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Nach Geiseldrama in Hamburg: Wann Fluggäste Anspruch auf Entschädigung haben

Tausende Fluggäste waren vom Samstagabend an von der Geiselnahme auf dem Hamburger Flughafen betroffen, Hunderte Flüge wurden gestrichen.

Tausende Fluggäste waren vom Samstagabend an von der Geiselnahme auf dem Hamburger Flughafen betroffen, Hunderte Flüge wurden gestrichen. Foto: Bodo Marks/dpa

Auch wenn der Flugbetrieb wieder läuft: Vielen Passagieren hat die Geiselnahme am Hamburger Flughafen am Wochenende einen Strich durch ihre Reisepläne gemacht. Können die Fluggäste mit Entschädigung rechnen?

Von dpa Dienstag, 07.11.2023, 11:57 Uhr

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Hamburg. Einen Anspruch auf Schadenersatz nach der EU-Fluggastrechteverordnung haben betroffene Passagiere in diesem Fall nicht, weil „außerordentliche Umstände“ vorgelegen hätten, erklärt der Reiserechtler Paul Degott.

Das bedeutet, dass die gestrichenen oder verspäteten Flüge nicht in die Verantwortung der jeweiligen Airline fallen. Die Fluggesellschaften müssen Degott zufolge nur für Hotelkosten von Fluggästen aufkommen, die zum Zeitpunkt der Geiselnahme schon vor Ort waren und nicht mehr fliegen konnten. Diese Passagiere haben nun weiterhin Anspruch auf Beförderung mit einem späteren Flug. Wenn sich für sie die Reise jedoch wegen der Verzögerung nun nicht mehr lohnt, können sie alternativ auf den Flug verzichten und bekommen den vollständigen Flugpreis von der Airline erstattet, erklärt der Reiserechtler.

Sonderfall Pauschalreise

Es gibt noch einen Sonderfall: Pauschalreisende hätten weitergehende Ansprüche, wenn ihre Reise verspätet startet, führt Paul Degott aus: „Wer zum Beispiel durch den Vorfall zwei Urlaubstage verliert, hat ohne Wenn und Aber einen Minderungsanspruch gegen den Reiseveranstalter für den anteiligen Reisepreis.“ So könnten bei einer einwöchigen Reise zwei Siebtel des Pauschalpreises mindernd geltend gemacht werden.

Es sei egal, ob der Reiseveranstalter etwas dafür kann oder nicht, sagt Reiserechtler Degott: „Entscheidend ist das Soll-Ist-Verhältnis: Was hat der Kunde gebucht? Urlaub ab dem ersten Tag. Was hat er bekommen? Urlaub ab dem dritten Tag.“

Flughafen will jetzt handeln

Als erste Reaktion auf die Geiselnahme will der Hamburger Flughafen die Sicherheit erhöhen. Gleichzeitig hat der Vorfall ein parlamentarisches Nachspiel. Zahlreiche Politiker forderten Aufklärung und stärkere Sicherheitsmaßnahmen - gerade auch, weil es nicht der erste Vorfall am Airport der Hansestadt ist.

Die CDU-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft beantragte eigenen Angaben zufolge, dass die Vorfälle im Innenausschuss behandelt werden. Unterdessen wurden mehr Details über den Täter und den Ablauf des Verbrechens bekannt.

„Wir werden weitere bauliche Maßnahmen umsetzen, um mögliche Zugangspunkte zum Sicherheitsbereich zu verstärken“, versprach Flughafensprecherin Katja Bromm gegenüber der Deutschen Presse-Agentur am Montag. Welche das sein werden, konnte sie zunächst nicht sagen. Es werde „ganz bald feststehen, was genau dort hinkommt“. Bis die baulichen Maßnahmen vollständig umgesetzt seien, werden laut Airport zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen eingeführt.

Bromm erklärte, dass das Sicherheitskonzept des Flughafens laufend analysiert und angepasst werde. Am Sonntag hatte der Flughafen Hamburg betont, keine Versäumnisse bei der Sicherung des Geländes zu sehen. „Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils“, hieß es.

18-stündiger Nervenkrieg um Geiselnahme

Nach der unblutig zu Ende gegangenen Geiselnahme war Kritik am Sicherheitskonzept des Airports laut geworden. Der 35 Jahre alte Geiselnehmer hatte am Nordtor des Flughafens mit einem Mietwagen eine aus mehreren Schranken bestehende Absperrung durchbrochen und war auf das Vorfeld des Flughafens gerast. Er parkte neben einer Maschine der Turkish Airlines. Im Auto saß auch dessen vierjährige Tochter. Nach einem mehr als 18-stündigen Nervenkrieg hatte sich der Mann am Sonntagnachmittag der Polizei ergeben. Am Montag lief wieder Normalbetrieb.

„Nach den vergangenen Störaktionen der Klimakleber, zeigt die Geiselnahme vom Wochenende, dass das aktuelle Sicherheitskonzept des Flughafens nicht ausreichend ist“, so der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Dennis Gladiator. Der Chef der SPD-Regierungsfraktion in der Bürgerschaft, Dirk Kienscherf, betonte: „Jetzt muss geklärt werden, wie es zu dem ernsten Sicherheitsverstoß kommen konnte und welche zusätzlichen Maßnahmen zukünftig ergriffen werden müssen.“

Haftbefehl gegen Buxtehuder erlassen

Die Bundesregierung setzt nach der Geiselnahme auf dem Gelände des Hamburger Flughafens auf eine Aufklärung des Vorfalls durch die örtlichen Behörden. Grundsätzlich seien die deutschen Flughäfen sehr sicher, betonte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

Gegen den Geiselnehmer wurde indes am Montag Haftbefehl erlassen. Demnach ist der 35-Jährige ist dringend verdächtig, sich Zugang zur Wohnung seiner Ex-Frau in Stade verschafft und gewaltsam die dort lebende gemeinsame vierjährige Tochter mit einem Mietwagen verschleppt zu haben. Dabei soll er auch einen Schuss in die Luft abgeben haben. Mit dem entführten Kind soll der Beschuldigte dann am Hamburger Flughafen kurz nach 20 Uhr eine Schrankenanlage durchbrochen haben und mit dem Pkw auf das Vorfeld des Flughafens eingedrungen sein. Nach etwa 18 Stunden ließ sich der Mann von der Polizei festnehmen. (dpa/oer/mkr)

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