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Wirtschaft

TNeuer Verbandschef in Stade: Das nervt die Arbeitgeber

Manfred v. Gizycki: „Bürokratie kostet Geld.“

Manfred v. Gizycki: „Bürokratie kostet Geld.“ Foto: Arbeitgeberverband

Er ist der neue, die Probleme sind die alten: Manfred v. Gizycki ist seit Jahresbeginn der Chef des Arbeitgeberverbandes Stade. Er tritt den Job in nicht einfachen Zeiten an.

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Von Lars Strüning
Mittwoch, 05.02.2025, 11:20 Uhr

Stade. Wenn sich Unternehmen in schwerer See befinden, will der Arbeitgeberverband Stade Elbe-Weser-Dreieck der sichere Hafen sein. So skizziert v. Gizycki seinen Auftrag. Zurzeit weht stürmischer Wind von vielen Seiten, da Kurs zu halten, fällt vielen Betriebsleitern schwer. v. Gizycki als Nachfolger von Thomas Falk ist ein Mann der moderaten Töne, doch derzeit gibt es viele Kritikpunkte, bei denen er - gerade auch vor der Bundestagswahl - Klartext redet.

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Erster Kritikpunkt: Die überbordende Bürokratie

Unternehmer müssten immer mehr Vorschriften beachten. Ständig kämen neue Regeln, ob von Land, Bund oder EU. Ärzte schieben Wochenenddienste im Büro, um den Papierkram zu erledigen, große Betriebe müssten extra Abteilungen einrichten, um die Vorgaben abzuarbeiten. v. Gizycki: „Die Bürokratie kostet Geld, das Wirtschaften wird immer teurer.“ Allein die Arbeitsverträge seien durch das geänderte Nachweisgesetz von drei auf zehn Seiten gewachsen - verschärft mit Bußgeldern bei Nichtausfüllen. v. Gizycki stöhnt: „Da wird an alle Eventualitäten gedacht.“

Zweiter Kritikpunkt: Der steigende Mindestlohn

Der Mindestlohn ist gerade auf 12,82 Euro pro Stunde gestiegen. SPD oder Linke wollen ihn weiter anheben, versprechen das im Wahlkampf ihrer Klientel. v. Gizycki spricht von einem Überbietungswettbewerb unter den Parteien und von einem Eingriff in die Tarifautonomie. „Wir schwächen damit die Gewerkschaften und belasten die Unternehmen.“ Alles in allem also keine gute Idee, sagt der Chef-Lobbyist der Arbeitgeber.

Dritter Kritikpunkt: Der Fachkräftemangel

Personalmangel ist ein vielschichtiges Thema. Da geht v. Gisycki auch mit seinen Leuten ins Gericht. Er sieht, dass immer wieder in kleinen Firmen gut ausgebildete Kräfte zu großen Unternehmen wie Airbus oder Dow wechseln. Geregelte Arbeitszeiten und Schichtzulagen locken. „Kümmert euch ums Personal“, ruft der Chef der Arbeitgeber seinen Mitgliedern zu, „schafft Wohlfühlatmosphäre, bietet Perspektiven, flexible Arbeitszeiten, redet mit euren Leuen über deren Wünsche.“ Das alles hat selbstredend Grenzen.

Zum Beispiel die Vier-Tage-Woche. Bei dem Thema rümpft v. Gizycki die Nase. Er redet lieber von einem Wochenbudget bei der Arbeitszeit, also über eine Flexibilisierung, wenn die Mitarbeitenden damit einverstanden sind.

Vierter Kritikpunkt: Der hohe Krankenstand

Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, gerade an den ersten drei Tagen ohne Krankschreibung, sei ein großes Thema unter den Arbeitgebern. Bundesweit summiere sich der Anteil der Arbeitgeber für die Lohnfortzahlung auf 76 Milliarden Euro. v. Gizycki liebäugelt eher mit der Pflicht zur Krankschreibung ab dem ersten Tag, als mit der Einführung von Karenztagen, oder auch mit Gesundheitsprämien, für die, die nicht krank werden.. Interessant findet er das italienische Modell, wo Angestellte im Krankheitsfall mit einem Kontrollbesuch vom medizinischen Dienst rechnen müssen.

Fünfter Kritikpunkt: Die wirtschaftliche Lage

„Die Sorgenfalten werden größer“, sagt Manfred v. Gizycki. Die Krise sei tiefgreifend, die Stimmung schlecht. Produktion ins Ausland zu verlegen, werde auch bei den 420 Mitgliedsbetrieben des Arbeitgeberverbandes Stade immer öfter ins Auge gefasst. Sein Gebiet umfasst das Elbe-Weser-Dreieck. Das Ampel-Aus hat v. Gizycki als gute Nachricht aufgenommen. Rot-gelb-grün sei ein zerstrittener Haufen gewesen, der Deutschland nicht mehr voranbrachte. Was schnell helfen könnte, gerade in der Region: Den Industriestrompreis senken, indem die Durchleitungskosten reduziert werden.

Das sind die Pluspunkte im deutschen System

Manfred v. Gizycki schätzt das demokratische System sehr. Die Wirtschaft zu stärken, hieße auch, das System zu stärken. In der Elbe-Weser-Region schlummere viel Potenzial. v. Gizycki setzt wie viele andere auch auf die Entwicklung von grünem Wasserstoff. Zudem hat die Region viel „Weltklasse um die Ecke“ wie zum Beispiel die Hatecke-Werft auf Krautsand mit ihren Rettungsbooten. Stade mit seiner Chemie-Industrie, dem Seehafen und dem LNG-Terminal besitze Sogwirkung.

Ein großer deutscher Pluspunkt sei die Ausbildung: „Wenn Deutschland eins kann, dann das“, sagt v. Gizycki. Das duale System von praktischer Lehre im Betrieb in Verbindung mit Berufsschule werde weltweit beneidet. Bildung sei der deutsche Rohstoff.

Das neue Logo des Arbeitgeberverbandes.

Das neue Logo des Arbeitgeberverbandes. Foto: Arbeitgeberverband

v. Gizycki guckt aber auch in den eigenen Laden. Sein Verband, als eingetragener Verein organisiert, berät seine Mitglieder vor allem in Fragen des Arbeitsrechts.Als Hauptgeschäftsführer ist er Fachanwalt fürs Arbeitsrecht. Fort- und Ausbildungen sind ein weiterer Bestandteil seiner Arbeit und das der neun Kollegen. Damit sie ihren Aufgaben noch besser gerecht werden können, setzt der neue Chef auf mehr Flexibilität und auf Digitalisierung. Davon seien nicht alle begeistert, sagt v. Gizycki mit einem Schmunzeln, aber für seinen Verband gilt wie für alle Betriebe: „Wer nicht mit der Zeit geht, wird mit der Zeit abgehängt.“

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