TSchnell und unbürokratisch: Flügelchen Nester hilft Familien in Not

Christine Thom-Forde (links) und Kathrin Lack helfen mit dem Förderverein Flügelchen Nester Familien in Not. Foto: Stehr
Aus einem ambulanten Kinderpflegedienst hat sich ein Verein entwickelt, der vor allem Eltern schwer kranker Kinder unterstützt. Die Freude über eine ungewöhnlich hohe Spende ist groß.
Stade. Eltern wünschen sich für ihre Kinder nur das Beste, vor allem wohl Gesundheit. Es gibt aber auch Familien, in denen todkranke Kinder oder Kinder mit teils schweren Behinderungen leben, die besondere Aufmerksamkeit und Pflege brauchen. Wie der Alltag für solche Familien aussieht, weiß die examinierte Kinderkrankenschwester Christine Thom-Forde.
Um helfen zu können, hat sie 2009 die ambulante Kinderkrankenpflege Flügelchen in Stade gegründet. Ein rund 40-köpfiges Team aus speziell ausgebildeten Pflegefachkräften unterstützt Eltern aus der Region bei der Pflege ihrer Kinder, begleitet sie emotional und hilft unter anderem auch dabei, ein Therapie-Netzwerk aufzubauen. Sowohl zu Hause als auch seit 2016 in der sogenannten Ferienvilla in Stade. Derzeit werden in dem Gebäude in der Schiffertorsstraße drei schwer kranke Kinder mit Intensiv-Pflegebedarf versorgt. Eltern dürfen mit einziehen und leben in einer Wohngemeinschaft - einem Flügelchen-Nest - zusammen.
Viele Familien werden von Krankenkassen im Regen stehen gelassen
In ihrem Arbeitsalltag bekommen Christine Thom-Forde und ihre Kollegin Kathrin Lack immer wieder mit, dass viele Familien in ihrer ohnehin schon belastenden Situation von Krankenkassen im Regen stehen gelassen werden. Zum Beispiel, weil alltagserleichternde Hilfsmittel wie Rollatoren oder Prothesen nicht oder erst sehr spät bewilligt werden. „Wir kennen Eltern, die ein spezielles Pflegebett drei Tage nach dem Tod des Kindes geliefert bekamen“, sagt die examinierte Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin Kathrin Lack.
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Um Familien schnell und unbürokratisch helfen zu können, hat Christine Thom-Forde gemeinsam mit Kathrin Lack und weiteren Unterstützern 2020 den gemeinnützigen Verein Flügelchen Nester e.V. mit Sitz in Bützflethermoor gegründet. Ziel sei, Familienstrukturen aufrechtzuerhalten, wenn diese auseinanderzubrechen drohen. „Wir wollen Unmögliches möglich machen und auch ein bisschen die Welt retten“, sagt Thom-Forde. Dafür braucht es neben viel Idealismus vor allem Geld. Im Gegensatz zum Pflegedienst dürfe der Verein Spenden annehmen. Die kommen inzwischen sowohl von vielen großen und kleinen Unternehmen aus der Region als auch von etlichen Privatspendern, die zum Beispiel anlässlich von Geburtstagen für den Verein sammeln.
Band ChildHood spendet 28.000 Euro an den Verein
Überwältigt sind Thom-Forde und ihr Team von der Spende, die jetzt durch die beiden ausverkauften Konzerte der Charity-unplugged-Band ChildHood im Stadeum zustande gekommen ist. Mit Unterstützung des Rotary Clubs Stade, der Lindemann Gruppe, von Retralog und dem Recycling Zentrum Stade sowie durch weitere Spenden von Besuchern kamen insgesamt 56.000 Euro zusammen. Die Hälfte - also 28.000 Euro - geht an den Verein Flügelchen Nester, die andere Hälfte bekommt die Organisation KidsAnker aus Neu Wulmstorf. „Diese riesige Spendensumme hat uns sehr berührt. Damit haben wir nicht gerechnet“, sagt Christine Thom-Forde.

Die Band ChildHood übergab im Stadeum Schecks über je 28.000 Euro an Vertreterinnen der Organisation KidsAnker aus Neu Wulmstorf sowie an Christine Thom-Forde vom Verein Flügelchen Nester e.V. aus Bützflethermoor. Foto: Childhood
Jeder Cent soll an Familien in emotionalen, sozialen und/oder finanziellen Notsituationen gehen. Damit seien nicht nur Familien mit sterbenden oder schwer kranken Kindern gemeint, betont Kathrin Lack. Der Verein erfülle alle möglichen individuellen Wünsche und finanziere bei Bedarf zum Beispiel auch Therapien für Kinder mit Angststörungen oder anderen psychischen Erkrankungen. Wer nicht genug Geld für eine Beerdigung seines Kindes hat, kann sich ebenfalls an den Verein wenden.
Wertvolle Auszeiten für Eltern und Schattenkinder
Darüber hinaus bietet Flügelchen Nester auch Auszeiten für sogenannte Schattenkinder an. Damit sind Geschwister von schwer kranken Kindern oder Kindern mit Behinderung gemeint, die im Alltag häufig zu kurz kommen, weil sie im Schatten ihrer besonderen Geschwister stehen. Sie sollen auch mal im Mittelpunkt stehen und merken, dass sie nicht allein sind. Außerdem ermöglicht der Verein Eltern und Angehörigen eine Auszeit. Während dieser Phase findet das zu betreuende Kind in einem Flügelchen-Nest ein behütetes Zuhause auf Zeit.

Christine Thom-Forde (rechts) und Kathrin Lack sind für Familien in besonderen emotionalen, sozialen oder finanziellen Notlagen da. Foto: Stehr
Mehr als 50 Familien hat der Verein schon auf unterschiedlichste Weise begleitet. „Manchen Kindern geht es irgendwann besser, andere gehen über die Regenbogenbrücke ins Licht“, sagt Kathrin Lack. Doch egal, was passiert - mit Flügelchen Nester sei alles ein bisschen leichter.
Rund 194.000 Kinder und Jugendliche mit einer anerkannten Schwerbehinderung leben in Deutschland. Schätzungsweise 33.000 Kinder und Jugendliche sind von einer lebensverkürzenden Erkrankung betroffen. Mehr als 3000 Kinder sterben jährlich an einer Erkrankung.