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Phänomene der Natur

Parasit macht Wasserfloh und Stichling zur leichten Beute

Ein Eisvogel fängt einen Stichling und sich damit womöglich einen Parasiten ein.

Ein Eisvogel fängt einen Stichling und sich damit womöglich einen Parasiten ein. Foto: Schaffhäuser

Parasiten sind hoch spezialisiert und müssen Wege finden, um sich zu verbreiten. Ein kleiner Bandwurm lebt im Eisvogel und geht auf abenteuerliche Reise. Auch Wasserflöhe und Stichlinge kreuzen seinen Weg.

Von Wolfgang Kurtze Montag, 20.05.2024, 13:13 Uhr

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Landkreis. Ein Parasit ist ein hoch spezialisiertes Lebewesen. Er kann sich nur in seinem Endwirt, zum Beispiel in einem ganz bestimmten Organ von Mensch oder Tier, vermehren. Parasiten müssen aber Wege finden, um sich weit zu verbreiten und außerdem wieder in ihren Wirt zu gelangen. Oft sind die Entwicklungen von Parasiten sehr kompliziert und nehmen Umwege. Das Beispiel hier: ein kleiner Bandwurm.
Er wird einigen Vögeln gefährlich, Menschen aber nicht. Dieser Bandwurm nutzt mehrere Zwischenwirte, bis er endlich wieder in einen fleischfressenden Vogel, den Endwirt, gelangt. In diesem Fall ist der Endwirt der Eisvogel, in dessen Darm dieser kleine Bandwurm lebt. Der Weg, den dieser Parasit nimmt, ist sehr aufregend.

Wasserflöhe fressen Bandwurmlarven

Zunächst legt der Bandwurm im Darm des Eisvogels Unmengen sehr kleiner Eier. Sie gelangen mit dem Eisvogel-Kot ins Wasser. Hier entwickeln sie sich zu mikroskopisch kleinen Larven. Sie können schwimmen, werden von Wasserflöhen für Beute gehalten und gefressen. Wasserflöhe bewegen sich hüpfend im Wasser. Sie sind eine sehr beliebte Beute für Stichlinge. Doch Wasserflöhe, in denen sich Bandwurm-Larven befinden, machen besonders auf sich aufmerksam: Sie zappeln und hüpfen viel auffälliger als andere Wasserflöhe. Sie wollen offensichtlich gefressen werden.

Da packt ein Stichling gern zu und zack - schon befindet sich die Larve des Bandwurms im Darm des Stichlings. Hier entwickelt sie sich prächtig und nimmt an Größe zu. Von Bandwurm-Larven infizierte Stichlinge verhalten sich aber anders als nicht infizierte. Ihr Gehirn ist von der Bandwurm-Larve umprogrammiert. Die Stichlinge sind risikofreudiger, machen durch auffällige Bewegungen auf sich aufmerksam, sind häufiger an der Wasseroberfläche.

Infizierte Stichlinge lieben das Risiko

Der Fisch liebt das Risiko. Angst vor einem Vogelangriff hat er nicht. Hier hat es ein Eisvogel leicht, einen solch auffälligen Stichling zu erbeuten. Und schwupp, schon ist der auffällige Stichling gefangen. Der Eisvogel frisst ihn. Die Larve des Fischbandwurms befindet sich nun im warmen Eisvogel-Darm und am Ziel. Die für ihn optimale Temperatur von 38 Grad hat der Bandwurm nun für eine perfekte Entwicklung. Hier kann er massenhaft Eier legen.

Der komplizierte Kreislauf ist nun geschlossen und kann wieder von vorn beginnen, wenn der Bandwurm Eier legt und diese ins Fischgewässer gelangen. Aber ein kleines Problem hat der Bandwurm im Darm des Eisvogels noch zu bewältigen: Er benötigt normalerweise einen Partner zur Paarung. Aber nur sehr selten findet er ihn. Die Lösung: Bandwürmer können sich selbst befruchten.

Der Parasit, hier der Bandwurm, muss also einen perfekten Weg zu seinem Wirt finden. Er muss sich seinem Endwirt, dem Eisvogel, über mehrere Zwischenwirte selbst auf dem goldenen Tablett servieren und sich nachdrücklich zum Fressen anbieten. Das kann auch schiefgehen. Wird der Stichling von einem Hecht und nicht von einem Eisvogel gefressen, dann endet die Entwicklung des Parasiten in einer Sackgasse. Oder sind Stichling und Eisvogel bereits von Parasiten befallen, dann hat der Bandwurm keine Chance.

Serie und Buch

Was kreucht und fleucht denn da in der Region? Wolfgang Kurtze, Vorsitzender der Lions-Naturschutz-Stiftung, schreibt über Phänomene und Kuriositäten in der Natur. Das TAGEBLATT veröffentlicht die Artikel des promovierten Biologen in loser Reihenfolge. Die erfolgreiche TAGEBLATT-Serie „Phänomene der Natur“ rückt kurzweilig Wissenswertes aus der Natur in den Mittelpunkt. Jetzt ist der zweite Band von Wolfgang Kurtze im Buchhandel erhältlich. Herausgeber ist die Lions Stiftung Stade zur Förderung des Natur- und Umweltschutzes. Erhältlich ist das reich illustrierte und in Jahreszeiten gegliederte Werk im Buchhandel für 19,90 Euro.

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