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Bremerhaven

TNach Klinik-Aus: Wohin mit den Herzinfarktpatienten? – Betriebsrat in Sorge

Das Ameos-Klinikum Mitte wird ab Mai geschlossen. Entstehen soll ein ambulantes OP-Zentrum.

Das Ameos-Klinikum Mitte wird ab Mai geschlossen. Entstehen soll ein ambulantes OP-Zentrum. Foto: Scheschonka

Wie in der Schwebe fühlen sich die Mitarbeiter im Ameos-Klinikum in Bremerhaven: Die Unsicherheit wiegt schwer. Der Betriebsrat reagiert auf die Kündigungen. Die Lage vor Ort.

Von Denise von der Ahé und Levin Meis Freitag, 02.02.2024, 14:00 Uhr

Bremerhaven. Es war still im Raum, als auf der Mitarbeiterversammlung die Schließung des Ameos-Klinikums Mitte bekannt gegeben wurde. Die Mitarbeiter ließen einfach nur die Köpfe hängen, berichtet Britta Neß, freigestellte Betriebsrätin am Standort Mitte. „Die Mitarbeiter wurden von der Schließung sehr überrascht“, erklärt die gelernte medizinische Fachangestellte am Tag nach der Bekanntgabe durch die regionale Geschäftsführung. Schon in den Stunden vor der Mitarbeiterversammlung waren bereits einige Informationen durchgesickert.

Die Stimmung an der Klinik ist am Donnerstag, 1. Februar, gedrückt. Bei vielen sitzt der Schock tief, sagt Neß. In der Belegschaft herrscht eine allgemeine Unsicherheit. „Hier werden sich gerade viele Fragen gestellt“, so Neß. Viele arbeiten schon seit Jahren an diesem Standort. „Das St. Josef-Hospital ist für viele auch ein Zuhause“, erklärt die Betriebsrätin, die selbst seit 1992 in dem Krankenhausgebäude arbeitet.

Was mit dem Gebäude passiert, wenn ein Operations-Zentrum an die Wiener Straße zieht, bleibt vorerst unklar. Ameos äußert sich am Donnerstag nicht weiter zu der Zukunft des Standorts.

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Betriebsrat will Sozialplan für entlassene Mitarbeiter ausarbeiten

Die Reaktionen der Mitarbeiter auf die Schließung möchte die Ameos-Geschäftsleitung am Tag danach lieber nicht in der Presse lesen. Am Donnerstag wurde in einer Hausmitteilung darüber informiert, dass die Angestellten auf dem Krankenhausgelände nicht mit Medienvertretern sprechen dürfen, berichtet der Betriebsratsvorsitzende Sönke Petersen. „Aus meiner Sicht ist das nicht in Ordnung, damit muss man offen umgehen“, sagt er. Das Haus sei zwar kein öffentlicher Träger, nehme aber trotzdem öffentliche Aufgaben wahr.

Ameos-Betriebsratsvorsitzender Sönke Petersen ist sauer. Den Entscheidungen von Ameos will er mit dem Betriebsrat entschlossen entgegentreten.

Ameos-Betriebsratsvorsitzender Sönke Petersen ist sauer. Den Entscheidungen von Ameos will er mit dem Betriebsrat entschlossen entgegentreten. Foto: Scheschonka

Petersen stimmt den Betriebsrat auf Verhandlungen mit der Ameos-Gruppe ein: „Wir werden das tun, was ein Betriebsrat machen muss. Wir müssen funktionieren.“ Sobald es Informationen dazu gibt, welche Beschäftigten entlassen werden sollen, plant Petersen, einen Sozialplan auszuarbeiten, der die Entlassenen finanziell absichern soll.

Eine Kündigung wird insgesamt bis zu zehn Ärzte treffen. Entlassungen von Pflegefachkräften und Funktionspersonal seien nicht geplant, erklärte Ameos-Krankenhausdirektorin Katja Loesche. Die Fachbereiche Kardiologie, Gefäßchirurgie, Plastische Chirurgie und Nuklearmedizin werden bei Ameos in Bremerhaven ab dem 1. Mai komplett geschlossen.

Die Zukunft der Mitarbeiter anderer Ameos-Gesellschaften am Standort Mitte ist dennoch unklar. Angestellte aus der Küche, des Reinigungsdienstes, der Haustechnik und Logistik bangen um ihre Arbeitsplätze. Anders als die Krankenhausmitarbeiter haben die Angestellten der anderen Ameos-Gesellschaften keine Betriebsräte gewählt, so Petersen.

Mitarbeiter identifizieren sich mit dem Krankenhaus-Standort

Die Unsicherheit schwebt am Donnerstag über den Mitarbeitern. Neß steht den teilweise aufgelösten Mitarbeitern bei. „Alles andere bleibt heute liegen“, sagt sie. Die Fragen bleiben. Was passiert mit den Patienten aus der Nachbarschaft, die zu Fuß in die Klinik kamen? Was wird aus dem Krankenhausgebäude? Die Mieter, das Pflegehotel und die Onkologie-Praxis, sollen nach Informationen der „Nordsee-Zeitung“ bleiben.

„Die Leute sind sehr verzweifelt, weil sie sich sehr mit dem Haus und dem Standort identifizieren“, erklärt Britta Neß. Viele der betroffenen Mitarbeiter wüssten zudem nicht, ob sie den Umzug an das Ameos-Klinikum am Bürgerpark mitmachen möchten.

Ameos schließt Klinik Mitte in Bremerhaven: So geht es weiter

Wer versorgt nach dem angekündigten Ameos-Aus in Mitte alle Herzinfarktpatienten in der Region? Nach Informationen der „Nordsee-Zeitung“ behandelte das Ameos-Klinikum Mitte bislang mehrere Hundert Herzinfarktpatienten pro Jahr, obwohl es keinen Versorgungsauftrag gab. Den hat das Klinikum Reinkenheide. Wenn Ameos die Kardiologie in Mitte Ende April schließt, ist davon auszugehen, dass das städtische Klinikum die Versorgung von Herzpatienten ausbauen muss.

„Zur künftigen Versorgung der bisher bei Ameos behandelten Patientinnen und Patienten prüfen wir eine mögliche Ausweitung der Dienstzeiten in unserer Kardiologie“, kündigte der Sprecher des Klinikums Reinkenheide, Henning Meyer, am Donnerstag an.

Er gehe nicht von einer Verschlechterung der Herzinfarktversorgung aus, so der Gesundheitswissenschaftler der privaten Hochschule Fresenius, Professor Dr. Lars Timm, ehemaliger Krankenhausdirektor der Ameos-Kliniken in Bremerhaven. „Ich kann mir vorstellen, dass das Klinikum Reinkenheide sehr schnell die Kapazitäten aufrüsten und das auch bis Mai gelingen wird“, sagt Timm. „Studien haben belegt, dass Patienten nach einem Herzinfarkt in einem Zentrum mit hohen Fallzahlen eine höhere 30-Tage-Überlebenswahrscheinlichkeit haben.“

Steigt das Risiko im Fall eines Herzinfarktes?

Mit Reinkenheide und dem Ameos-Bürgerpark-Klinikum wird es künftig noch zwei Krankenhäuser im Stadtsüden geben. Steigt das Risiko, im Fall eines Herzinfarktes im Stadtnorden oder in Mitte nicht rechtzeitig in die Klinik zu kommen? „Nein“, sagt Sprecher Stefan Zimdars für den Rettungsdienst der Feuerwehr Bremerhaven. Auch bisher seien Patienten in die Klinik mit den passenden Untersuchungsmöglichkeiten gekommen. „Das Herzkatheterlabor im Klinikum Mitte ist schon längere Zeit nicht im 24-Stunden-Betrieb“, sagt Zimdars. „Die Veränderungen sind nicht tiefgreifend.“

Der Rettungsdienst rechnet auch nicht damit, dass mehr Herzinfarktpatienten nach Bremen gebracht werden müssen. „Wir gehen davon aus, dass das Klinikum Reinkenheide mit seinem Versorgungsauftrag im Bereich der Kardiologie weiterhin sämtlichen Bedarf abdeckt“, so Zimdars.

Notfallversorgung im Bürgerpark

Nicht nur im Fall eines Herzinfarktes, sondern auch für Rettungsdiensteinsätze aus allen anderen Gründen gilt: „Die Fahrtzeiten werden sich nur in wenigen Fällen ändern, da die Kliniken recht nah beieinander liegen“, sagt Zimdars. „Auch jetzt schon ist primär die Aufnahmefähigkeit und weniger die Entfernung für die Zuweisung entscheidend.“

Stadtrat Peter Skusa, Dezernent für die Feuerwehr, betont mit Blick auf den Rettungsdienst: „Ich gehe davon aus, dass die Notaufnahme, die bisher im Klinikum Mitte von Ameos bestand, an den Ameos-Standort Bürgerpark verlagert wird. Alles andere wäre für die Akutversorgung der Menschen in Bremerhaven und Umgebung untragbar.“

Mit dem Klinik-Aus in Mitte fallen dort neben der Kardiologie die Gefäßchirurgie, die Plastische Chirurgie und die Nuklearmedizin weg. Reinkenheide bietet in diesen Bereichen bereits eine Versorgung an, die Gefäßchirurgie wird bislang als Sektion der Allgemeinchirurgie geführt. Konkret wird es jetzt darum gehen, ob Reinkenheide den Versorgungsauftrag für die Gefäßchirurgie übernimmt. Meyer spricht von einem „engen Austausch mit der senatorischen Behörde sowie den Kostenträgern und der Stadt Bremerhaven“. Die Notfallversorgung „müssen wir weiterhin als gemeinsame Aufgabe der beteiligten Träger begreifen, unser Beitrag hierzu bleibt gesichert“, betont Meyer mit Blick auf die Notfallversorgung. Schon jetzt sind die Wartezeiten in den Notaufnahmen lang.

Magistrat: Chance zur Neuorientierung

Der Magistrat sieht das Klinik-Aus in Mitte als „Chance zur Neuorientierung“. Ziel sei es, eine optimale und zukunftsorientierte stationäre Versorgung für die Bürger durch medizinische Spezialisierung und gute pflegerische Leistungen zu verbessern, sagt Gesundheitsdezernentin Andrea Toense (SPD) und kritisiert die Kommunikationspolitik von Ameos als zu spät.

Wenn Ameos das Versorgungsangebot in zentraler Lage reduziere, eröffne das dem Klinikum Reinkenheide die Option, über eigene Einrichtungen nachzudenken, betont Bürgermeister Torsten Neuhoff (CDU), Aufsichtsratschef in Reinkenheide. Bei der Neugestaltung der Innenstadt könne ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) auf dem ehemaligen Karstadt-Gelände oder dem Eulenhof-Grundstück in Betracht gezogen werden. Es sei an der Zeit, über neue Möglichkeiten für eine Stärkung der medizinischen Versorgung nachzudenken. Denkbar sei ein MVZ mit mehreren Standorten. Neuhoff kann sich für die nächste Zeit auch Kooperationen vorstellen, um die kardiologische Versorgung sicherzustellen.

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