TRiesen-Investition im kleinen Engelschoff: Bremer Firma will Solarpark bauen
Grünland und Weite prägen die Gemeinde Engelschoff. Im Norden der Gemeinde, in Nachbarschaft der braunen Torfabbauflächen plant ein Investor einen Solarpark. Foto: Martin Elsen
Die Gemeinde Engelschoff hat viel Fläche, aber wenig Einwohner und wenig Geld. Jetzt will ein Bremer Unternehmen einen Solarpark bauen - eine 40-Millionen-Euro-Investition auf moorigem Boden.
Engelschoff. Wer ein Luftbild der Gemeinde Engelschoff betrachtet, sieht vor allem viel Grün, schnurgerade Flächen und Gräben, lange Wege und Straßen und vergleichsweise wenig Häuser. Knapp 20 Quadratkilometer ist die Gemeinde mit den Dörfern Engelschoff und Neuland groß. Pro Quadratkilometer leben rein rechnerisch 39 Einwohner. In Himmelpforten sind es mehr als 300.
Steuereinnahmen reichen nicht aus
Aber das Vereinsleben brummt, der Zusammenhalt ist groß - ein liebenswerter Vorteil der Idylle. Der Nachteil: Die Gemeinde hat im Vergleich hohe Kosten für die Infrastruktur, muss lange Straßen und Wege auf schwierigen Böden in Schuss halten, hat aber verhältnismäßig geringe Steuereinnahmen.
„Wir müssen uns etwas einfallen lassen“, sagte Bürgermeister Sven Frisch in der jüngsten Ratssitzung. Über die Umlagen fließt viel Geld an die Samtgemeinde und den Landkreis. „Die Steuereinnahmen reichen nicht, um am Ende die Steuerlast zu tragen“, sagt Frisch. „Wir müssen uns andere Einnahmequellen suchen.“
Bremer Unternehmen will investieren
Eine solche tut sich nun auf: Die größte Fläche, die für Solarparks in der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten geeignet ist, liegt in Engelschoff. Mit etwa 500 Meter Abstand zur Wohnbebauung an der Dorfstraße und direkt am Alten Kajedeich könnte der Solarpark gebaut werden - und mit dem Bremer Unternehmen Energiekontor AG gibt es einen handfesten Interessenten.
Top-Thema 2023
T Nordkehdingen und die schwierige Suche nach Photovoltaik-Flächen
Mehr als 40 Hektar groß soll der Park werden. Kleiner ginge es nicht. „35 bis 40 Hektar sind ein Muss, damit sich das Umspannwerk rechnet“, begründete Projektkoordinator Marvin Kleinewächter von der Energiekontor AG im Rat die Dimension des Vorhabens.
Eine neue Leitung werde den Park und das Umspannwerk an das Stromnetz anschließen. Das Kabel werde unterirdisch verlegt. Ratsmitglied Jennifer Weis zeigte sich skeptisch und hakte bezüglich der benötigten Fläche immer wieder nach.
Naturschutzgebiet im Norden
Im Flächennutzungsplan der Samtgemeinde sind diese anmoorigen Böden als eher minderwertig klassifiziert, im Norden des geplanten Solarparks schließt sich ein Naturschutzgebiet an. Wenn es gefordert ist, werden Hecken um den eingezäunten Park angelegt. Der höchste Punkt der Solarmodule wird laut Kleinewächter bei vier Meter über dem Boden liegen.
Die Firma rechnet mit 45 Millionen Kilowattstunden erzeugter Energie jährlich. Dafür will sie bis zu 1,2 Millionen Euro pro Hektar investieren, also mindestens 40 Millionen Euro. Hinzu kommen mehr als fünf Millionen Euro für das Umspannwerk. Das Unternehmen kalkuliert zunächst mit einer Laufzeit von 30 Jahren.
Engelschoff profitiert doppelt
Die Gemeinde könnte doppelt profitieren: 0,2 Cent Akzeptanzabgabe pro erzeugter Kilowattstunde sind gesetzlich gewollt. 90.000 Euro pro Jahr könnte die Kommune gut gebrauchen. Allerdings hat Niedersachsen in dem im April verabschiedeten Gesetz auch Verwendungszwecke festgelegt. Die Kommunen könnten das Geld „frei für Naturschutz, soziale, kulturelle Zwecke, für Bildung oder zur Stärkung der Daseinsvorsorge verwenden“, heißt es vom Umweltministerium.
Zum zweiten werden 90 Prozent der am Standort erwirtschafteten Gewerbesteuer an die Gemeinde fließen. Auch das sei gesetzlich geregelt, so Kleinewächter auf Nachfrage. Zusätzlich enthält das niedersächsische Gesetz einen Passus, nach dem die Betreiber von Freiflächen-Photovoltaikanlagen auch die Menschen im Umfeld von 2,5 Kilometern der Anlage profitieren lassen sollen - mit durchschnittlich weiteren 0,1 Cent pro Kilowattstunde. Der Gesetzgeber sieht dabei mehrere Möglichkeiten der Ausschüttung vor, von der Direktzahlung bis zur Beteiligung an Bürgerenergiegenossenschaften.
Planung so transparent wie möglich
Für die Kommune Engelschoff könnte das Solar-Projekt damit neue Chancen eröffnen. Dass ein Projekt dieser Größe aber nicht bei allen gleich gut ankommt, dass Landeigentümer und Anwohner unterschiedlich gelagerte Interessen haben, gehört zum Planungsprozess. Den will die Gemeinde transparent wie irgend möglich führen. Eine Zerreißprobe wie die Jahre währende Diskussion um den Bau der Windkraftanlagen soll sich in Engelschoff nicht wiederholen.
Mit dem Aufstellungsbeschluss, den der Gemeinderat bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung fasst, beginnt nun die konkretere Planung für das „Sondergebiet“. Die Planungshoheit liegt dabei bei der Gemeinde.
Vielleicht könne Engelschoff als kleine Gemeinde Vorreiter sein, sagt Sven Frisch. „Wir müssen die Chancen, die wir haben, ergreifen. Wir haben nur Landwirtschaft, unsere Vereine und unsere Gemeinschaft und eine tolle Landschaft. Aber die zahlt nicht in die Steuerkasse ein.“

Grünland und Weite prägen die Gemeinde Engelschoff. Im Norden der Gemeinde, in Nachbarschaft der braunen Torfabbauflächen plant ein Investor einen Solarpark. Foto: Martin Elsen

Das Unternehmen Energiekontor betreibt bereits 16 Solarparks, auch in Debstedt im Landkreis Cuxhaven und in Garzau-Garzin in Brandenburg (Foto). Foto: Energiekontor AG