TRaus aus der Exotenrolle: Stader Schülerinnen und Technik
Victoria ist konzentriert bei der Arbeit. Sie schneidet eine Metallplatte für ihre Designer-Uhr zurecht. Foto: Stehr
In technischen Berufen fehlen Fachkräfte, vor allem weibliche. Bei der Stader Herbstakademie kamen viele Mädchen in Kontakt mit Naturwissenschaft und Technik. Ein Besuch.
Stade. Miriam Twyman platziert ein kleines rotes Segelboot vor einem Klappbrückenmodell. Die Ampel, die auf der Brücke den Verkehr regelt, springt auf Rot. Langsam öffnet sich die Brücke, das Boot hat freie Fahrt. Den Vorgang kennt jeder. Welche Steuerungs- und Programmiertechnik hinter diesem alltäglichen Vorgang steckt, wissen aber wohl nur die wenigsten. Miriam Twyman ist nach einer Woche bei der Stader Herbstakademie nun eine von ihnen. Die Zwölftklässlerin hat selbst ein Programm geschrieben, damit die Steuerung richtig funktioniert.
Experimente nah an der Realität
Mit einer Originalanwendung der Firma Siemens, die auch viele Firmen nutzen, um Industrieanlagen aller Art zu steuern. „Es ist toll, wie realitätsnah wir hier arbeiten und dass wir überhaupt die Möglichkeit haben, so etwas mal auszuprobieren. Während des normalen Unterrichts geht das ja nicht“, sagt die 16-jährige Staderin.

Miriam Twyman hat während der Herbstakademie gelernt, wie eine Klappbrücke gesteuert wird. Foto: Stehr
Fürs Programmieren interessiert sie sich schon länger. Vielleicht auch, weil ihr Vater Informatiker ist und ihr schon früh Einblicke in seinen Job gegeben hat. Am Athenaeum hat sie Mathe und Chemie im Leistungskurs und zusätzlich noch Informatik im Prüfungsfach. Mit diesem Schwerpunkt ist sie immer noch eher eine Ausnahme.
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In den sogenannten MINT-Berufen, also Berufen, die mit Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik zu tun haben, sind Frauen weiterhin stark unterrepräsentiert. Nur 16,4 Prozent aller Beschäftigten in diesem Bereich sind weiblich, zeigt eine aktuelle Auswertung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Demnach gibt es eine Fachkräftelücke von 157.700 Beschäftigten.
Zu wenig Nachwuchs im MINT-Bereich
Thomas Bieck kann das bestätigen. Er leitet die Abteilung Elektronik, Informatik, Metalltechnik und Fahrzeugtechnik an der Jobelmannschule. Pro Jahrgang seien nur ein bis zwei Schülerinnen in dem Bereich vertreten. Die seien dafür dann aber auch meist überdurchschnittlich gut.
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Insgesamt gebe es zu wenig Nachwuchs, auch im Handwerk, sagt Thomas Bieck. Dabei sei die Branche absolut zukunftssicher. Und für Frauen, die sich einen Job im Handwerk körperlich nicht zutrauen, gebe es inzwischen viele Hilfsmittel, die die Arbeit erleichtern.

Alba und Victoria lernen von Berufsschullehrer Christian Hinrichs den Umgang mit dem Metallschneider. Foto: Stehr
An echten Profiwerkzeugen arbeiten unter anderem Alba und Victoria im Metallkurs „Designer Uhr“. Mit der Blechschere, die eigentlich von Dachdeckern benutzt wird, schnitten die Siebtklässlerin von der IGS Stade und die Neuntklässlerin vom Athenaeum Platten aus Blech, Messing und Kupfer aus. Die wurden anschließend unterschiedlich marmoriert, also mit Mustern versehen. Nach einer Woche durften alle Kursteilnehmer ihre eigene Designeruhr mit nach Hause nehmen.

Annabell Grünberg hat mit Farbstoffen der Natur experimentiert. Foto: privat
In anderen Kursen wurden unter anderem Insekten erforscht, Soundboxen und Naturkosmetik hergestellt und T-Shirts mit Naturfarben gefärbt. „Es ist super, dass wir hier so viel experimentieren können“, sind sich Annabell Grünberg, Siebtklässlerin vom Athenaeum, und Amna Akram, Achtklässlerin vom Vincent-Lübeck-Gymnasium, einig.

Amna Akram vom VLG will auf jeden Fall wieder bei der Herbstakademie mitmachen. Sie hat am Projekt Naturkosmetik teilgenommen. Foto: Stehr
Im Gegensatz zu Miriam Twyman können sich die beiden aber im Moment noch nicht vorstellen, später im MINT-Bereich zu arbeiten. Miriam Twyman ist sich sicher, dass sie entweder im chemischen Bereich arbeiten oder einen Job machen möchte, in dem sie programmieren kann. „Da gibt es ja hier in der Region zum Glück auch einige Möglichkeiten“, sagt die Schülerin.
Die IHK-Herbstakademie
Seit 2006 treffen sich während der Herbstferien um die 100 Schülerinnen und Schüler der Stader Gymnasien, der IGS und der Jobelmannschule in der Herbstakademie und beschäftigen sich mit naturwissenschaftlichen Themen. In diesem Jahr waren etwas mehr als 40 Prozent der Teilnehmer weiblich. Finanziert wird die Herbstakademie von der IHK Elbe-Weser und der Stader Wirtschaft. Die betreuenden Lehrkräfte verzichten auf eine Woche Herbstferien.

Miriam Twyman interessiert sich schon länger fürs Programmieren. Foto: Stehr

Im Rahmen der Herbstakademie bauten diese Schülerinnen und Schüler Designer-Uhren aus Metall. Foto: Stehr
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