TRechtsrock statt „Jingle Bells“: Musik-Eklat in Otterndorf weitet sich aus
Am Freitagabend sorgte rechtsradikale Musik aus den Lautsprechern für Empörung auf dem Sternenmarkt in Otterndorf. Foto: Schröder Foto: Schröder
Auf dem Weihnachtsmarkt in Otterndorf stört plötzlich unerwartete Musik die besinnliche Atmosphäre: Rechtsradikale Lieder lassen Besucher erschrocken zurück. Jetzt gibt die Polizei neue Informationen bekannt.
Otterndorf. Die historische Altstadt, die Kirche St. Severi im Lichterglanz, Glühweinduft zwischen Fachwerkhäusern - der Sternenmarkt am dritten Adventswochenende lockte zahlreiche Besucher in die Medemstadt. Doch der stimmungsvolle Abend nahm am Freitag (12. Dezember 2025) eine verstörende Wendung: Aus den Lautsprechern der Beschallungsanlage erklangen rechtsradikale Lieder. Die Polizeiinspektion Cuxhaven ermittelt, die Stadt Otterndorf hat Strafanzeige erstattet.
„Wir waren erstaunt, wie viel los war, und haben die Stimmung als sehr ausgelassen und fröhlich wahrgenommen“, berichtet eine Besucherin, deren Name der Redaktion der „Cuxhavener Nachrichten“ bekannt ist. Gegen 20.30 Uhr sei ihr und ihrem Verlobten aufgefallen, dass plötzlich andere Musik aus den Lautsprechern kam. „Es war anfangs sehr rockige Musik, gefolgt von einer Nachmache der deutschen Nationalhymne“, schildert die Frau. Besonders schockiert habe sie ein Lied, das der Melodie von „An der Nordseeküste“ ähnelte: „Der Text wurde etwas abgeändert, sodass man genau hinhören musste. Besonders in Erinnerung ist mir der Satz geblieben: ‚An der Nordseeküste, am arischen Strand.‘“
Besucher versuchten vergeblich, Verantwortliche zu erreichen
Die beiden Besucher standen nach eigenen Angaben unmittelbar neben einem der Lautsprecher. „Wir haben geschaut, ob dieser einen Knopf zum Ausschalten hat. Das war leider nicht der Fall“, so die Besucherin. Wegen des leichten Regens hätten sie den Stecker nicht ziehen wollen, aus Sorge, einen Kurzschluss zu verursachen. Mehrere Versuche, die Veranstalterin telefonisch zu erreichen, blieben erfolglos. Auch die Polizeistation Otterndorf war nicht besetzt. „Nachdem wir niemanden erreicht haben und auch die Musik nicht ausgestellt wurde, haben wir die Örtlichkeit verlassen. Wir haben uns super unwohl gefühlt und waren ziemlich enttäuscht und traurig“, berichtet die Frau.
Während dieser Zeit seien zwei junge Männer auf sie zugekommen. „Sie fragten, ob die geile Musik von uns kommen würde“, erinnert sich die Besucherin. Einer der beiden habe von „Rechtsrock“ gesprochen, seine Mütze abgezogen und auf seinen kahlrasierten Schädel gedeutet. Später sei er noch einmal zurückgekommen und habe provoziert: Das sei doch „schöne, traditionelle Volksmusik“, die gut zu Weihnachten passen würde.
Stadt stellte Beschallung sofort ab
Samtgemeindebürgermeister Frank Thielebeule bestätigt den Vorfall. „Die Beschallung wurde am Freitag sofort nach Bekanntwerden der abgespielten Musik komplett abgestellt“, erklärt er. Offenbar seien bis zum Eingreifen zwei Lieder mit rechtsextremistischem Liedgut angespielt worden. Zwei Personen hätten Mitarbeitende der Stadt auf die Musik angesprochen. „Die Wiedergabe dieser Musik ist eine Katastrophe für diesen seit Jahren wunderbaren Markt“, sagt Thielebeule. Er distanziere sich mit seinen Mitarbeitenden ausdrücklich von jeglicher Form von Extremismus.
Die Beschallungsanlage war über einen externen Anbieter gebucht worden, der die Musik auf einem USB-Stick zur Verfügung stellte. Wie die rechtsradikalen Lieder auf den Stick gelangten, ist unklar. Die Anlage befand sich in einem verschlossenen Transporter und war nur einem eingeschränkten Personenkreis zugänglich, Mitarbeitenden der Stadt sowie Standbetreibern. Der USB-Stick wurde der Polizei übergeben.
Ermittlungen wegen jugendgefährdender Medien
Otterndorfs Bürgermeister Claus Johannßen zeigt sich erschüttert: „Ich finde das entsetzlich. Grundsätzlich, dass solche Musik abgespielt wird, aber insbesondere natürlich auf dem Weihnachtsmarkt.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass der professionelle Anbieter der Anlage die Musik auf dem Stick gehabt habe. „Das kann eigentlich nur gehackt worden sein“, vermutet Johannßen.
Die Polizeiinspektion Cuxhaven bestätigt die Ermittlungen. „Der Vorfall wurde durch die Stadt Otterndorf zur Anzeige gebracht“, erklärt Pressesprecher Stephan Hertz. Ermittelt werde wegen einer Straftat mit jugendgefährdenden Medien nach dem Jugendschutzgesetz. Die gespielten Lieder seien identifiziert worden, die Hintergründe würden nun aufgeklärt.
Die weiteren Ermittlungen hätten Hinweise darauf ergeben, dass nicht nur am Freitag sondern auch am Samstag und am Sonntag entsprechende Musik abgespielt worden sein solle, so Hertz. Auch in verschiedenen sozialen Medien fänden sich entsprechende Videobeiträge hierzu. Zeugen, die nähere Angaben zu den genauen Umständen vor Ort machen können, können sich bei der Polizei in Cuxhaven (Telefonnummer 04721/5730) melden.
Samtgemeindebürgermeister Thielebeule kündigte an, die Abläufe auszuwerten und die Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden abzuwarten. Die daraus resultierenden Feststellungen würden für zukünftige Veranstaltungen umgesetzt.