TPrügel auf dem Pausenhof: Mobbing-Expertin meldet sich zu Wort

Die Berichte über gewalttätige Auseinandersetzungen an der Oberschule Bederkesa (Landkreis Cuxhaven) reißen nicht ab (Symbolbild) Foto: dpa
Die Schläge, die Kinder in der Schule im Stader Nachbarkreis kassierten, beschäftigen nicht nur die Familie, die Schule und die Polizei. Heute sagt eine Mobbing-Expertin, wie gewalttätige Vorfälle verhindert werden können.
Frau Opitz, Sie haben den Artikel über die gewalttätigen Auseinandersetzungen gelesen, denen sich die Söhne von Familie Brunke aus Drangstedt ausgesetzt sahen. Was sagen Sie zu den geschilderten Vorfällen?
Christina Opitz: Die Schilderungen sind absolut glaubwürdig. Solche Auseinandersetzungen gibt es auch an vielen anderen Schulen. Das weiß ich aus meiner beruflichen Erfahrung als Selbstbehauptungs- und Resilienztrainerin. Das, was da in Bad Bederkesa geschehen ist, fällt für mich ganz klar in den Bereich der Körperverletzung. Eltern sollten sich in diesen Fällen an die Polizei wenden. Und an die jeweilige Schulleitung - was im geschilderten Fall ja auch geschehen ist. Mit Mobbing hat das nach meinem Verständnis nichts mehr zu tun.
Tritte und Schläge
T Prügel auf dem Pausenhof: Eltern berichten von Gewalt an Oberschule
Warum nicht?
Um es mal salopp zu sagen: In dem geschilderten Fall aus Bad Bederkesa ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Es kam schon zu Schlägen und Tritten. Solche schlimmen Eskalationen will ich durch meine Arbeit verhindern. Mir geht es darum, Mädchen und Jungen - von der Kita bis zur weiterführenden Schule - frühzeitig mit Mobbing-Situationen vertraut zu machen und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie innerlich stärken. Ich will Kinder zu Helden machen.
Stader Nachbarkreis
T Gewalt an Oberschule: Weitere Mutter meldet sich – Tochter in Notaufnahme
Kinder sollen Helden werden? Wie meinen Sie das?
Auch ich litt in meiner Jugend unter Mobbing, wurde oft von Mitschülern angeschrien, beleidigt, gedemütigt und ausgegrenzt und hätte mir einen Helden gewünscht, der mir aus dieser Situation herausgeholfen hätte. Pädagogen waren und sind oft überfordert mit der Thematik, Eltern sind verzweifelt, weil ihre Kinder nicht mehr in die Schule wollen, krank werden und innerlich zerbrechen. Ich stärke Kinder und Jugendliche frühzeitig, damit sie für die Schwierigkeiten in der Schule und im Leben besser gewappnet sind.
Sie setzen die Schwerpunkte Ihrer Arbeit also auf den Bereich der Prävention - wie genau machen Sie das?
Ich vermittle Kindern in meinen Kursen eine bestimmte Einstellung. Meine kleinen und großen Helden lernen die Macht der positiven Gedanken kennen Ich bringe den Jungen und Mädchen bei, dass sie ungeahnte Superkräfte haben und diese auch selbst einsetzen können. Und dabei geht es nicht um Kampftechniken. Es geht um eine innere Haltung, um ein Bewusstsein für die eigene Stärke und Einzigartigkeit. Wenn ihnen das erst einmal klar geworden ist, können sie Alltagskonflikte erfolgreicher meistern und Gefahren frühzeitig erkennen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
In meinen Kursen nehme ich etwa die Rolle von „Fausto“ ein, einem schulbekannten Aggressor. „Fausto“ ärgert die Kinder, beleidigt sie, droht ihnen, möchte sie festhalten. Die Kinder lernen, in solchen Situationen nicht gleich in die Opferrolle zu fallen und verängstigt wegzulaufen. Sie lernen, ihrem Gegenüber direkt in die Augen zu schauen, seine Sprüche nicht persönlich zu nehmen. Sie lernen, wie es ist, sich einfach umzudrehen und die Situation zu verlassen. Sie lernen, Respekt einzufordern, laut und deutlich ihren Standpunkt zu vertreten. Und sie lernen auch, dass es immer besser ist, sich mit gleichgesinnten Mitschülern zusammenzutun, als allein zu sein.
Hört sich grundsätzlich gut an. Aber wie soll das funktionieren?
Das bedarf des wiederholten Trainings und des intensiven Gesprächs. Rollenspiele sind bei meiner Arbeit ein wichtiges Mittel. Wir haben im Kurs eine Situation dargestellt, wo sich „Fausto“ zunächst nur einem Schüler gegenübersah. Das hätte seiner Aggression kaum Abbruch getan. Ganz bewusst habe ich dann weitere Schüler dazugeholt, die schließlich eine Wand gebildet haben und „Fausto“ vereint die Stirn geboten haben. Zusammenhalt ist immer besser als Einzelkämpfertum. Das ist nur ein Beispiel von vielen Möglichkeiten, sich zu behaupten.

Christina Opitz hat einen speziellen Ansatz gewählt, um Mädchen und Jungen stärker zu machen. Foto: privat
Welche Rolle spielen die Eltern, wenn es darum geht, ihr Kind in dem von Ihnen beschriebenen Sinne stark zu machen?
Eltern spielen eine entscheidende Rolle. Sie vermitteln ihren Kindern durch Liebe, Zuhören und uneingeschränkte Akzeptanz ein Gefühl der Sicherheit. Das ermöglicht ein Leben in Selbstbewusstsein und Stärke.
Haben Sie den Eindruck, dass dieses Idealbild in den meisten Elternhäusern noch gelebt wird?
Das kann ich pauschal nicht beantworten. Unsere Gesellschaft hat sich sicherlich verändert. Viele Eltern stehen unter wirtschaftlichem und sozialem Druck. Und es gibt Eltern, die durch ihr Verhalten untereinander den Kindern kein gutes Beispiel abgeben. Wenn Mutter und Vater sich anschreien, beschimpfen und möglicherweise noch schlagen, dann ist das eine Vorgehensweise, die wenig mit Respekt und Würde zu tun hat. Kinder lernen durch Nachahmung und nehmen das Verhalten der Eltern in ihren Alltag mit. Deshalb müssen letztlich auch Eltern stark gemacht werden.
Welche Rolle spielt die Schule bei der Prävention von Mobbing?
Jede Schule sollte eine speziell ausgebildete Fachkraft haben, die mit ihrem Wissen Anlaufstelle, Ratgeber und Mediator sein kann. In dem von Ihnen geschilderten Fall ist auch eine Schulpsychologin erwähnt. Sie muss immer mit ins Boot. Mobbing ist ein komplexes Thema mit vielen unterschiedlichen Ursachen. Deshalb ist die frühzeitige Arbeit mit Kindern für mich unerlässlich, um sie stark und glücklich zu machen. Lassen Sie es mich mal so formulieren: Ich putze meine Zähne ja auch nicht erst, wenn Karies von ihnen Besitz ergriffen hat.
Zur Person
Christina Opitz ist gelernte Erzieherin mit langjähriger Berufserfahrung, ausgebildeter Kinder- und Jugendcoach und zertifizierte Selbstbehauptungs- und Resilienztrainerin. Die 36-Jährige ist verheiratet, Mutter eines Sohnes und lebt in Oldenburg. Opitz ist telefonisch erreichbar unter 017643803717 oder per E-Mail an: info@aufheldenkurs.de. Ihre Internetadresse: www.aufheldenkurs.de