TNicola Winter will ins All fliegen: „Dieser Traum ist greifbar nah“

Nicola Winter hat große Ziele und besucht kommende Woche das Scheeßeler Wirtschaftsforum. Foto: Richter/Kreiszeitung
Sie ist Kampfpilotin und Krisenmanagerin. Sie hat schon viel erlebt, immer wieder das Abenteuer gesucht und sich von Herausforderungen angezogen gefühlt. Jetzt will Nicola Winter ganz hoch hinaus. Sie will ins All.
Scheeßel. Das Mittelstandsforum in Scheeßel wird einmal jährlich veranstaltet. Torsten Meyer, Geschäftsführer der Autohaus Holst GmbH, und Rainer Bassen, Marketing-Experte bei der Sparkasse Scheeßel, sind die Organisatoren der Veranstaltung, die sich an einen geschlossenen Teilnehmerkreis wendet. Dieser besteht aus Vertretern der regionalen Wirtschaft, denen die beiden Unternehmen eine Plattform zur Vernetzung bieten wollen. In diesem Jahr ist Nicola Winter zu Gast. Die Pilotin, Keynote-Speakerin, Ingenieurin und Hochschul-Dozentin für Notfall- und Krisenmanagement blickt auf eine außergewöhnliche Vita. Im Interview berichtet sie über ihre Motivation und ihre weiteren Ziele.
Frau Winter, Sie haben gerade Ihr erstes Buch herausgebracht – was hat Sie motiviert, ein Buch zu schreiben?
Die Motivation kommt aus meiner Leidenschaft für das, was ich tue - und aus dem Wunsch, meine Erfahrungen und mein Wissen weiterzugeben. In meiner Karriere als Kampfpilotin und auch als Krisenmanagerin habe ich viele Dinge erlebt, die Menschen in herausfordernden Situationen helfen können. Besonders faszinieren mich Themen wie schnelle Entscheidungsfindung und Krisenkompetenz, Teamfähigkeit und Resilienz, und ich wollte zeigen, dass diese Prinzipien nicht nur in der Luftfahrt, sondern auch im Alltag und in der Arbeitswelt eine große Rolle spielen. Außerdem wollte ich diese Erkenntnisse nicht nur an Führungskräfte und große Unternehmen weitergeben, sondern an alle, die davon profitieren können. Viele Gespräche nach meinen Vorträgen haben mich inspiriert und mir gezeigt, dass ein großes Interesse an diesen Themen besteht.
Sie blicken schon jetzt auf eine mehr als ungewöhnliche Biografie zurück, wie kommt das?
Ich glaube, es liegt daran, dass ich schon immer das Abenteuer gesucht habe und mich von Herausforderungen angezogen fühle. Ich wollte nie den klassischen Weg gehen, sondern meinen eigenen. Als eine der ersten Frauen in einem Kampfflugzeug der Bundeswehr war es mir wichtig, mich nicht von traditionellen Rollenbildern einschränken zu lassen.
Gleichzeitig habe ich immer wieder neue Horizonte gesucht - ob als Hubschrauberpilotin, im Krisenmanagement oder jetzt als Autorin. Jede dieser Stationen hat mir geholfen, über mich hinauszuwachsen und neue Fähigkeiten zu entwickeln. Das war nie geplant, aber immer gewollt.
Was verbinden Sie mit Scheeßel, dem Landkreis Rotenburg? Waren Sie vielleicht schon mal auf dem Hurricane?
Um ehrlich zu sein, war ich erst ein paar Mal in Scheeßel, aber ich finde es wunderschön hier - vor allem die Wassermühle an der Fintau hat es mir angetan. Sie strahlt so viel Ruhe aus und zeigt, wie idyllisch die Gegend ist. Auf dem Hurricane war ich allerdings noch nie, obwohl das sicher ein spannendes Erlebnis wäre. Aber die Atmosphäre hier und die Verbundenheit mit der Region schätze ich sehr, auch wenn ich beruflich viel unterwegs bin.
Sie haben bereits Pilotinnen und Piloten ausgebildet, ist es ein Unterschied, ob man Männer oder Frauen ausbildet?
Das Geschlecht ist in der Pilotenausbildung nicht entscheidend. Wichtiger sind die Fähigkeiten, die Motivation und die Einstellung, die jemand mitbringt. Allerdings gibt es manchmal Unterschiede in der Art und Weise, wie verschiedene Persönlichkeiten mit Herausforderungen oder Stress umgehen. Diese individuellen Unterschiede sind jedoch nicht geschlechtsspezifisch, sondern eher persönlichkeitsbedingt. Was zählt, ist die Bereitschaft, sich ständig weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen - und die findet man bei Männern genauso wie bei Frauen.
Sie gelten als Krisenexpertin, warum?
Meine Expertise im Krisenmanagement basiert auf jahrelanger praktischer Erfahrung in anspruchsvollen und sicherheitskritischen Umgebungen - sowohl in der Luftfahrt als auch im Management. Als Jetpilotin musste ich oft unter extremem Druck präzise Entscheidungen treffen, bei denen es um Sekunden ging. Hinzu kommt meine intensive Auseinandersetzung mit systematischen Ansätzen wie Crew Resource Management (CRM) und Fehlerkultur, die entscheidend sind, um auch in Krisensituationen strukturiert, sicher und effizient zu handeln. Diese Kombination aus operativer Erfahrung und theoretischem Know-how ist entscheidend, um in Krisensituationen sicher und effektiv handeln zu können.
Warum wollen Sie Rettungshubschrauberpilotin werden?
Das Retten von Menschenleben und das Fliegen sind meine größten Leidenschaften. Schon während meiner Zeit im Rettungsdienst habe ich gemerkt, wie sehr es mich erfüllt, Menschen in Notsituationen zu helfen. Jetzt kann ich diese Erfahrung mit meiner Faszination für die Fliegerei verbinden. Als Rettungshubschrauberpilotin habe ich die einzigartige Möglichkeit, beide Leidenschaften zu vereinen - Leben zu retten und gleichzeitig die Herausforderung und Präzision des Fliegens auszuleben.
Jet- und Hubschrauberfliegen sind zwei sehr unterschiedliche Arten des Fliegens, die jeweils ihre eigenen Herausforderungen und Fähigkeiten erfordern. Gerade diese Vielseitigkeit macht es für mich besonders spannend. Als Rettungshubschrauberpilotin kann ich mein fliegerisches Können sinnvoll einsetzen.
Sie selbst sind Mutter einer Tochter, Seglerin, Langstrecken-Fahrradfahrerin - sprich, Sie haben neben Ihren beruflichen Zielen auch private Interessen - fällt es Ihnen leicht, diese Ansprüche an sich selbst zu realisieren?
Ich habe zwar viele private Interessen wie Segeln und Langstreckenradfahren, aber im Moment besteht mein Sport eher darin, meiner Tochter hinterherzulaufen - und das macht mir sehr viel Spaß. Es ist nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen, aber das ist für mich nicht das Wichtigste. Wenn es die Zeit erlaubt, genieße ich diese Aktivitäten, aber das Wichtigste ist, flexibel zu bleiben und den Moment zu genießen.
Auf Ihren Internetseiten schreiben Sie, Ihr derzeitiges Ziel sei einmal Weltall und zurück - was genau meinen Sie mit dem Satz, wie und wann wollen Sie Ihr Vorhaben realisieren?
Mit ‚Ins All und wieder zurück‘ meine ich einen meiner großen Träume, einmal als Astronautin ins All zu fliegen und sicher zurückzukehren. Seit meiner Ernennung zur Reserve-Astronautin der ESA ist dieser Traum in greifbare Nähe gerückt, auch wenn die Entscheidung, ob und wann ein Flug ins All möglich ist, leider nicht in meiner Hand liegt. Die Raumfahrt ist ein komplexes Gebiet, bei dem viele Faktoren eine Rolle spielen. Es ist ein langfristiges Ziel, das Geduld und Ausdauer erfordert.
Was versprechen Sie sich persönlich von diesem Abenteuer?
Ein Flug ins All wäre für mich die Erfüllung eines lang gehegten Traums. Dabei geht es nicht nur darum, die Erde von oben zu sehen - auch wenn das sicher atemberaubend ist -, sondern auch darum, die Grenzen des Machbaren auszuloten und aktiv zur wissenschaftlichen Forschung beizutragen. Die Möglichkeit, unter den einzigartigen Bedingungen der Schwerelosigkeit Experimente durchzuführen und neue Erkenntnisse zu gewinnen, fasziniert mich besonders. Ich verspreche mir davon eine tiefgreifende Erfahrung, die nicht nur meine persönliche Sicht auf das Leben und unseren Planeten verändert, sondern auch wissenschaftliche Fortschritte ermöglicht.
Sie sind in der Raumfahrtforschung, als Dozentin für Notfall- und Krisenmanagement an der Carl Remigius Hochschule, als Keynote-Speakerin und Krisenberaterin tätig. Zusätzlich promovieren Sie, machen Ihren Flugschein zur Berufshubschrauberpilotin und arbeiten weiter an der Umsetzung Ihres Traums - wie bekommen Sie alle diese Träume unter einen Hut?
Es klingt vielleicht nach viel, aber der Schlüssel liegt für mich in einer guten Organisation und vor allem in der Leidenschaft für das, was ich tue. Jede dieser Tätigkeiten erfüllt mich auf eine andere Weise, und sie ergänzen sich oft auch inhaltlich. Krisenmanagement, Fliegerei und Raumfahrt haben viele Überschneidungen, die es mir ermöglichen, in allen Bereichen voneinander zu lernen. Natürlich muss ich Prioritäten setzen und immer wieder neu abwägen, was gerade im Vordergrund steht. Eine große Unterstützung dabei sind meine Familie und Freunde, die mir den Rücken freihalten und mich immer wieder motivieren. Wenn man für seine Ziele brennt und gleichzeitig auf ein starkes Netzwerk zurückgreifen kann, findet man die Energie und den Fokus, um alles unter einen Hut zu bekommen. Dazu gehört auch, sich Pausen zu gönnen und flexibel zu bleiben. (rk)
Bitte ergänzen Sie...