Zähl Pixel
Autobahn-Fiasko

TRiesen-Rohre sollen A27 retten – aber wie lange?

Das neue fieberglas-verstärkte Kunststoffrohr hat einen Durchmesser von drei Metern und wird in einen Durchlass unter der A27 für einen Graben eingebaut.

Das neue fieberglas-verstärkte Kunststoffrohr hat einen Durchmesser von drei Metern und wird in einen Durchlass unter der A27 für einen Graben eingebaut. Foto: Jan Iven

Die durchgegammelten Wellstahlrohre sind ausgebaut, nun soll Glasfaser ein Absacken der Autobahn im Kreis Cuxhaven verhindern. Doch die Autobahn GmbH hat auch schlechte Nachrichten. Und der Landkreis fordert Entschädigung.

Von Jan Iven Donnerstag, 07.03.2024, 12:40 Uhr

Landkreis Cuxhaven. Mit einem Durchmesser von drei Metern ist das neue Kunststoffrohr einen halben Meter breiter als die 50 Jahre alte Konstruktion aus Wellstahl - an der A27-Baustelle sind nun die ersten vier Elemente eingetroffen.

Die neuen Rohre fühlen sich beinahe an wie Beton und sind auch fast so stabil. Tatsächlich sind sie aus einem Kunststoff, der mit Fiberglas verstärkt wurde. Also Glasfasern. Der Faser-Kunststoff-Verbund ist belastbar und kaum anfällig für Korrosion. Letzteres ist vor allem im Vergleich zu den völlig maroden Wellstahlrohren unter der A27 interessant, die nun durch die neuen Kunststoffrohre ersetzt werden sollen.

Wie lange halten die neuen Kunststoffrohre?

Videoaufnahmen aus einem Grabendurchlass unter der Autobahn hatten zuletzt den erschreckenden Zustand der 50 Jahre alten Konstruktion gezeigt. Wasser und Sand waren durch das durchgerostete Rohr in den Graben eingedrungen. Die Autobahn drohte einzusacken und musste umgehend komplett gesperrt werden. Bei Bauarbeiten wurde seitdem die Fahrbahn geöffnet und eine riesige Grube ausgehoben, um die alten Rohre zu entfernen und zu ersetzen.

Am Mittwoch wurden die ersten vier Elemente des Kunststoffrohrs angeliefert. Nun liegen sie beeindruckend riesig auf der Fahrbahn. Mit einem Durchmesser von drei Metern sind sie einen halben Meter breiter als die alten Röhre. Acht weitere Teilstücke werden in den kommenden Tagen folgen. „Das ist kein Provisorium. Das könnte jahrzehntelang halten“, sagt Autobahnsprecher Michael Wendt. Provisorium? Da war doch was.

Die Autobahn GmbH hatte angekündigt, den Grabendurchlass nun so schnell wie möglich mit einer vorübergehenden Lösung zu ersetzen. Das hatte bei vielen Menschen in der Region für Ärger gesorgt, weil die Autobahn in einigen Jahren erneut gesperrt werden muss, um eine dauerhafte Konstruktion aus Stahlbeton zu errichten. „Warum nicht gleich richtig?“, fragen sich viele Menschen.

Auf der Baustelle der gesperrten Autobahn 27 bei Hagen wird die Umleitung des Entwässerungsgrabens vorbereitet.

Auf der Baustelle der gesperrten Autobahn 27 bei Hagen wird die Umleitung des Entwässerungsgrabens vorbereitet. Foto: Die Autobahn GmbH des Bundes

Antwort: Ein Neubau aus Stahlbeton braucht eine lange Planungszeit inklusive öffentlicher Anhörungen. So lange kann die Autobahn nicht gesperrt bleiben. Ein Ersatz mit Kunststoffrohren kann hingegen unverzüglich vorgenommen werden und gilt auch nicht als Neubau.

Von einer Notlösung will man bei der Autobahn GmbH aber ausdrücklich nicht sprechen. Dafür sind die Kunststoffrohre einfach zu langlebig. Und so sind es offenbar eher die Vorschriften der Autobahn GmbH als die Qualität der neuen Rohre, die einen späteren Neubau aus Stahlbeton erforderlich machen. Auf jeden Fall muss die Autobahn in einigen Jahren erneut aufgerissen werden. Wann, steht allerdings noch nicht fest.

Und während nun die Teile des neuen Rohres zur Baustelle auf der A27 angeliefert werden, wird gleichzeitig der Vorgänger entfernt. Wobei das Wellblechrohr am Boden der Baugrube nicht ausgegraben, sondern mit dem Bagger aufgerissen, zerteilt und weggeschaufelt wird.

Ein zweiter Bagger steht am oberen Rand der Grube, wuchtet die Teile nach oben und lässt sie auf einen Schrotthaufen fallen, der im Laufe des Tages aus den alten Rohrteilen angehäuft wurde. Die beiden Bagger arbeiten Hand in Hand, Schaufel in Schaufel, wenn man so will.

Neben der Baugrube türmen sich die entfernten Teile des alten Rohres.

Neben der Baugrube türmen sich die entfernten Teile des alten Rohres. Foto: Jan Iven

Wann wird das neue Kunststoffrohr eingebaut?

In dem alten Wellstahl sind die Löcher zu sehen, durch die Wasser und Sand in den Graben eingedrungen sind, wie im Video. Doch vielleicht wurden die Teile auch vom Bagger beschädigt. Da das Stahlrohr stark an Wellblech erinnert, überrascht das Gewicht. Selbst kleine Teile lassen sich kaum anheben. Klar ist: Nach 50 Jahren hat das Metall ausgedient. Das neue Kunststoffrohr soll gegen Ende der Woche eingebaut werden.

Gisela Schütt am Grienenbergsmoorgraben, der unter der A27 hindurchfließt. Das Stahlgewölbe darüber ist an vielen Stellen durchgerostet.

Gisela Schütt am Grienenbergsmoorgraben, der unter der A27 hindurchfließt. Das Stahlgewölbe darüber ist an vielen Stellen durchgerostet. Foto: Scheschonka

Gesperrte A27: Bund soll für Umleitung zahlen

Der Straßenverkehr quält sich schon längst nicht mehr nur über die ausgeschilderte Umleitung über Hagen und Uthlede – auch die alte B6 und viele vermeintliche Schleichwege durch Hagen ächzen unter den bis zu 27.000 Fahrzeugen, die täglich durch die Region rollen.

Manch einer fragt sich noch, warum die offizielle Ausweichroute noch über Uthlede und nicht gleich über die alte Bundesstraße 6 führt. Doch tatsächlich haben das Land Niedersachsen und die Autobahn GmbH die Strecke, die vor einer Weile zur Landesstraße 135 zurückgestuft wurde, längst als alternative Umleitung ausgerufen.

Besonders befahren ist die L135, wenn die Umleitung bei Uthlede wegen verunglückter Lkw oder Reparaturarbeiten gesperrt ist oder es auf der A27 zu Unfällen kommt. So war es erst am Montag, 4. März, als zwischen den Anschlussstellen Hagen und Stotel ein Autofahrer ungebremst auf einen Lastwagen aufgefahren ist. Das Autobahnteilstück war für mehrere Stunden voll gesperrt. Und auf der alten L135 drängelten sich noch mehr Fahrzeuge als ohnehin schon.

Warum verläuft die Umleitung noch über Uthlede?

Nach dem Landkreis Cuxhaven hat sich nun auch das Landesamt für Straßenverkehr des Landes Niedersachsens zu möglichen Entschädigungsforderungen geäußert. „Nach Beendigung der Maßnahme auf der Autobahn und wenn der Verkehr wieder auf der Autobahn läuft, werden unsere nun betroffenen Landesstraßen genau betrachtet“, teilte Behördensprecherin Carolin Selle auf Nachfrage der „Nordsee-Zeitung“ mit.

Dann soll auf „Schäden, die ausweislich durch die Umleitung begründet sind“ das Fernstraßengesetz angewendet werden. Das Gesetz regelt den finanziellen Ausgleich im Falle von Umleitungen: „Die hierfür nötigen Mehraufwendungen sind dem Träger der Straßenbaulast der Umleitungsstrecke zu erstatten.“

So sieht es aus: Ein Blick in den 50 Jahre alten maroden Grabendurchlass, der erneuert wird.

So sieht es aus: Ein Blick in den 50 Jahre alten maroden Grabendurchlass, der erneuert wird. Foto: Jan Iven

Weiter heißt es: „Das gilt auch für Aufwendungen, die der Träger der Straßenbaulast der Umleitungsstrecke zur Beseitigung wesentlicher, durch die Umleitung verursachter Schäden machen muss.“ Die Landesbehörde verweist damit auf die Gesetzeslage – will aber entsprechend der gesetzlichen Regelungen am Ende auch Geld sehen.

Behördensprecherin Carolin Selle betont allerdings: „Dabei muss berücksichtigt werden, dass hier nur die offizielle Umleitungsstrecke mit gemeint ist.“ So wurden vor allem die L135, die L134, die L143 und die L149 als alternative Umleitungen empfohlen.

Wird die alte B6 jetzt endlich saniert?

Doch soll die alte B6 nach dem Ende der A27-Vollsperrung endlich ausgebessert werden? Sprecherin Carolin Selle: „Inwiefern die L135 saniert werden muss, lässt sich erst nach Abschluss der Arbeiten auf der Autobahn genauer feststellen.“ Die Straßenmeisterei bemühe sich unterdessen, die betroffenen Landesstraßen im verkehrssicheren Zustand zu halten und dabei den Straßenverkehr möglichst wenig einzuschränken.

Zuvor hatte bereits der Landkreis angekündigt, dass sämtliche durch die Umleitung auf den Kreisstraßen entstanden Kosten für die Bergung von Lkw und die Ausbesserung von Straßen „notiert“ würden. Auch wenn noch nicht ganz klar sei, wer am Ende die Rechnung erhalte. Adressat wäre aber mutmaßlich der Bund als Eigentümer der Autobahn GmbH. Bei der Autobahn GmbH wird davon ausgegangen, dass eine finanzielle Lösung gefunden werde.

Weitere Artikel