TRandalierer in Stade verurteilt - Haft und Entzugsanstalt

Am letzten Prozesstag gegen einen Zevener am Landgericht Stade sorgt ein parallel startendes Gerichtsverfahren für die höchste Sicherheitsstufe. Foto: Hahn
Im Verfahren gegen einen 30-Jährigen, angeklagt unter anderem wegen Brandstiftung, ist das Urteil gefallen. Das Gericht folgte in weiten Teilen der Staatsanwaltschaft - mit einer gewichtigen Ausnahme.
Stade. Am letzten Verhandlungstag schilderte ein Zevener Café-Betreiber seine Erlebnisse mit dem Angeklagten an Tag vor rund einem Jahr. Im Zuge der Begegnung habe der Angeklagte gezielt einen Aschenbecher und einen Gartenstuhl in Richtung des Zeugen geworfen. Während der Aschenbecher sein Ziel verfehlte, traf der Stuhl den Zeugen am Bein. Etwa 15 Minuten habe der Angeklagte vor seinem Geschäft randaliert und gepöbelt, bis die Polizei eintraf.
Vom unauffälligen Gymnasiasten zum polizeibekannten
Der forensische Psychiater Dr. Schmidt erstellte im Anschluss sein Gutachten über den Angeklagten. Bemerkenswert: Im Alter von zwölf Jahren kam er mit seiner Familie aus dem europäischen Ausland nach Deutschland und besuchte das Gymnasium als unauffälliger Schüler. Aufgrund der für ihn unüberwindlichen Sprachbarriere begann dann der Abstieg. Vermehrtes Schulschwänzen kostete die Zulassung zum Abitur, der Angeklagte finanzierte sich seither mit Gelegenheitsarbeiten.
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Gerichtsverhandlung
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Gutachter bescheinigt Schuldfähigkeit und dissoziale Persönlichkeitsstörung
Es ist dem Angeklagten nie gelungen, stabile Freundschaften aufzubauen. Erste Auffälligkeiten mit Rauschmittelkonsum zeigte er bereits im Alter von 16 Jahren. „Im Vordergrund steht bei ihm der Alkoholkonsum“, so der Gutachter. Ab 2021 sei eine „psychosoziale Abwärtsspirale“ in Gang gekommen, mit mehreren Klinikaufenthalten, suizidalen Impulsen und eigeninitiativen Hilfegesuchen des Angeklagten. Rund zehn Entgiftungsversuche seien gescheitert. Die Alkoholsucht sei der eine problematische Aspekt, der andere die dissoziale Persönlichkeitsstörung. Keine der Vorstrafen hatte eine Verhaltensänderung herbeiführen können.
Prognose des Gutachters hinsichtlich des geschlossenen Entzuges
Als letzter verbleibender Versuch, eine Verhaltensänderung herbeizuführen, bleibt ein längerfristiger, begleiteter Entzug in einer Entziehungsanstalt. Während der aktuellen Untersuchungshaft in der JVA Bremervörde zeigten die Ergebnisse eines Drogenscreenings eine gewisse Abstinenzfähigkeit beim Angeklagten. Der äußerte sich aber optimistisch, dass es durch die Entzugsanstalt gelingen könne, dem Angeklagten zumindest für eine gewisse Zeit Stabilität zu geben. Die Alternative wäre laut dem Gutachten ein „weiter so“, mit immer wiederkehrenden Straffälligkeiten und Gefängnisstrafen im Wechsel. Die genannten psychischen Störungen stünden einer grundsätzlichen Verurteilung für die Straftaten nicht im Weg. Für die Schuldfähigkeit von Relevanz sei nur die Alkoholsucht und der Rauschzustand zum Tatzeitpunkt. Mithin sei es schwierig, für jede einzelne Tat den Grad der Intoxikation festzustellen.
Video-Aufnahmen
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Weitgehend einig: Staatsanwaltschaft und Verteidigung halten Abschlussplädoyers
Die Staatsanwaltschaft sah es nach Beendigung der Beweisaufnahme als erwiesen an, dass der Angeklagte im Jahr 2023 den Brand in der Obdachlosenunterkunft verschuldet habe. Zusammen mit den anderen angeklagten Delikten forderte die Staatsanwaltschaft eine Gesamtstrafe von vier Jahren sowie die Unterbringung in die Entzugsanstalt. Die Verteidigung sah indes die Brandstiftung als nicht erwiesen an. In dieser Sache hatte es keine Augenzeugen gegeben, und es lagen lediglich Indizien vor. Der Verteidiger kommentierte Bezug nehmend auf den am selben Tag eröffneten Mord-Prozess im Schwurgerichtssaal: „Die wahre kriminelle Energie wird heute nebenan verhandelt. Hier haben wir es mit einem gebrochenen Leben zu tun. Der Angeklagte handelte unter hohem Suchtdruck und mit riesigem Frust.“ Die Verteidigung plädierte für eine Entzugsanstalt und zwei Jahre Haft.
Das Schöffengericht folgt in weiten Teilen der Staatsanwaltschaft
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten zu drei Jahren und drei Monaten Haft und zur Unterbringung in einer Entzugsanstalt. Es sprach den Angeklagten vom Vorwurf der Brandstiftung frei. Als erwiesen sah das Gericht gefährliche Körperverletzung, sowie billigende Inkaufnahme einer gefährlichen Körperverletzung, außerdem Bedrohungen gegen Unbeteiligte und Tätlichkeiten gegen Polizeibeamte an. Zugunsten des Angeklagten werteten die Richter seine Geständigkeit, soweit ihm möglich. Der Angeklagte selbst habe Versuche unternommen, aus der Sucht herauszukommen, und sich offen für eine Entziehungsanstalt gezeigt. „Unsere Hoffnung ist es, trotz problematischer Erfolgsaussicht, ihnen zu helfen“, wandte sich der Vorsitzende Richter Dr. Zazoff abschließend an den Verurteilten.