TNeue Vorwürfe: Urteil gegen „Schummelärztin“ überraschend verschoben

Auf kritische Nachfragen der Richterin und des Staatsanwalts antwortete die 23-Jährige ausweichend. Foto: Friso Gentsch/dpa
Eigentlich hätte der Prozess um die „falsche Ärztin“ aus dem Krankenhaus Debstedt am Freitag beendet werden sollen. Nun gibt es weitere Zweifel.
Osnabrück/Debstedt. Zur Erinnerung: Die heute 23 Jahre alte Frau aus Hagen im Cuxland hatte sich 2022 mit Hilfe einer gefälschten Approbationsurkunde jeweils eine Anstellung als Ärztin in den Ameos-Kliniken in Debstedt bei Bremerhaven und im Ludmillenstift in Meppen verschafft.
Nach langer Ermittlung verhandelt nun die Große Strafkammer des Landgerichts Osnabrück ihren Fall. Angeklagt ist sie wegen mehrfachen Betruges (sie hatte ja als angebliche Ärztin Gehalt von beiden Kliniken bezogen) und wegen Körperverletzung - sie hatte in Meppen sieben Patienten behandelt und bei ihnen Wunden genäht.
Angeklagte gibt Fälschung der Approbation zu
Gleich zu Beginn des Prozesses hatte die Angeklagte zugegeben: „Das war alles so.“ Sie wolle reinen Tisch machen und habe die Arbeitserlaubnis gefälscht. Im Laufe des Prozesses gewann die Staatsanwaltschaft aber ganz offensichtlich Zweifel, ob nur die Approbationsurkunde gefälscht war.
Denn an den ersten beiden Prozesstagen hatte sich die Angeklagte zum Teil widersprüchlich geäußert - zumindest was frühere Aussagen gegenüber der Polizei anging. Auch hatte sie dem Gericht nicht ihre tatsächliche Wohnadresse gemeldet, ihren Ex-Freund nach dessen Aussage zu Unrecht belastet und auf Fragen zum Teil etwas unscharf geantwortet. Und sie hatte berichtet, dass sie inzwischen Medizin studiere.
Psychologisches Gutachten unter Ausschluss der Öffentlichkeit
Der dritte Prozesstag hatte dann weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden, weil ein psychologisches Gutachten über die Angeklagte vorgestellt wurde. Ihr Anwalt, der sich kaum mit Fragen oder Ausführungen zu Wort meldet, hatte beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen.
Nun also sollte eigentlich am vierten Prozesstag schon das Urteil gesprochen werden, es wurden aber noch nicht mal die Plädoyers gehalten. Vielmehr befragten die Vorsitzende Richterin und der Staatsanwalt die Angeklagte zu ihrer Schulbildung in den USA. Dort hatte sie einen Großteil ihrer Schulzeit verbracht.
„Falsche Ärztin“ antwortet ausweichend auf kritische Nachfragen
Ihre in Deutschland vorgelegten Zeugnisse wiesen fast ausschließlich Bestnoten aus - im US-System ist das ein A statt wie bei uns eine 1. Eigentlich hatte die Angeklagte bei der Polizei ausgesagt, sie habe in den USA „nur“ die mittlere Reife erlangt, nun verfügte sie aber über ein Diplom einer Highschool, das man wohl kaum besser hinbekommen könnte.
Auf kritische Nachfragen der Richterin und des Staatsanwalts antwortete die Angeklagte ausweichend - aber im Gegensatz zum ersten Prozesstag, an dem sie viel geweint hatte, selbstbewusst. Sie habe eine für eine Hochschulberechtigung notwendige weitere Prüfung 2019 schriftlich zu Hause in Deutschland absolviert. Am Küchentisch. Ihre Eltern hätten schriftlich bestätigen müssen, dass sie das allein geschafft habe. Andere Prüfungen habe sie online absolviert - manche mit ihren „Eltern im Hintergrund“, weil sie nicht so gut in Mathematik gewesen sei („Mathe war immer mein Endgegner“).
Widersprüchliche Aussagen der Angeklagten im Prozess
Der Staatsanwalt nannte die Schilderungen der Angeklagten „abenteuerlich“. Eine auf dem Diplom angegebene Nummer führe ihn zu einer ganz anderen Person als der Angeklagten. „Kommen Sie doch endlich zur Wahrheit.“ Weil die Angeklagte aber hartnäckig bei ihrer Schilderung blieb, soll nun die Highschool in den USA kontaktiert werden, um die Zeugnisse zu überprüfen.
Überprüft werden soll auch noch ein Sprachtest, den die Angeklagte 2023 beim Goethe-Institut in Bremen absolviert haben will. Angeblich musste sie ihre Sprachkenntnisse nachweisen, weil sie Medizin studieren wollte und in der Schule in den USA Deutsch nicht als Schulfach gehabt hatte.
Den Sprachtest hatte sie im zweiten Anlauf mit ausreichend bestanden. Er ließ sich aber online nicht als echt verifizieren. Eigentlich ist das anhand der Angaben auf dem Zertifikat möglich. Die Richterin scheiterte aber mehrfach - und hatte den Verdacht, dass auch dieses Zertifikat nicht echt sei.
Echtheit des Sprachtests soll beim Goethe-Institut geklärt werden
Dem widersprach die Angeklagte aber vehement. Sie habe den Test bezahlt, absolviert und persönlich abgeholt. Auf ihrem Smartphone hatte sie noch die seinerzeit nach ihrer Darstellung zugeschickten Prüfungsergebnisse und zeigte sie dem Gericht. Die Frage der Echtheit des Sprachtests soll nun direkt beim Goethe-Institut geklärt werden.
Der Prozess wird damit um mindestens einen Verhandlungstag verlängert. Ob dann schon die notwendigen Überprüfungen erfolgt sind (Stichwort Amtshilfeersuchen in den USA) und ob weitere Zeugen geladen werden, steht noch nicht fest. Deshalb ist auch unklar, ob dann schon Plädoyers und Urteil zu erwarten sind. (noz/axt)

Die „falsche Ärztin“ aus Hagen arbeitete ab Mai 2022 vier Monate lang im Ameos-Klinikum Seepark Geestland. Foto: Arnd Hartmann