TSchiedsrichter aus Leidenschaft: Warum Ramzi Bensalems Liebe keine Liga kennt

In Tunesien durfte Ramzi Bensalem (Mitte) unter anderem die Erstliga-Partie der Spitzenreiter Club Africain Tunis gegen Olympic Beja pfeifen. Foto: privat
Entscheiden unter Druck: Während Schiedsrichter Ramzi Bensalem in Tunesien Erstliga-Spiele leitete, darf er in Bremerhaven bisher nur in der Kreisliga pfeifen. Doch er gibt die Hoffnung nicht auf.
Bremerhaven. Die Ansage des Stadionsprechers, laute Fangesänge, letzte Worte an der Mittellinie mit den Mannschaftskapitänen. Anpfiff. Es spielt der Club Africain Tunis gegen Olympic Beja, beide seit Jahren an der Spitze der professionellen Tunesischen Ligue 1. Mittendrin: Schiedsrichter Ramzi Bensalem, für den es nichts Schöneres gibt, als Fußballpartien zu pfeifen.
Szenenwechsel: 3.000 Kilometer weiter nördlich steht der Unparteiische Ramzi Bensalem einige Zeit später wieder auf dem Platz. Die Kulisse in der 8. Liga ist zwar eine andere, die Leidenschaft, mit der er das Spiel zwischen Bremerhaven United und OSC Bremerhaven II in der Kreisliga leitet, jedoch genauso groß. „Ich bin sehr froh, hier pfeifen zu dürfen“, sagt der 34-Jährige.
„Brauche das Pfeifen wie die Luft zum Atmen“
Auch, wenn ihm der Rückschritt von der Profiliga des tunesischen Fußballverbandes in die Kreisliga Bremerhaven nicht immer leicht fällt, wie er zugibt. „Seit 14 Jahren bin ich mit ganzen Herzen Schiedsrichter“, sagt der Tunesier, der vor einem Jahr in die Seestadt gekommen ist, um am Klinikum Reinkenheide als Krankenpfleger in der Unfallchirurgie zu arbeiten.
„Für mich ist das Schiedsrichter-Dasein mehr als nur ein Hobby, ich brauche das Pfeifen wie die Luft zum Atmen“, sagt Ramzi Bensalem lächelnd und zuckt beinahe verlegen die Schultern. Dabei sei es ihm völlig einerlei, ob er Jugend- oder Herrenspiele leite, Amateur- oder Profibegegnungen. „Jede Partie macht mir einfach viel, viel Spaß“, erzählt er. „Es ist der Druck, auf dem Platz schnelle Entscheidungen treffen zu müssen: Dieser Adrenalin-Kick macht mich glücklich.“
Originaldokumente der Fifa im Gepäck
Leider erlebt er dieses Hochgefühl momentan aus seiner Sicht viel zu selten. Nur wenige Spiele in der Kreisliga durfte er bisher leiten. „Wenn es nach mir ginge, würde ich gerne jedes Wochenende auf dem Platz stehen“, erklärt er. Dabei hat er sich sofort nach seiner Ankunft in Bremerhaven im vergangenen November dem ESC Geestemünde angeschlossen und Kontakt zum DFB und dem Bremer Fußballverband aufgenommen.

Momentan pfeift Ramzi Bensalem (Mitte) ausschließlich Spiele der Kreisliga - hier eine Partie zwischen Bremerhaven United und OSC Bremerhaven II. Foto: privat
Schließlich hatte er sämtliche Leistungsnachweise - Originaldokumente der Fifa - aus seiner Heimat im Gepäck, wie er erklärt.
Groß geworden im südtunesischen Douz begann seine Schiedsrichterkarriere, als er zum Studium in die größere Stadt Gabès gezogen war. „Ich mochte Fußball schon immer, habe gespielt, seit ich ein kleiner Junge war. Jetzt wollte ich auch einmal die andere Seite kennenlernen“, sagt er.
Yoga zum Stressabbau
Er habe sofort Feuer gefangen für diese neue Aufgabe und sich seitdem „Schritt für Schritt hochgearbeitet“. Er besuchte Seminare und Fortbildungen, legte Prüfungen in Theorie und Praxis ab, viele von der Fifa organisiert und durchgeführt, wie er beschreibt. „Und alle auf Anhieb bestanden“, sagt Ramzi Bensalem, der neben Arabisch und Französisch auch Deutsch und Italienisch spricht, nicht ohne Stolz.
Ich habe jahrelange Erfahrung als Schiedsrichter und jetzt soll ich noch einmal von vorn anfangen. Das ist sehr, sehr schwer. Aber ich bleibe am Ball.
Ramzi Bensalem
Mit dem öffentlichen Druck, der stärker wurde, als er schlussendlich in der tunesischen Profi-Liga angekommen war, lernte er umzugehen. „Du brauchst eine starke Persönlichkeit. Doch soziale Medien rund um die Spieltage habe ich gemieden und auch mal Yoga zum Stressabbau gemacht“, verrät er.
Ein Jahr als Schiedsrichter „verloren“
In Tunesien hatte der gelernte Krankenpfleger seine täglichen Routinen: nach der Arbeit trainierte er zwei Stunden, um anschließend sein Wissen anhand von Videoanalyse zu vertiefen, am Wochenende wurde gepfiffen. „Je mehr Spielsituationen ich gesehen habe, desto eher weiß ich, wie ich auf dem Platz zu reagieren habe“, findet der 34-Jährige.
In Bremerhaven ist Ramzi Bensalem beruflich zwar angekommen und fühlt sich in seinem Team sehr wohl, doch einen Rhythmus in Bezug auf sein liebstes Hobby hat er bislang nicht gefunden. „In meinen Augen habe ich mangels Spielpraxis ein Jahr verloren. Das ist für einen Schiedsrichter eine lange Zeit“, bedauert er. Aber er hält sich fit, ist täglich im Fitnessstudio. Wichtig sei für ihn auch der Kontakt zu ehemaligen Kollegen und Fifa-Schiedsrichtern aus Tunesien. „Sie versorgen mich mit Material und Infos“, sagt er
Jedes Spiel noch einmal Revue passieren lassen
Trotz seiner Profi-Erfahrung nimmt der 34-Jährige seinen Job als Unparteiischer bei Kreisliga-Spielen sehr ernst. „Ich bin motiviert, gehe immer gut vorbereitet und konzentriert in die Partie“, sagt er.

Im Laufe seiner Schiedsrichterkarriere hat Ramzi Bensalem (Mitte) in Tunesien an etlichen von der Fifa organisierten Fortbildungen teilgenommen. Foto: privat
Auch nach Abpfiff ist das Spiel für ihn noch nicht zu Ende. „Zu Hause gehe ich in Ruhe noch einmal alle Entscheidungen durch. Deswegen finde ich das Feedback der Assistenten auch so wichtig“, sagt er. Auf dem Platz selbst hat Ramzi Bensalem nur gute Erfahrungen gemacht: „Meine Entscheidungen werden akzeptiert und ich wurde noch nie beleidigt“, freut er sich.
Überrascht von der deutschen Fankultur
Überhaupt mag er den deutschen Fußball, war schon mehrmals im Bremer Weserstadion. „Da beobachte ich 90 Minuten lang die Schiris“, sagt er lachend. Überrascht haben ihn auch die Fans. „Es ist erstaunlich zu sehen, dass die ,normalen‘ gegnerischen Anhänger so friedlich miteinander umgehen. Das kenne ich aus meiner Heimat anders“, berichtet er.
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Trotz aller positiven Erlebnisse wird ihm manchmal ein wenig schwer ums Herz. „Ich habe jahrelange Erfahrung, jetzt fange ich noch einmal von vorn an, das ist sehr, sehr schwer“, gibt er zu. Aufgeben kommt für ihn aber nicht infrage: „Ich hoffe auf meine Chance, zu zeigen, was ich kann“, sagt er. Er sei bereit für alle Prüfungen, die der DFB von ihm verlangt: „Ich bin froh, hier zu sein. Aber mein Ziel ist es, auch in Deutschland erstklassig zu pfeifen“, sagt Ramzi Bensalem selbstbewusst.
BFV prüft Bensalems Unterlagen
Schon bald könnte er seinem Traum zumindest ein klitzekleines Stückchen näherkommen. Genau ein Jahr nach seiner Ankunft in Bremerhaven kommt nun Bewegung in die Sache. Im November kommt der Vorstand des BFV zusammen. Ein Punkt auf der Tagesordnung ist Ramzi Bensalem, berichtet Siegfried Köneke vom Regionalen Schiedsrichterausschuss Bremerhaven. „Dann werden seine Unterlagen geprüft und entschieden, welcher Leistungsnachweise es noch bedarf, um in Deutschland auf höherem Niveau pfeifen zu dürfen.“

Ramzi Bensalem (Mitte). Foto: privat Foto: privat