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Zeitgeschichte

TOma, erzähl mal: Marlies Eylmann erinnert sich an ihre Kindheit auf Krautsand

Marlies Eylmann erinnert sich in einem Buch an ihre Kindheit auf Krautsand.

Marlies Eylmann erinnert sich in einem Buch an ihre Kindheit auf Krautsand. Foto: Helfferich

Sie ist auf Krautsand bekannt wie ein bunter Hund. Jetzt gibt es Marlies Eylmanns Kindheitserinnerungen zum Nachlesen - und das Buch enthält einige Überraschungen.

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Von Susanne Helfferich
Mittwoch, 14.08.2024, 15:50 Uhr

Krautsand. Ihre Enkelin Josefine hatte Marlies Eylmann vor ein paar Jahren das Ausfüllbuch „Oma, erzähl mal!“ geschenkt. Es regt Angehörige an, ihre Erinnerungen aufzuschreiben und sie so für die nachfolgende Generation zu bewahren.

Damit das nicht an einer Schreibblockade scheitert, sind Fragen zu Kindheit und Familiengeschichte vorgegeben.

Und so begann auch Marlies Eylmann, sich zu erinnern. Seite für Seite füllte die 78-Jährige das Büchlein aus. Darin erzählt sie von der Kindheit im Leuchtturm. Sie beschreibt die Spiele, die die Kinder damals spielten, von Hinkekasten und Murmeln und von den Süßigkeiten, die sie für 50 Pfennig am Wochenende kaufen durfte.

Sie erzählt vom Schwimmbecken bei Buhrfeind und davon, dass die Jungen verbotenerweise von der Brücke in die Elbe sprangen; vom Einkochen, Stricken und Nähen; von der Geburt ihrer jüngeren Schwester, und dass Lehrer Köpcke die Hebamme trotz Hochwassers mit Pferd und Wagen zum Leuchtturm brachte.

Blick in die Weite: Marlies Eylmann denkt gerne an ihre Kindheit zurück.

Blick in die Weite: Marlies Eylmann denkt gerne an ihre Kindheit zurück. Foto: Helfferich

Im Krautsander Leuchtturm aufgewachsen

Im Haus beim Oberfeuer wurde sie 1946 als älteste von drei Geschwistern geboren. Ihre Oma Meta war damals die Leuchtturmwärterin und kümmerte sich darum, dass die Schiffe sicher durch die Elbe schippern konnten.

„Sie musste das Glas putzen und das Feuer entzünden“, erinnert sich Marlies Eylmann, „und jedes Mal 138 Stufen hochlaufen.“ Ganz anders während des Zweiten Weltkrieges: „Da musste sie die Lampen löschen“. Das allerdings weiß sie nur von Erzählungen der Eltern.

Mit dem aufgespülten Strand kamen die Touristen

Ein Teil ihrer Kindheit hängt auch an den Wänden ihres Hauses in der Süderstraße: Ein Foto zeigt Buhrfeinds Gasthof, der erstmals 1809 urkundlich erwähnt wurde. Nachdem 1954 der Strand aufgespült worden war, wurde das Lokal mit prächtigem Garten und einem eigenen Schiffsanleger ein beliebtes Ausflugsziel.

Dampfer und Barkassen brachten Urlauber und Tagesgäste aus Hamburg und von der anderen Seite der Elbe und legten an Buhrfeinds Privatanleger an, erzählt die Seniorin.

Im weißen Leuchtturm, der 1974 für den Deichbau weichen musste, ist Marlies Eylmann aufgewachsen.

Im weißen Leuchtturm, der 1974 für den Deichbau weichen musste, ist Marlies Eylmann aufgewachsen. Foto: Marlies Eylmann

Ein anderes Foto zeigt den weißen Leuchtturm, der 1901 erbaut wurde und in den die Familie 1948 zog. Dort lebte sie auf drei Etagen, mit jeweils nur einem Wohnraum. Darüber lag der Arbeitsbereich.

„Als der Strand da war, hat uns Opa Nodorp einen Privatstrand hergerichtet“, erzählt die 78-Jährige. Offenkundig war eine Absperrung vonnöten, „weil Buhrfeinds große Gesellschaften immer auf den Leuchtturm wollten“. 1978 musste das Unterfeuer dem Deichbau weichen.

Der Schlachter kam von Dornbusch mit dem Kahn

Marlies Eylmanns Vater war Binnenschiffer und hatte das Kapitänspatent. „Wenn er von Bord kam, brachte er uns immer etwas besonderes mit - Bananen, Erdnüsse, Kokosnüsse, Weintrauben“, schreibt Marlies Eylmann in ihrem Buch.

Ihre Mutter beschreibt sie als freundlich, hilfsbereit und sehr akkurat. In den Ferien fuhren die Kinder auf dem Schiff des Vaters mit, der „Energie“.

Das Leben auf der Insel war übersichtlich: „Wir hatten drei Kaufläden auf Krautsand: Herbert Müller im Dorf, Oesterheld und Kuhlencord. Der Schlachter kam am Sonnabend mit dem Kahn aus Dornbusch und der Bäcker mit einem Bäckerwagen“, zählt Marlies Eylmann auf. Müller sei auch Hotel gewesen, „da gab‘s Kino“.

Nach der Volksschule auf Krautsand ging sie zur Handelsschule nach Drochtersen. „Doch bei Hochwasser kam ich mit dem Fahrrad nicht durch.“ Anschließend lernte sie Friseurin, erhielt ihre Freisprechung kurz vor Geburt ihres Sohnes Andreas und der Hochzeit mit Lothar Eylmann.

Unterstützung kam von Jonas Kötz

Das alles - und vieles mehr - hat sie handschriftlich festgehalten. „Ich habe das Buch vollgeschrieben und es Josefine zurückgeschenkt“, erzählt die 78-Jährige. Das ausgefüllte Buch machte schnell die Runde auf der Insel. Viele fingen an, sich an ihre eigene Kindheit zu erinnern und kamen ins Erzählen.

Marlies Eylmann zeigte es auch Jonas Kötz. „Für Krautsand ist das ein nettes Zeitdokument, mit kleinen Überraschungen“, sagt der Künstler, „keiner wusste bis dahin, dass Buhrfeind ein Schwimmbad hatte.“ Nachdem eine Freundin den Text in ihren Computer getippt hatte und Fotos aus dem Familienfotoalbum herausgesucht waren, gab Kötz das Buch in Druck. 130 Exemplare gingen über den Drochterser Postladen in den Verkauf und waren in kürzester Zeit vergriffen. Eine Neuauflage ist derzeit nicht geplant.

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