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TNordsee-Urlaub: Warum an der Küste gerade viel passiert

Von Döse bis Sahlenburg: Die Cuxhavener Sandstrände sind sowohl bei Urlaubern als auch Tagesgästen sehr beliebt.

Von Döse bis Sahlenburg: Die Cuxhavener Sandstrände sind sowohl bei Urlaubern als auch Tagesgästen sehr beliebt. Foto: Scheschonka

Trotz düsterer Prognosen im Nordsee Tourismus Report sehen Touristiker vor Ort neue Chancen für die Branche. So ist die Lage im Stader Nachbarkreis.

Von Heike Leuschner Samstag, 15.11.2025, 17:00 Uhr

Landkreis Cuxhaven. Herr Schiefelbein, laut Nordsee Tourismus Report ist das Urlauberpotenzial an der Nordseeküste von 2022 bis 2025 um 13,2 Prozent gesunken. Für 2026 werden weitere Rückgänge prognostiziert. Machen Sie sich Sorgen?

Ich mache mir nicht die Sorgen, die im Report formuliert sind. Im Gegenteil: Es passiert ganz viel an der Küste. Die Entwicklungen zeigen, dass wir sogar ein großes Potenzial haben aufgrund des Klimawandels. Wir haben in diesem Jahr mit unserer Marketingkampagne „Coolcation“ erfolgreich im Süden der Republik geworben. Aber auch auf Messen in Zürich oder Wien, zwei wichtigen Märkten für uns, schlummert ein großes Potenzial, aus dem wir schöpfen können. Viele Schweizer und Österreicher haben Lust auf Nordsee.

Mario Schiefelbein ist Geschäftsführer der TANO Tourismus-Agentur Nordsee GmbH.

Mario Schiefelbein ist Geschäftsführer der TANO Tourismus-Agentur Nordsee GmbH. Foto: TANO Tourismus-Agentur Nordsee

In Cuxhaven und Wurster Nordseeküste (Kreis Cuxhaven) ist die Zahl der Übernachtungsgäste im bisherigen Jahrsverlauf gestiegen. Auch Ihre Organisation, die TANO berichtet für das erste Halbjahr 2025, dass die Urlauberzahlen für das erste Halbjahr 2025 den Vorjahreszeitraum deutlich überstiegen haben. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch zu den Aussagen im Nordsee Tourismus Report?

Schwer zu sagen. Wenn vor drei Jahren schon ein rückläufiger Trend prognostiziert wurde und wir das mit unseren Zahlen widerlegen können, sind die entsprechenden Aussagen nicht nachvollziehbar. Wir haben das Ohr ja auch am Gast. Die Kollegen in den Orten und auf den Inseln sind ganz nah dran und erfahren hautnah, wie die Gemütslage vor Ort ist – bei Urlaubern, Gastgebern und Gastronomen. Das ist für mich wichtiger als dieser Report. Eine Aussage im aktuellen Nordsee Tourismus Report kann aber auch ich nur unterstreichen: Die Region Nordsee hat dann gute Chancen für die Zukunft, wenn bewusst auf Qualität statt Quantität gesetzt wird.

Ist das an der Küste noch nicht angekommen?

Doch, auf jeden Fall. Touristiker, Gastgeber und Gastronomie sind sehr interessiert, nicht nur den Status quo zu halten, sondern die Qualität zu verbessern. Es gibt viele aktuelle Hotelprojekte – beispielsweise in Cuxhaven und Bremerhaven, aber auch in Carolinensiel oder auf den Ostfriesischen Inseln. Zudem wird aufgrund der Neuansiedlungen vermehrt in Bestandsimmobilien investiert. Uns geht es am Ende des Tages aber nicht nur darum, mehr Gäste an die Nordsee zu holen, sondern die Wertschöpfung zu steigern.

Südwestlich von Cuxhaven erstreckt sich die Wurster Küste, die sich mit ihren Grünstränden deutlich von dem großen Nordseeheilbad unterscheidet. Wie in Cuxhaven gehört auch hier der Tourismus zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen.

Südwestlich von Cuxhaven erstreckt sich die Wurster Küste, die sich mit ihren Grünstränden deutlich von dem großen Nordseeheilbad unterscheidet. Wie in Cuxhaven gehört auch hier der Tourismus zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Foto: Arnd Hartmann

Was heißt das?

Es könnten auch weniger Gäste sein, wenn trotzdem ein wirtschaftlicher Mehrwert geschaffen wird. Das ist ein anderer Ansatz, als ausschließlich auf die Urlauberstatistik zu schauen und Schwankungen nach oben oder unten zu registrieren.

An der Wurster Küste hört man von Vermieterseite immer wieder, dass die Urlauber dort preissensibel sind und in andere Regionen abwandern würden, wenn Kosten steigen. Wie passt das mit dem Wunsch nach mehr Qualität zusammen?

Anbieter konnten an der Nordsee immer schon alle Zielgruppen bedienen – von preisbewussten Urlaubern bis zu denen, die sich Exklusivität wünschen. Aber auch preisbewusste Urlauber und gerade die Jüngeren akzeptieren es nicht, wenn Ferienwohnungen zwar sehr preiswert sind, man sich dort aber nicht aufhalten mag. Und: Was heute fast jeder Gast verlangt, sind die Online-Buchbarkeit und weitere digitale Services. Auch das gehört zur Qualität und macht Unterkünfte nicht unbedingt teurer.

Sie sprachen neue Hotelprojekte an der niedersächsischen Küste an. Geht der Trend weg von Ferienwohnungen?

Das sehe ich nicht. Zumindest sind Kochgelegenheiten in den Ferienunterkünften sehr nachgefragt. Das liegt daran, dass die Gastronomie sehr teuer geworden ist. Zum Teil gibt es in den Urlaubsorten auch nur noch ein eingeschränktes gastronomisches Angebot. Viele Gäste möchten sich etwas in der Ferienwohnung zubereiten oder in der Kitchenette im Hotelzimmer.

Der Nordsee Tourismusreport besagt auch, dass die Nordseeküste Gäste aus Süddeutschland verliert. Als Knackpunkte gelten laut Nordsee Tourismus Report die weite Anreise und der Wunsch nach umweltfreundlichen und nachhaltigen Angeboten – auch in Sachen Mobilität. Beobachten Sie das auch und wie gut sind Sie mit den Entscheidern der Bahn und ÖPNV-Anbietern vernetzt?

Die Mobilität ist ein wunder Punkt. Neun von zehn Gästen reisen mit dem Auto an, weil es gar nicht anders möglich ist. Aktuell gibt es auf der ostfriesischen Halbinsel große Anstrengungen, eine Marschrichtung für einen Masterplan Mobilität zu entwickeln. Wir haben tatsächlich das Manko, dass man mit dem Zug nicht gut bis zur Küste kommt. Hier können wir als Touristiker nur gemeinsam, etwa mit dem Fahrgastverband Pro Bahn, Lobbyarbeit leisten. Die Mühlen mahlen da aber sehr langsam, man spricht in einem Zeithorizont von Jahrzehnten, bis sich da etwas ändert. So lange können wir nicht warten. Mobilität schließt aber alle Verkehrsmittel ein. Ich bin davon überzeugt, dass das autonome Fahren die Mobilität schon bald grundlegend verändern wird. Zum Beispiel werden dann Busse 24/7 auf Abruf fahren.

Und wie groß ist die Sorge um Gäste aus Süddeutschland?

Wenn der Report behauptet, aus Süddeutschland gibt es weniger Zuspruch, verweise ich darauf, dass die meisten Gäste seit jeher aus Nordrhein-Westfalen kommen. Ich sehe auch nicht, dass niemand mehr aus dem Süden an die Nordsee fahren will. Im Gegenteil: Wir beobachten in Süddeutschland sowie der Schweiz und Österreich eher zusätzliches Potenzial.

Worauf führen Sie das Interesse aus den Alpenländern zurück, für die der Weg nach Italien ja auch nicht weiter ist als bis zur Nordsee?

Nehmen wir Cuxhaven als Beispiel. Da braucht es nur einen Wasserturm, der von einem Schweizer Paar ausgebaut und worüber ständig in den Medien in der Schweiz berichtet wurde. Und jetzt kommen mehr Schweizer denn je, die nicht nur in Cuxhaven sind, sondern die gesamte Küste entlangfahren. Die Schweiz ist zu einem sehr wichtigen Quellmarkt für die gesamte Küste geworden. Die Schweizer haben auch die finanziellen Mittel, um hier länger Urlaub zu machen.

Die Hauptsaison an der Nordsee, das sagen viele, läuft gut. Wie schätzen Sie das Potenzial für die Nebensaison ein?

Das ist ein Riesenmarkt für uns und darauf setzen wir. Mit unserem Marketing sprechen wir Urlauber an, die auch mal die raue Nordsee erleben wollen. Es geht hier also um eine ganz andere Zielgruppe als im Sommer. Auch dafür muss das Angebot vorhanden sein. Ein aktuelles Beispiel ist Cuxhaven, das jetzt nicht nur Nordseeheilbad, sondern auch Thalassobad geworden ist. Damit werden Urlauber angesprochen, die zahlungskräftig sind, die sich aber auch Qualität wünschen. Dazu gehört aber auch die Sensibilisierung im Umgang mit unserer Natur, die den Grundstein unseres Erfolges legt. Mit dem Wattenmeer vor der Haustür vermarkten wir ein einzigartiges Weltnaturerbe.

Die Wurster Küste ist die zweitgrößte Tourismusdestination neben dem Nordseeheilbad Cuxhaven im Cuxland. Trotzdem klafft ein großer Unterschied zwischen beiden Regionen, wenn man auf die Übernachtungszahlen schaut. Wie kann sich die Region noch stärker positionieren?

Sie ist schon stark positioniert. Die Rahmenbedingungen sind hier andere als in Cuxhaven. Das ist eine ganz andere Art von Urlaub. Aber wir sehen, dass die Nachfrage für die Wurster Küste sehr hoch ist, also macht man dort auch vieles richtig und investiert auch. Wenn die Hardware stimmt und die Gastgeber in ihre Unterkünfte investieren, dann ist das ein Pfund, mit dem die Wurster Küste wuchern kann.

Und welche Rolle spielt Bremerhaven im regionalen Tourismusgetriebe?

Bremerhaven ist ein starker Partner und Gesellschafter in der TANO. Aktuell überarbeiten die Bremerhavener ihre Tourismusstrategie, und dabei bauen sie vor allem auf die Nordseeküste. Sie wollen noch mehr Tagestouristen nach Bremerhaven ziehen. Ich halte Bremerhaven im Verbund mit Wurster Nordseeküste und Cuxhaven aus Sicht des Gastes für eine hervorragende Kombination. Wie schon gesagt: Attraktive Schlechtwetterangebote, wie sie Bremerhaven bietet, sind das A und O für die Zukunft. Und wenn wir es dann noch schaffen, eine gemeinsame Gästekarte für die gesamte Küste aufzulegen, wäre das wie ein Sechser im Lotto.

TANO & Schliefelbein

Schluss mit dem Klein-Klein im Tourismusmarketing an der niedersächsischen Nordseeküste: Anfang 2022 gründeten die sieben Landkreise Ammerland, Aurich, Cuxhaven, Friesland, Leer, Wesermarsch und Wittmund sowie Bremerhaven und Wilhelmshaven die neue Tourismus Agentur Nordsee (kurz: TANO) als touristische Dachorganisation. Der gelernte Journalist Mario Schiefelbein leitet die TANO. Er ist in Cuxhaven aufgewachsen und gilt als Experte für Markenbildung.

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