TNach dem verheerenden Brand: Trauer um zwei Dollerner Baudenkmale

Dorfchronist Egon Hagenah an der Brandstelle. Foto: Richter
Zwei Reetdachhäuser aus dem 18. Jahrhundert sind nur noch verkohlte Gerippe. Das ist an dieser Stelle in Dollern schon einmal passiert. Ein Blick in die Geschichte.
Dollern. Der Hof mit den drei Häusern, die das Feuer in der Nacht zu Donnerstag zerstört hat, ist beim großen Brand von Dollern schon einmal abgebrannt. Am 8. April 1793 entstand eine Feuersbrunst, die sich schnell ausbreitete und das Dorf bis auf wenige Gebäude komplett zerstörte.
Damals hatte Dollern nur 130 Einwohner. Zwei von ihnen kamen in den Flammen ums Leben, berichtet Dorfchronist Egon Hagenah. „Damals konnten sie ja nur mit Eimerkette löschen“, sagt er. Genug Wasser gab es nur im Bach, und der war zu weit entfernt, um auf diese Weise zu löschen und gegen die Flammen wirklich etwas ausrichten zu können.
Ganz Dollern brennt binnen einer Stunde ab
In den „Hannoverischen Anzeigen“ hieß es damals, dass Dollern binnen einer Stunde abbrannte. Auf genau der Hofstelle, die in der Nacht zu Donnerstag erneut abgebrannt ist, starb damals eine Frau: Gesche Ratjens, Ehefrau von Johan Hinrich Ratjens. So steht es im Sterberegister Bargstedt, denn das 1105 erstmals urkundlich erwähnte Dollern gehörte bis 1852 zur Börde Bargstedt. Der zweite Tote hieß Peter Engelken. Viele Menschen erlitten Brandverletzungen und wurden ärztlich behandelt. Insgesamt sollen damals 39 Häuser abgebrannt sein.
Einer alten Legende nach griff das Feuer damals so schnell um sich, weil alle Männer im Dorf auf den Feldern bei der Ernte waren. Die Geschichte kann nicht stimmen, weil der Große Brand im April war, sagt Hagenah. Doch sie halte sich trotzdem hartnäckig und seit Generationen.
Ritterschaftliche Brandkasse erstattet 100 Taler
Schon damals gab es eine Feuerversicherung: die ritterschaftliche Brandkasse. 10 große Wohnhäuser, 20 Scheunen und 7 Nebengebäude wurden dort gemeldet. Für ein großes Wohnhaus betrug der Versicherungswert in der Regel 100 Reichstaler, für ein Nebengebäude oder eine Scheune waren es 25 Taler. Die erstattete Assecurantzs-Summe für alle Gebäude in Dollern betrug 1425 Reichstaler, denn nicht alle waren versichert.
Danach ging es an den Wiederaufbau. Auf dem Hof, der jetzt erneut abgebrannt ist, entstanden damals die beiden Fachwerkhäuser mit Reetdach als Ersatz für die im Großen Brand verlorenen Gebäude. „Mit Fachleuten von der Universität Hamburg haben wir die Balken der Häuser dendrochronologisch untersucht“, berichtet Hagenah. Das Alter der Gebäude konnte so bestätigt werden.
Der Wiederaufbau des Dorfes vor 232 Jahren
Im großen Haupthaus (Dorfstraße 11), einem Zweiständerhaus aus Fachwerk unter reetgedecktem Halbwalmdach, ist das Feuer in der Nacht zu Donnerstag ausgebrochen. Danach sprang es auf die benachbarte Durchfahrtsscheune über.
Diese Gebäude mit zwei mittigen, großen Toren an beiden Längsseiten wurden so gebaut, damit die Kutschen und Erntewagen nicht wenden mussten, sondern direkt durch das Gebäude fahren konnten, erklärt Hagenah. Inzwischen diente die Durchfahrtsscheune längst nicht mehr als Kutschen-Stellplatz, sondern umgebaut als Wohnhaus für eine fünfköpfige Familie.
Der Eigentümer wohnte zuletzt im dritten Hofgebäude, einem roten Backsteinhaus. Es wurde um 1900 erbaut. „Damals wollte man nicht mehr in Fachwerkhäusern wohnen, sondern in modernen Steinhäusern“, erklärt Hagenah. Auch dieses Gebäude wurde durch das Feuer stark beschädigt.
Welch kulturhistorischer Verlust dieser Brand für die Region ist, zeigt ein Blick in den Denkmalatlas Niedersachsen: Die Anlage gehört zu den großen Hofanlagen, die den Siedlungskern des Wiederaufbaus von Dollern nach dem großen Brand 1793 bilden. „An ihrer Erhaltung besteht wegen des ortsgeschichtlichen, gebäudetypischen, straßen- und ortsbildprägenden Zeugniswerts ein öffentliches Interesse“, heißt es im Datenblatt.
Die Schutz-Inschrift an der Grootdöör
Über der Grootdöör des Haupthauses an der Dorfstraße 11 prangte eine Inschrift, erinnert sich Egon Hagenah. Genau kann er sich nicht an den Spruch erinnern. Auch die Abbildung im Denkmalatlas gibt nicht viel her. Doch die Inschrift wird, so denkt er, ähnlich gewesen sein wie die am Nachbarhaus Auf dem Brink 4: „Gott bewahre dieses Haus vor Krieg und Brand.“ Nebenan hat der Schutz in der Nacht zu Donnerstag gewirkt - und die Feuerwehr, die mit viel Wasser und Mühe verhindern konnte, dass der Brand übersprang.
Zum Nachlesen: Egon Hagenah und Wolfgang Döpke: „Dollern. Die Dorfgeschichte“, Kreissparkasse Stade 2004.

Auch das Wohnhaus des Hofeigentümers ist vom Feuer stark beschädigt. Foto: Richter