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Geschichte

TOrkane, Alkohol und Tod: Er hat wilde Jahre auf See verbracht

Schiffsmodelle erinnern Dieter Froböse an seine aktive Seefahrtszeit.

Schiffsmodelle erinnern Dieter Froböse an seine aktive Seefahrtszeit. Foto: Felsch

Schon als kleiner Junge wollte Dietmar Froböse zur See fahren. In seinem Buch berichtet er von Schmuggelei, höllischen Schmerzen und einem schweren Schicksalsschlag.

Von Franziska Felsch Donnerstag, 20.03.2025, 19:00 Uhr

Neu Wulmstorf. In Wilhelmsburg geboren, später in Finkenwerder in einem Barackenlager aufgewachsen, schaut der junge Dietmar Froböse immer sehnsüchtig den Schiffen auf der Elbe hinterher. Mit 17 hält er es nicht mehr aus. Der Jüngste von acht Geschwistern ergattert im Mai 1958 einen der begehrten Plätze auf der Seemannschule.

Nach der dreimonatigen Ausbildung geht er das erste Mal an Bord eines Stückgutfrachters - trotz der Bedenken seiner Mutter. Die hat das Unglück der gesunkenen Pamir noch vor Augen. Die Viermastbark war am 21. September 1957 in einem Hurrikan im Atlantik gesunken. Doch nichts kann Dietmar Froböse von seinem Vorhaben abbringen.

50 Pfennig für eine Überstunde

Seine seemännische Laufbahn beginnt - wie damals nicht unüblich - als Moses in der kleinen Fahrt. Die Levensau der Bugsier-, Reederei- und Bergungs-A.G. unternimmt Reisen zwischen dem europäischen Festland, England und Irland. In seinem Buch „Wilde Jahre vor dem Mast“ erinnert sich Froböse, wie er im englischen Kanal Weihnachten vorne auf der Back als Ausguck stand und fürchterlich fror.

Die alten Seefahrtsbücher stehen für eine wilde Zeit an Bord.

Die alten Seefahrtsbücher stehen für eine wilde Zeit an Bord. Foto: Felsch

Nach einigen Monaten wird er zum Decksmann befördert, ist aber noch immer für die Backschaft (Speisegemeinschaft der Schiffsbesatzung) und das Reinigen der Kabinen zuständig. Bis der Erste Offizier sein Talent als Rudergänger erkennt. Aber auch jetzt ist die Arbeit - besonders im Winter auf der Nordsee - kein Zuckerschlecken.

Als Decksjunge erhält Froböse die geringe Heuer von 50 Pfennig die Stunde. Trotz Überstunden ist das Portemonnaie immer schnell leer. Seine knappe Kasse bessert er - wie viele aus der Mannschaft - durch das Schmuggeln von Zigaretten und Alkohol auf, versteckt in den Korkfendern. Einmal passiert es, dass ein Kollege einen so präparierten Fender in der Manchester-Schleuse über Bord hängt, was die Cognacflasche nicht überlebt. Das Geld fehlt bei den damals noch mehrere Tage dauernden Landgängen.

Trotz teils schwerer Stürme: Seekrank wird er nie

Nach achteinhalb Monaten mustert Froböse ab und verbringt seinen unbezahlten Urlaub zu Hause - bis die Kassenlage ihn wieder ins Heuerbüro treibt. Mit seinem zweiten Schiff bringt er nun als Jungmann Getreide nach Afrika. Auf der Schütting, mit über 40 Besatzungsmitgliedern, lernt Froböse die große Fahrt kennen. Trotz teils schwerer Stürme: Seekrank wird er nie.

Ein Relikt aus der Vergangenheit: Dietmar Froböse kann mit seinem alten Sextanten noch umgehen.

Ein Relikt aus der Vergangenheit: Dietmar Froböse kann mit seinem alten Sextanten noch umgehen. Foto: Felsch

Doch als hinter der Mole von Casablanca das Schiff von einer Atlantikdünung gepackt wird, kippt ihm in der Pantry ein Kessel mit kochendem Wasser über den Fuß. Trotz der höllischen Schmerzen, die durch das Einreiben mit Fett nur noch schlimmer werden, will er nicht ins Hospital.

„Sicherheitsschuhe waren uns unbekannt“, sagt Froböse. Die Gewohnheit Flip-Flops zu tragen, führt manchmal zu schlimmen Unfällen - einem Kollegen wird der große Zeh bei Ladearbeiten abgerissen. Überhaupt ist das Leben an Bord nicht ungefährlich: Bei einem Orkan kann sich ein Seemann mit letzter Kraft an der Reling festhalten. „Mit einem offenen Bruch am Arm wird er im nächsten Hafen ins Krankenhaus eingeliefert“, erinnert sich Froböse.

Nur zwei erreichen das Ziel New Orleans, ein Matrose ertrinkt

Sein mit Abstand schlimmstes Erlebnis hat er auf einem Tramper im Sommer 1960. Auf der Christina Bischoff herrscht ein denkbar schlechtes Bordklima. Der Grund, warum drei der Besatzungsmitglieder während der Fahrt auf dem Mississippi ins Wasser springen, unter ihnen Froböse. Ihr Ziel, New Orleans, erreichen nur zwei, der dritte Matrose ertrinkt.

Froböse und sein Kumpan retten sich in die Sümpfe und landen im Knast. Die „Bild“-Zeitung und das „Hamburger Abendblatt“, später auch der „Spiegel“, berichten über den tragischen Fall, der Froböse nie mehr ganz losgelassen hat.

„Ich habe einen Freund verloren und mir Vorwürfe gemacht“, bekennt er. Stefan Krüken vom Ankerherz-Verlag ermuntert ihn, von der Katastrophe zu berichten. Die emotionalen, positiven Reaktionen waren es, die ihn dann bestärkt haben, ein Buch über seine Fahrten chronologisch zu verfassen.

Karriere an Land und Weltumsegelungen

1970 kehrt Froböse, mittlerweile mit seiner großen Liebe Anke verheiratet, der Seefahrt den Rücken. Ein Jahr, nachdem er sein Kapitänspatent in der Tasche hat. Er bleibt Hapag-Lloyd, für die er gefahren ist, aber treu, arbeitet nach einem Studium zum Volkswirt weiter in der Reederei und baut ein Haus in Neu Wulmstorf.

Ab 1980 leitet Froböse die Finkenwerder Fischereigenossenschaft. 2001 in Rente, treibt es ihn wieder aufs Wasser. Bis 2005 segelt er mit seiner Zwölf-Meter-Jacht um die Welt, streckenweise begleitet von seiner Frau oder einer seiner beiden Töchter. Die Seefahrt lässt ihn auch danach nicht los, aber als Nautiker findet er keinen Job mehr. „Mit 65 war ich denen zu alt“, bedauert er. Deshalb segelt er weiter, heute nur noch bis Cuxhaven. Und überlegt, ob er ein zweites Buch hinterherschieben soll, über seine Weltumseglung.

Infos zum Buch: Dietmar Froböse: „Wilde Jahre vor dem Mast: Vom Schiffsjungen zum Kapitän auf großer Fahrt“, 288 Seiten, 34,90 Euro. ISBN: 978-3910962019.

Schiffsmodelle erinnern Dieter Froböse an seine aktive Seefahrtszeit.

Schiffsmodelle erinnern Dieter Froböse an seine aktive Seefahrtszeit. Foto: Felsch

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