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TRettungsdienst am Limit: Ein Drittel der Einsätze unbegründet

Ein Rettungswagen ist mit Blaulicht im Einsatz.

Im Landkreis Rotenburg fuhren die Rettungskräfte im Jahr 2022 knapp 21.000 Einsätze. Foto: Boris Roessler/dpa

Die Schraube ist überdreht. Der Rettungsdienst im Landkreis Rotenburg, der auch in Teilen des Landkreises Stade unterwegs ist, ist am Limit. Etwa ein Drittel der Fahrten seien nicht gerechtfertigt. Wie der Kreis dagegensteuert.

Von Thorsten Kratzmann Donnerstag, 19.10.2023, 16:05 Uhr

Rotenburg. Der im Dezember 2021 vom Kreistag beschlossene Bedarfsplan für den Rettungsdienst im Landkreis Rotenburg ist seit einem Jahr in Kraft. Laut Bedarfsplan betreibt der DRK-Kreisverband Bremervörde neun Rettungswachen in Bremervörde, Gnarrenburg, Tarmstedt, Zeven, Sittensen, Rotenburg, Visselhövede, Lauenbrück und Sottrum. 16 Rettungswagen sind dort einsatzbereit zu halten - einige rund um die Uhr, andere lediglich tagsüber.

Doch beim DRK ist es wie nahezu überall: Es fehlt an Fachpersonal. „Bundesweit gibt es keine Notfallsanitäter auf dem Markt“, klagte DRK-Geschäftsführer Rolf Eckhoff bereits vor einem Jahr. Und so ist es geboten, sorgsam mit der knappen Ressource umzugehen. Diesen Appell richtete Landrat Marco Prietz an die Bevölkerung.

Einsatzzahlen binnen acht Jahren verdoppelt

Prietz, die Dezernentin in der Kreisverwaltung, Heike von Ostrowski, und die Leiterin des Amtes für Rettungsdienstmanagement, Silke Hinze, wollen gegensteuern, um Fehlentwicklungen zu bremsen. Es ist ein bunter Strauß an Ursachen, der dazu geführt hat, dass Rettungswagen im vergangenen Jahr doppelt so oft ausgerückt sind wie noch acht Jahre zuvor.

Die Zahl der Einsätze ist von 10.844 im Jahr 2014 auf 20.920 im Jahr 2022 gestiegen. Dass es sich dabei nicht in jedem Fall um medizinische Notfälle handelte, das wird an der Zahl der Notarzteinsätze deutlich. Die war über die Jahre lediglich geringen Schwankungen unterworfen und lag 2022 bei 4287 Einsätzen.

Zunehmende Fehlnutzung des Rettungsdienstes

Kreisverwaltung und DRK erkennen eine zunehmende Fehlnutzung des Rettungsdienstes. Anteil daran haben eine alternde Bevölkerung, die Zunahme gefühlt schwerer Erkrankungen, eine gestiegene Erwartungshaltung in der Bevölkerung, die Erosion der medizinischen Versorgung auf dem Lande sowie offenbar weit verbreitete Informationsdefizite.

Prietz, von Ostrowski und Hinze gehen auf Grundlage einer bundesweiten Studie davon aus, dass rund ein Drittel der Rettungswageneinsätze nicht gerechtfertigt ist. Im Fall Rotenburgs wären das im zurückliegenden Jahr fast 7000 Fehl-Einsätze gewesen. Die Krankenkasse lehne die Kostenübernahme für Einsätze des Rettungs- und Transportdienstes ab, wenn sie die klar definierten Voraussetzungen dafür als nicht erfüllt ansehe.

In solchen Fällen hält der Landkreis als Träger des Rettungsdienstes die Hand auf, indem er dem Verursacher des Einsatzes 800 Euro für die Fahrt im Rettungswagen und 200 Euro für die Fahrt im Krankentransporter in Rechnung stellt.

Kreis informiert die Bevölkerung im großen Stil

Der Kreis will aufklären. Grundsätzliche Informationen zum Rettungsdienst für die Bevölkerung sollen bald in Krankenhäusern, Schulen, Arztpraxen und bei Arbeitgebern liegen. Online sind die Informationen unter www.lk-row.de/rettungsdienst zu finden.

Darüber hinaus hat die Kreisverwaltung Schulen und Betriebe im Blick. An sie gehen gesonderte Informationsblätter heraus. Anlass dafür sieht die Verwaltungsspitze, weil es in diesen Bereichen zu nicht gerechtfertigten Einsätzen kommt.

Es gelte mit dem offenbar weit verbreiteten Irrglauben aufzuräumen, dass bei Schul- und Arbeitsunfällen aus versicherungsrechtlichen Gründen grundsätzlich der Notruf 112 zu wählen sei.

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