TNach überraschender Kündigung: Warum Balu Nordkehdingen verlässt

Nordkehdingens Jugendpfleger Kherim Fatnassi, genannt Balu, vor dem Jugendzentrum, das er mit aufgebaut hat. Foto: Susanne Helfferich
Seit elf Jahren ist Kherim Fatnassi Jugendpfleger in der Samtgemeinde Nordkehdingen. Seine plötzliche Kündigung hat eine Vorgeschichte.
Freiburg. Fatnassi hat das Jugendzentrum mit aufgebaut, hat zahlreiche Kinder und Jugendliche begleitet, ihnen zugehört und sich mit ihnen auseinandergesetzt, sie zum Teil zu Jugendleitern ausgebildet. Jetzt hat der inzwischen fast 45-Jährige wie berichtet zum 30. September gekündigt. Überraschend und doch absehbar.
Kherim Fatnassi, der von allen nur Balu genannt wird, ist mit Herz und Seele Sozialpädagoge. „Mein Wunsch war, den Sozialraum Nordkehdingen nach vorne zu bringen, damit sich die Situation für alle Menschen verbessert“, sagt er. Dafür hat er nie ein Blatt vor den Mund genommen und stets benannt, was er für gute Jugendarbeit benötigt. Nicht immer kam das gut an.
Forderungskatalog im Fachausschuss
So zuletzt im Januar im Schul- und Sozialausschuss der Samtgemeinde Nordkehdingen. Da beantragte der Jugendpfleger unter anderem eine zusätzliche Vollzeitstelle, eine Ausbildungsstelle, eine halbe Verwaltungsstelle, ein Dienstfahrzeug und Haushaltsmittel für Ehrenamtliche. In der anschließenden Diskussion stellte er klar, dass seine Forderungen die Idealsituation beschrieben, verwies aber auch darauf, dass seine Überstunden die Notwendigkeit belegten.
Unterrichtsversorgung
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Es waren keine neuen Forderungen. Seit 2019 berichtete Fatnassi regelmäßig dem Ausschuss, dass er an seine Grenzen komme, wenn er alle Jugendlichen in der großflächigen Samtgemeinde erreichen wolle.
Auch wies er auf die Notwendigkeit hin, ihm eine weibliche Fachkraft an die Seite zu stellen, forderte eine weitere Stelle ein, um die Strukturen aufrechterhalten zu können. Dazu muss man wissen, dass Fatnassi nicht nur Jugendpfleger in Nordkehdingen ist, sondern auch Schulsozialarbeit leistet. Mit der Hälfte seiner Arbeitszeit unterstützt er - als freiwillige Leistung der Samtgemeinde - die Schulen, insbesondere die Nils-Holgersson-Grundschule in Wischhafen.
Jugendpfleger und Schulsozialarbeiter in einem
„Worauf ich immer wieder hingewiesen habe, ist, dass ich irgendwann zu alt bin für das operative Geschäft“, erklärt Fatnassi. Wichtig ist, dass da junge Leute nachkommen, die sich wesentlich besser in die Lebenswelt der jungen Menschen eindenken können. Die damit umgehen können, wenn über Energiedrinks, Lachgaskonsum und Kiffen gesprochen wird. Da kann ich aus meiner Fachlichkeit mit den Jugendlichen sprechen, aber das ändert ja nichts daran, dass ich in deren Augen ein alter Mann bin.“ Vor zehn Jahren sei das noch anders gewesen.
Der Antrag im Januar wurde zunächst abgelehnt, stattdessen sollte der Jugendpfleger eine Arbeitsplatzbeschreibung erstellen, da seine Arbeit wenig greifbar sei. Kherim Fatnassi stellt im TAGEBLATT-Gespräch klar, dass seine jetzt ausgesprochene Kündigung keine Reaktion auf den Umgang mit seinem Antrag im Januar sei. „Ausschlaggebend war, dass die Vorstellungen von vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen der Verwaltung und mir zuletzt auseinandergingen“, sagt er, ohne weiter auszuführen, was dahintersteckt. Auch Fachbereichsleiter Frank Griemsmann will sich dazu nicht äußern.
Jetzt sollen zwei Stellen ausgeschrieben werden
Die Kündigung und Fatnassis Beweggründe waren während der jüngsten Fachausschusssitzung am Donnerstagabend kein Thema. Wohl aber die Neubesetzung der Stelle. Kurioserweise sollen jetzt auf Anregung von Ratsherr Malte Bösch (CDU) zwei Stellen ausgeschrieben werden, was Kherim Fatnassi immer forderte. Zumindest empfahl das der Schul- und Sozialausschuss mehrheitlich bei einer Enthaltung und einer Nein-Stimme dem Verwaltungsausschuss. Die Notwendigkeit einer besseren personellen Ausstattung wird offensichtlich in Teilen der Politik erkannt.
Zu spät für Balu. Auch wenn der Zwist mit der Verwaltung Auslöser der Kündigung war, hätten die seit Jahren vermeintlich ungehörten Forderungen die Entscheidung begünstigt. „Wenn ich das Gefühl gehabt hätte, hier sind mehrere von politischer Seite heiß darauf, die Situation zu rocken, hätte ich nicht gekündigt“, sagt Fatnassi.
„Es ist nicht leicht für mich, zu gehen, nachdem ich elf Jahre meine besten Arbeitsjahre hier gelassen habe.“ Er habe unglaublich viele Menschen kennengelernt, Jugendliche zu Jugendleitern ausgebildet, „dann sagt man nicht einfach so: Ich gehe“. Ein Trost für die Jugendlichen: Balu verlässt erst nach dem Ferienspaß Nordkehdingen.