. „In akuten Krisenzeiten wird es heftig“, sagt Knabbe. Dann steht sein Telefon nicht still. Knabbe muss vermitteln: In Richtung der Landwirte, aber auch in Richtung von Politik und Gesellschaft. Er investiert seine Freizeit ins Ehrenamt, um Sprachrohr der Bauern zu sein.
„Da brennt die Hütte“
Der Dioxinskandal ist ihm im Gedächtnis geblieben. Im Januar 2011 traf einer der größten Lebensmittelskandale Deutschlands vor allem Niedersachsen hart. Hühnerfutter war verseucht, es kam zu Massentötungen von Hennen, Zehntausende Eier landeten im Müll, Betriebe wurden gesperrt. „Da brennt die Hütte“, erinnert sich Knabbe. Weil das Landvolk nicht nur Lobbyarbeit, sondern auch Beratungsstelle ist, liefen die Sorgen vor Ort beim Vorsitzenden auf.
Die Jahre wurden nicht ruhiger: Seit 2012 seien Nitratwerte und Grundwasser Dauerthemen, genauso wie die EU-Förderpolitik. Ab 2015 galt es die Interessen der Bauern gegenüber dem Stromnetzbetreiber Tennet (Stichwort Trassenverläufe) zu vertreten, vorher waren A20 und A26 auch für Landwirte das Landkreis-Thema. Dazwischen rollte die Biogas-Welle, Bauern kämpften mit Flächenverlusten, das Höfesterben nahm seinen Lauf - und Johann Knabbe war überall mittendrin.

Kreislandwirt Johannes Knabbe schwört die Bauern-Protestler in Fredenbeck ein. Foto: Archiv/Ahrens
An Krisen hat sich Knabbe gewöhnt. Trotzdem endet seine lange Amtszeit mit einem Knall: Mit den bundesweiten Protesten ist die Aufmerksamkeit für Bauern bei der Bevölkerung wohl groß wie nie zuvor. Und im Landkreis stand daher auch Knabbe im Fokus. Zwischen Zoom-Sitzungen und Interviews musste der eigene Hof bewirtschaftet werden. „Manchmal weißt du nicht, was du draußen überhaupt schaffen kannst, weil du nur am Telefon hängst“, sagt Knabbe. Doch er klagt nicht. „Die flächenmäßige Präsenz durch die Proteste ist wichtig und richtig.“
Nicht nur mit Blick auf die Bauernproteste sagt Knabbe: „Es ist ein Austauschen und Aushalten.“ Persönliche Angriffe kämen in dem Amt vor, sagt er. Die eigene Branche ist breit gefächert - besonders im Landkreis Stade. „Hier gibt es alle Böden, alle Produktionsrichtungen, jede Größenstruktur von Betrieben.“ Zusätzlich ist der Landkreis an der Elbe Küstenstandort. Ganz schön viele Interessen, die es zu vertreten gilt. Er betont: „Extreme Positionen finde ich nie gut.“
Umgang mit Gentechnik „schizophren“
Was ihn im Amt sehr geärgert hat? Der Umgang der Gesellschaft und Politik mit dem Thema Gentechnik. Knabbe erinnert sich, als er von der Stader Kartoffelsorte Saturna erfuhr, die in einem Testversuch resistent gegen Kraut- und Knollenfäule wurde. Ein Pilz, gegen den sonst Pflanzenschutz angewendet werden muss. „Es wurde eine Eigenschaft geändert, kein Monstrum geschaffen“, so Knabbe. Er sah einen immensen Gewinn durch Wissenschaft. Dass Gentechnik in der Landwirtschaft in Deutschland bis heute so verpönt sei, in Medizin und Lebensmitteltechnik aber zum Einsatz komme, sei „schizophren“.
Was Knabbe in zwei Jahrzehnten als oberster Landwirt gelernt hat: „Gesetze und Regeln existieren manchmal in einer anderen Wirklichkeit.“ Aus der Ruhe bringt ihn das selten. Wer mit Knabbe spricht, bekommt viele sachliche Argumente in kurzer Zeit. Es geht nie um ihn, immer um die Landwirte. Er übernahm das Ehrenamt, weil er es wichtig fand. „Ich habe nie eine Art Karriere angestrebt.“
Johann Knabbe ist vor wenigen Tagen 67 Jahre alt geworden. Es ist Zeit für einen Wechsel an der Spitze, findet er. Wie erfolgreich die Landvolk-Arbeit seit 2002 war? „Es hat zumindest meistens den größten Schaden verhindert“, resümiert er. Das habe vor allem auch wegen der guten Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung geklappt.
Dem Nachwuchs der Branche hat er versucht, auch eine Portion Gelassenheit zu vermitteln. „Es kommt immer erst die Familie, die Gesundheit, das Wetter, der Markt - und erst dann die Politik.“